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MELDUNG/1898: Auf der Pirsch in englischen Gefielden (SB)



Golowkins Promoter sondiert DeGale, Eubank und Saunders

Gennadi Golowkin ist der beste Boxer im Mittelgewicht und möchte dort alle Titel vereinen. Bislang hat er die Gürtel der WBA und IBF sowie des kleinen Verbands IBO zusammengeführt und ist Pflichtherausforderer beim WBC. Würden sich ihm Saul "Canelo" Alvarez (WBC) und Billy Joe Saunders (WBO) sofort zum Kampf stellen, hätte der Kasache binnen zwei Auftritten sein großes Ziel erreicht. Daß sich seine Kampagne lange hinzieht, liegt einzig und allein daran, daß ihm die prominentesten Rivalen tunlichst aus dem Weg gehen, da sie nicht wie all seine anderen Gegner seit sechs Jahren auf den Brettern landen wollen. Oscar de la Hoya von den Golden Boy Promotions hat mit Tom Loeffler von K2 ausgehandelt, daß "Canelo" und Golowkin Mitte September aufeinandertreffen und zuvor jeweils einen Kampf bestreiten. Bislang hat jedoch keiner von beiden einen namhaften Herausforderer gefunden, mit dem sich ein hochklassiger Auftritt bestreiten ließe, der das Zeug zu einem Publikumsmagneten hätte.

Inzwischen legen Golowkin und sein Promoter ihren Fokus auf England, wo sie für April einen Auftritt im Stadion des Londoner Fußballklubs West Ham United ins Auge gefaßt haben. Als Gegner kommen dem Vernehmen nach James DeGale, Chris Eubank und Billy Joe Saunders in Betracht, mit deren Management Gespräche geführt werden. Nach Loefflers Worten würde ein Kampf zur Vereinigung der Titel gegen Saunders den meisten Sinn machen. Auch James DeGale wäre ein attraktiver Kandidat, auf den Golowkin Ende des Jahres treffen könnte. Damit deutet der Promoter des Kasachen an, daß der IBF-Weltmeister im Supermittelgewicht nur dann in Frage käme, wenn der Kampf gegen Saul Alvarez ins Wasser fällt.

Chris Eubank böte Loeffler zufolge insofern ein perfektes Szenario, als sich der aufstrebende Brite ausgezeichnet zu vermarkten pflegt. Eubank und sein Vater haben zwar wiederholt erklärt, sie seien bereit für diesen Kampf, ihn aber im Zeitraum der nächsten eineinhalb Jahre angesiedelt. Der Brite ist aktueller Pflichtherausforderer des regulären WBA-Weltmeisters Daniel Jacobs, der zwar nicht so gefährlich wie der WBA-Superchampion Gennadi Golowkin, aber immer noch stark genug einzuschätzen ist, daß Eubank kalte Füße bekommen könnte. Sollte man in seinem Lager davon ausgehen, daß in beiden Fällen Niederlagen drohen, könnte man sogar zu dem Schluß kommen, den Kasachen vorzuziehen. Vielleicht erinnert man sich an Carl Froch, der 2011 im Finale des Super-Six-Turniers in Kalifornien chancenlos gegen Andre Ward, aber nach dieser Niederlage beim britischen Publikum populärer war als zuvor. Auch Chris Eubank könnte wohl seinen Bekanntheitsgrad gehörig aufbessern, wagte er sich mit Golowkin in den Ring, gegen den zu verlieren nun wirklich keine Schande ist. [1]

Was den in 23 Kämpfen ungeschlagenen Billy Joe Saunders betrifft, hat dieser durch seinen Sieg über Andy Lee Ende letzten Jahres Golowkin einen Knüppel zwischen die Beine geworfen. Der Ire hatte sich bereits zu einem Kampf gegen den Kasachen bereiterklärt und wäre an der Ostküste der USA dank seiner dortigen Fangemeinde gut zu vermarkten gewesen. Als sich die Lage unerwartet geändert hatte, machte man dem neuen Weltmeister Saunders ein Angebot für einen Kampf gegen Golowkin im April. Die Verhandlungen brachen jedoch ab, als der Brite absurde finanzielle Forderungen stellte, deren unausgesprochener Zweck nur sein konnte, den Kasachen unter einem Vorwand zu meiden.

Loeffler umschrieb das vornehm mit den Worten, Saunders habe das Angebot nicht zurückgewiesen, wolle sich aber mit einigen zwischenzeitlichen Titelverteidigungen für einen künftigen Kampf gegen Golowkin rüsten. Dabei stellt sich natürlich die Frage, wie lange sich der Brite als Weltmeister behaupten kann. Er boxt technisch versiert, verteidigt sich gut und verfügt über eine behende Beinarbeit, was gegen nicht allzu gefährliche Herausforderer ausreichen sollte. Diesen Stärken stehen jedoch gravierende Konditionsprobleme bei steigender Rundenzahl sowie eine schwache Schlagwirkung gegenüber, die verhindern dürften, daß sich Saunders in den höheren Sphären auf Dauer durchsetzen kann. [2]

Es grenzte daher an ein Wunder, würde Billy Joe Saunders noch in diesem Jahr wagen, sich mit Golowkin zu messen. Dasselbe gilt freilich auch für 2017, da sich das Können der beiden Mittelgewichtler bis dahin nicht derart verändern dürfte, daß der Brite plötzlich der bessere Boxer ist. Wenn überhaupt wird Saunders wohl erst dann geneigt sein, gegen den Kasachen anzutreten, wenn er nicht mehr Weltmeister ist und insofern wenig zu verlieren hat. Er hätte kaum Aussichten, diesen Kampf zu gewinnen, könnte aber wenigstens eine ordentliche Börse einstreichen.

Für die drei Briten James DeGale, Chris Eubank und Billy Joe Saunders gilt gleichermaßen, daß sie Gennadi Golowkin weder heute noch morgen gewachsen sind und folglich kaum gegen ihn antreten werden, sofern sie ihre eigenen Fähigkeiten nüchtern einschätzen. Sollte der eine oder andere zur Selbstüberschätzung neigen, könnte das dem Kasachen nur recht sein, zumal keineswegs sicher ist, daß Saul Alvarez nicht am Ende doch noch einen Rückzieher macht. "Canelo" und sein Promoter Oscar de la Hoya haben den Fluchtweg längst vorgebahnt, indem sie zum einen auf einer extra vereinbarten Gewichtsgrenze bestehen wollen, die Golowkin benachteiligen würde, und zum anderen mit dem Argument, der Mexikaner sei wesentlich populärer als sein Gegner, bereits einen übermäßigen Anteil an der Gesamtbörse für sich beansprucht haben.

Da kein Boxer von Rang und Namen zugeben wird, daß er sich Gennadi Golowkin nicht gewachsen fühlt, sieht sich der Kasache gezwungen, wie auf der Suche nach dem heiligen Gral prominenten Rivalen nachzustellen, die davonspringen wie das flüchtigste Wild. Von deren Promotern oder dem Platzhirsch Al Haymon ist keine Besserung zu erwarten, da sie ihre Zugpferde natürlich nicht verlieren wollen. So bliebe am Ende nur das Boxpublikum übrig, das seinen traditionellen Favoriten die Gunst versagen könnte, sofern sie den Kasachen weiterhin meiden. Auch das ist jedoch wenig wahrscheinlich, da die Mexikaner, Puertoricaner und Iren ihre Landsleute favorisieren, während der Rest der zahlungskräftigen Zuschauerschaft auf die eingeführten US-Stars setzt. Um so höher ist die Leistung Golowkins einzuschätzen, der ohne jede derartige Fangemeinde allein dank seiner publikumsfreundlichen Kampfesweise und garantierten vorzeitigen Siege eine rasch wachsende Anhängerschaft hinter sich versammelt und beim Sender HBO den Quantensprung ins Bezahlfernsehen geschafft hat.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2016/01/golovkin-face-eubank-jr-degale-saunders-uk/#more-204788

[2] http://www.boxingnews24.com/2016/01/can-man-defeat-golovkin-ranking-contenders-billy-joe-saunders/#more-204423

29. Januar 2016


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