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MELDUNG/1917: Russisches Geld, russischer Kampfplatz (SB)



Powetkins Promoter sticht Wilders Offerte aus

Bei der Versteigerung der Austragungsrechte an der Titelverteidigung Deontay Wilders gegen den Pflichtherausforderer Alexander Powetkin hat sich der russische Promoter Andrej Riabinskij mit einem Gebot von 7,15 Millionen Dollar gegen seinen US-amerikanischen Konkurrenten Lou DiBella durchgesetzt, der mit 5,1 Millionen Dollar im Rennen war. Der Kampf zwischen dem 30jährigen WBC-Weltmeister im Schwergewicht und seinem sechs Jahre älteren Gegner muß binnen 90 Tagen über die Bühne gehen und wird aller Voraussicht nach in Moskau ausgetragen. Während Wilder in 36 Auftritten ungeschlagen ist, bei denen er nur ein einziges Mal über die volle Distanz von zwölf Runden boxen mußte, stehen für Powetkin 30 Siege und eine Niederlage zu Buche.

Wie der Russe gegenüber ESPN.com erklärte, sehe er dem Kampf zuversichtlich entgegen. Er könne sich durchaus vorstellen, in den Vereinigten Staaten gegen den Weltmeister anzutreten, da dieses Land nun einmal die Hochburg des internationalen Boxgeschäfts sei. Ihm liege daran, sich mit den besten Kontrahenten zu messen, wobei es für ihn keine Rolle spiele, ob er in den USA oder in Rußland antrete. Wie ernst es Powetkin mit dieser Aussage ist, sei dahingestellt. Man darf wohl vermuten, daß es ihm dabei in erster Linie um eine paßförmige Stellungnahme ging.

Das hohe Gebot Riabinskijs macht nur Sinn, wenn der Kampf damit nach Rußland geholt wird, wo das Interesse an Powetkins Auftritt riesengroß wäre. Dort könnte sich der Herausforderer der dringend notwendigen Unterstützung seitens des Publikums sicher sein, während es sich in den USA natürlich umgekehrt verhielte. Hinzu kommt, daß der Russe dem US-amerikanischen Publikum relativ wenig bekannt ist, so daß dieses Duell kaum die Ränge des Madison Square Garden oder des Barclays Center in New York füllen würde. Auch im MGM Grand oder in der T-Mobile Arena in Las Vegas wäre kaum mit einem ausverkauften Haus zu rechnen, weshalb allenfalls eine Austragung in Wilders heimischem Bundesstaat Alabama denkbar wäre. Der WBC-Champion ist zwar in den USA außerordentlich beliebt, bräuchte dort aber trotzdem einen aus Sicht der Zuschauerschaft populären Gegner, um die Kasse ergiebig zu füllen.

In Moskau hätte der im nahegelegenen Tschechow lebende Herausforderer gewisse Chancen, im Falle eines relativ engen Kampfverlaufs von dem Heimvorteil zu profitieren. Dazu würde es Wilder aber wohl nicht kommen lassen, der sich ausrechnen kann, daß er mit klaren Verhältnissen am besten fährt. Er mußte lediglich beim Titelgewinn gegen Bermane Stiverne im Januar 2015 die Entscheidung den Punktrichtern überlassen, und das auch nur, weil er sich frühzeitig die rechte Hand am Eisenschädel des Kanadiers gebrochen hatte.

Dabei ist der robuste und versierte Stiverne durchaus ein hochklassiger Schwergewichtler, den man auf gleicher Stufe wie Powetkin oder sogar darüber einordnen kann. Aus welchen Gründen auch immer hat der Kanadier jedoch seit der Niederlage gegen Wilder nur einen Kampf bestritten, was schlichtweg zu wenig war, um wieder an die Spitze der Rangliste vorzustoßen und eine Revanche zu erzwingen.

Lou DiBella hat zwar die Versteigerung wie erwartet gegen den russischen Immobilienmagnaten und Milliardär verloren, freut sich aber über den Anteil von 70 Prozent an den 7,15 Millionen Dollar, der Wilder als Titelverteidiger zusteht und damit auch dem Promoter in Gestalt eines prozentualen Stücks vom Kuchen zugute kommt. Kursierende Gerüchte, der Champion werde womöglich eher den Gürtel zurückgeben, als ihn gegen den Russen aufs Spiel zu setzen, entbehrten jeder Grundlage, versichert DiBella. Der Kampf werde stattfinden, und sollte es in Rußland dazu kommen, hoffe er sehr, daß Präsident Wladimir Putin persönlich vor Ort miterleben könne, wie "Sascha" geschlagen auf den Brettern landet. [1]

Diese vollmundige Ankündigung des US-Promoters ist nicht ganz aus der Luft gegriffen, wenn man bedenkt, daß Powetkin 2013 in Moskau gegen Wladimir Klitschko verloren hat, der damals freilich noch in wesentlich besserer Verfassung als jüngst bei der desaströsen Niederlage gegen den kaum besseren Tyson Fury war. Der Russe gab damals eine gute Vorstellung und kam Klitschko mehrfach gefährlich nahe, wurde aber von dem Ukrainer bei jedem Angriffsversuch sofort geklammert und damit neutralisiert. Deontay Wilder ist nicht nur ein wesentlich attraktiverer, sondern inzwischen wohl auch technisch und taktisch besserer Boxer als Klitschko, zumal er stets offensiv zu Werke geht, schnell schlägt und dabei eine verheerende Wirkung aufbieten kann. Wo der Ukrainer vor allem darauf setzt, möglichst nicht getroffen zu werden, zielt Wilders Kampfesweise darauf ab, den Gegner frühzeitig entscheidend in Mitleidenschaft zu ziehen.

Alexander Powetkin hat sich mit Siegen über Manuel Charr, Carlos Takam und Mike Perez den Weg zum Rang des Pflichtherausforderers gebahnt und zuletzt den riesigen, aber recht unbeweglichen Polen Mariusz Wach kurz vor Ende der zwölften Runde bezwungen. Wenn man von Charr absieht, waren dies anspruchsvolle Kontrahenten, was die Qualitäten des Russen unterstreicht, der zweifellos zu den besten Schwergewichtlern gehört. Mit einer Größe von 1,88 m und einem Gewicht von knapp über 100 kg ist Powetkin jedoch körperlich den Riesen kaum gewachsen, die längst die oberen Ränge der Königsklasse bevölkern. Wilder ist zwar sogar noch etwas leichter, überragt mit seinen 2,01 m den Herausforderer aber so deutlich, daß er seine überlegene Reichweite ausspielen kann. Da er überdies schneller schlägt als Powetkin, wird dieser vermutlich eher früher als später schwere Treffer einstecken müssen, ohne selbst entscheidend zum Zuge zu kommen.

Auch Wilder selbst weist die Vorstellung als absurd zurück, er werde womöglich freiwillig auf den WBC-Titel verzichten. Wer das glaube, habe nicht alle Tassen im Schrank, teilt der Champion in den sozialen Medien mit. Er habe seiner Tochter den Gürtel versprochen und gewidmet, weshalb er ihn keinem Gegner an welchem Ort auch immer überlassen werde. Davon abgesehen hätte der Weltmeister überhaupt nichts davon, seinen Titel kampflos zurückzugeben. Zum einen steht ihm als Champion ein höherer Anteil der Börse zu, zum anderen müßte er kaum minder schwere Kämpfe bestehen, um sich einen neuen Gürtel zu sichern. [2]

Seit seinem Sieg über Bermane Stiverne hat Wilder den Titel dreimal freiwillig verteidigt und dabei seinen Landsmann Eric Molina, den Franzosen Johann Duhaupas und den Polen Artur Szpilka jeweils vorzeitig besiegt. Wenngleich er im Kampf gegen Molina zunächst recht zurückhaltend boxte und prüfte, ob sich seine operierte Schlaghand wieder uneingeschränkt einsetzen ließ, kann man ihm doch bei allen drei Auftritten eine solide, souveräne und nicht zuletzt unterhaltsame Vorstellung attestieren.

Wann die Titelverteidigung gegen Alexander Powetkin stattfindet, wird dessen Promoter wohl in Kürze bekanntgeben. Der Sieger dieses Kampfs, der spätestens im Mai ausgetragen werden muß, kann in der Folge darangehen, die Gürtel zusammenzuführen. Tyson Fury trifft zunächst in einer Revanche auf Wladimir Klitschko, bei der die Trophäen der Verbände WBA (Superchampion), WBO sowie der kleineren IBO zur Disposition stehen. Weltmeister der IBF ist Charles Martin aus den USA, der seinen Titel am 9. April in der Londoner O2 Arena gegen den aufstrebenden Briten Anthony Joshua verteidigt. Nicht nur auf dem Papier dürfte Deontay Wilder all diesen möglichen Kontrahenten überlegen sein, wobei es in seinem Fall ein echter Zugewinn für das in den zurückliegenden Jahren so langweilige Schwergewicht wäre, würde er sich unangefochten an die Spitze setzen.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2016/02/deontay-wilder-vs-alexander-povetkin-must-take-place-90-days/#more-205862

[2] http://www.boxingnews24.com/2016/03/deontay-wilder-think-im-giving-title-youre-crazy/#more-205981

4. März 2016


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