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MELDUNG/1899: Schon wieder ins Wasser gefallen ... (SB)



Kampf zwischen Kowaljow und Stevenson kommt nicht zustande

Die endlose Geschichte nicht zustande gekommener Kämpfe zwischen Sergej Kowaljow und Adonis Stevenson wird mit einem weiteren Kapitel fortgeschrieben. Der Russe ist Weltmeister der Verbände WBA, WBO und IBF, sein kanadischer Erzrivale WBC-Champion im Halbschwergewicht. Wenngleich die Frage, wer von beiden der beste Akteur dieser Gewichtsklasse sei, schon eine halbe Ewigkeit im Raum steht, und die Zusammenführung aller vier Titel in einer Hand naheliegender denn je erscheint, wurde diese attraktive Option erneut durchkreuzt.

Zwar hatten sich beide Lager bereiterklärt, endlich Nägel mit Köpfen zu machen, doch ist der ins Auge gefaßte Termin im Sommer nach Angaben Dan Rafaels von ESPN.com an einer nicht herbeizuführenden Übereinkunft der beteiligten Sender gescheitert. Während Kowaljow vertraglich an HBO gebunden ist, tritt Stevenson bei Showtime auf. Die beiden Sender arbeiten seit Jahren nicht mehr zusammen und haben lediglich für den umsatzstarken Kampf zwischen Floyd Mayweather und Manny Pacquiao Anfang Mai 2015 eine Ausnahme gemacht. Das Duell zwischen dem Russen und dem Kanadier stellt ebenfalls eine weithin eingeforderte Sternstunde in Aussicht, die jedoch hinsichtlich des finanziellen Ertrags nicht gleichermaßen unverzichtbar erscheint, so daß die Verantwortlichen der Sender kein zweites Mal über ihren Schatten springen.

Sergej Kowaljow verteidigt seine Titel heute abend in Montreal gegen den ehemaligen Weltmeister Jean Pascal, den er im vergangenen Jahr in einem hochklassigen Kampf vorzeitig besiegt hat. Sollte es dem Russen gelingen, sich bei der Revanche im Bell Centre noch besser in Szene zu setzen als bei ihrer ersten Begegnung im Ring und auf spektakuläre Weise zu gewinnen, wäre dies zweifellos ein gewichtiges Argument für einen Vereinigungskampf mit Stevenson.

Der Russe ist nun schon seit Jahren die treibende Kraft, was einen Kampf gegen Stevenson betrifft, in dem die Frage nach dem weltbesten Halbschwergewichtler endgültig geklärt werden soll. In der Vergangenheit schien die Realisierung dieses Duells zum Greifen nahe, da beide Akteure noch beim Sender HBO unter Vertrag standen. Der Kanadier wechselte jedoch vor einem Jahr überraschend zu Showtime, was zum einen damit zusammenhing, daß er sich dem einflußreichen Berater Al Haymon anschloß, der ausschließlich mit diesem Sender kooperiert. Stevensons Schachzug gab jedoch zwangsläufig Anlaß zu Spekulationen, er gehe damit Kowaljow aus dem Weg, den er bis dahin als seiner nicht würdig abgetan hatte. Seitdem die beiden wegen ihrer enormen Schlagwirkung gefürchteten Akteure bei verschiedenen Sendern auftreten, ist es äußert schwierig bis unmöglich, sie zusammen in den Ring zu bringen.

Dabei läuft dem inzwischen 38jährigen Stevenson allmählich die Zeit davon, da er bald kaum noch in der Lage sein dürfte, das ehemals hohe Niveau seiner Auftritte zu gewährleisten. Er wird zwar auch künftig noch schnell und hart zuschlagen können, muß aber in konditioneller und gesundheitlicher Hinsicht mit altersbedingten Einbußen rechnen. Sollten sich Verletzungen häufen, würde ihn das an regelmäßigen Kämpfen hindern und den Wiedereinstieg um so schwieriger gestalten. Seit dem Titelgewinn im Jahr 2013, als er Chad Dawson bereits in der ersten Runde besiegte, hat er den WBC-Gürtel sechsmal erfolgreich verteidigt und dabei Tony Bellew, Tavoris Cloud, Andrzej Fonfara, Dimitri Suchotski, Sakio Bika und Tommy Karpency besiegt. Die gefährlichsten Kontrahenten wie Jean Pascal, Artur Beterbijew oder Bernard Hopkins sparte er jedoch im Unterschied zu Kowaljow aus, der Hopkins und Pascal eindrucksvoll in die Schranken gewiesen hat.

Da der erhoffte Kampf gegen Stevenson im Sommer nicht stattfinden wird, muß sich Sergej Kowaljow nach einem anderen geeigneten Herausforderer umsehen, um sich bestmöglich auf den fest eingeplanten Gang mit Andre Ward im Herbst vorzubereiten. Kowaljow und der aus dem Supermittelgewicht aufgestiegene Ward haben Verträge über jeweils drei Kämpfe mit HBO abgeschlossen, bei deren Finale sie zu einem mit Spannung erwarteten Duell aufeinandertreffen. Artur Beterbijew wäre geradezu ideal, da er längst als der gefährlichste Kandidat neben Kowaljow und Stevenson gehandelt wird. Auch Andrzej Fonfara oder Eleider Alvarez wären eine gute Wahl, wobei letzterer derzeit die WBC-Rangliste anführt und daher wahrscheinlich Adonis Stevenson vorziehen würde.

Damit bliebe also Fonfara als sicherste Option, wobei der robuste Pole zweifellos ein handfester Prüfstein wäre, da er Stevenson im Mai 2014 enorme Probleme bereitet und den Favoriten sogar niedergeschlagen hat. Der Kanadier kam jedoch wieder auf die Beine und gewann schließlich die Oberhand. Wäre Kowaljow in der Lage, Fonfara erstmals in dessen Karriere vorzeitig zu besiegen, könnte das Signal im Fernvergleich mit Adonis Stevenson nicht deutlicher ausfallen. [1]

Andre Ward, der vordem führende Akteur im Supermittelgewicht, stellt seine Gegner vor kaum lösbare Aufgaben ganz anderer Art. Er gilt als trickreicher Meister der Kunst, die gefährlichsten Kontrahenten auf engstem Raum zu neutralisieren, indem er mit rollenden Schultern und flexiblen Manövern, blitzschnellen Kontern und variantenreichen Schlägen, aber auch Klammern und Kopfstößen selbst Widersacher mit gefürchteter Schlagwirkung schwächt, zermürbt und besiegt. Sein Kampf gegen Kowaljow läßt daher einen außergewöhnlichen Vergleich zweier überragender Boxer und inkompatibler Stile erwarten, über dessen mutmaßlichen Ausgang sich die Experten streiten, seit der Vertrag mit HBO publik geworden ist.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2016/01/kovalev-stevenson-talks-dead-june-fight/#more-204813

30. Januar 2016


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