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MELDUNG/1931: Ist der Ruf erst ruiniert ... (SB)



Roy Jones auf immer fragwürdigeren Abwegen

Roy Jones, der zwischen 1994 und 2004 als bester Boxer der gesamten Branche galt und Weltmeister in vier Gewichtsklassen geworden war, läßt nicht davon ab, seinen Ruf und seine Gesundheit zu ruinieren. Der inzwischen 47jährige aus Pensacola in Florida ist sich mittlerweile nicht zu schade, bei fragwürdigen Showauftritten mit Laien in den Ring zu steigen, die noch nie einen Profikampf bestritten haben. So nahm er jüngst an einer Veranstaltung in Phoenix, Arizona, teil, die ehemalige Stars aus dem Boxsport, Wrestling, Grappling und den Mixed Martial Arts jeweils in ihren Disziplinen präsentierte. Die Kämpfe wurden vor wenigen hundert Zuschauern ausgetragen und zum Preis von 11,99 Dollar ausschließlich über das Internet vertrieben.

Ursprünglich sollte Jones gegen einen Fan antreten, der die beste 90-Sekunden-Videosequenz einreichen würde, in der er erklärt, warum gerade er die beste Wahl sei und das für einen Sieg ausgesetzte Preisgeld von 100.000 Dollar verdient hätte. Dagegen schritt die Boxkommission von Nevada mit der Auflage ein, daß der auszuwählende Gegner zumindest über gewisse Erfahrungen im Kampfsport verfügen müsse. Das Feld der mehr als 1500 Interessenten wurde zunächst auf eine Gruppe von etwa 20 Kandidaten reduziert, unter denen die Wahl schließlich auf den 33 Jahre alte Vyron Philips aus St. Paul, Minnesota, fiel. Dieser hatte sechs Amateurkämpfe gewonnen und einen verloren, sowie bei den Mixed Martial Arts bislang eine Bilanz von fünf (nach anderen Quellen sechs) Siegen und drei Niederlagen erzielt.

Jones, der mit einer Bilanz von 63 Siegen und neun Niederlagen aktuell im Cruisergewicht geführt wird, hatte bei seinem vorangegangenen Auftritt am 12. Dezember in Moskau eine verheerende Niederlage gegen den früheren Champion Enzo Maccarinelli bezogen. Der Niederschlag in der vierten Runde war so heftig, daß damit die aktive Laufbahn des US-Amerikaners endgültig beendet zu sein schien. Jones, dem jedes Maß für die eigene körperliche Verfassung abhanden gekommen zu sein scheint, hat jedoch offenbar noch immer nicht genug.

Sein Gegner Philips machte zwar nicht den Eindruck eines blutigen Laien, der sich noch nie im Leben mit Kampfsport befaßt hat, wirkte andererseits aber auch nicht wie ein Boxer, der dafür trainiert hatte und halbwegs wußte, was im Ring zu tun ist. In der ersten Runde spielte Jones mit dem Gegner und versetzte ihm erst wenige Sekunden vor der Pause einen nennenswerten Treffer, der Philips sichtlich in Mitleidenschaft zog. Im zweiten Durchgang kam Jones dann erneut mit einer Rechten zum Kopf durch, und als sein Gegner halbherzig einen Schwinger anbringen wollte, wich er ihm problemlos aus und konterte perfekt zum Kinn. Philips stürzte zu Boden und obgleich er rechtzeitig wieder auf die Beine kam, wirkte er doch kampfunfähig, so daß Ringrichter Wes Melton dem Trauerspiel ein Ende machte. [1]

Ungeachtet der peinlichen Darbietung rührte der WWE-Kommentator Jim Ross eifrig die Werbetrommel für weitere Auftritte von Roy Jones, der allerdings in seiner Stellungnahme nach dem Kampf zumindest offenließ, wie es mit ihm weitergehen wird. Sollte er Gefallen an dem Format gefunden haben, sich mit ausgewählten Fans zu messen, würde man sich zumindest Gegner wünschen, die erfahrenere Boxer als Philips sind und somit zu einem gewissen Unterhaltungswert beitragen. Kontrahenten, die Jones tatsächlich gefährlich werden können, wird man mit diesem Verfahren schwerlich finden. Wenngleich der ehemalige Champion heute nur noch ein Schatten besserer Tage ist, reicht sein Standardrepertoire doch allemal aus, sich solcher Aufgaben problemlos zu entledigen. [2]

Seit frühester Kindheit von seinem Vater Roy Jones sen., einem ehemaligen Profiboxer, trainiert, gewann er als Amateur 121 Kämpfe und mußte sich lediglich dreizehn Gegnern geschlagen geben. An den Olympischen Sommerspielen 1988 in Seoul nahm er im Alter von 19 Jahren als jüngstes Mitglied der US-amerikanischen Boxstaffel teil und erreichte dort das Finale im Halbmittelgewicht, ohne auch nur eine einzige Runde zu verlieren. Er dominierte den Kampf gegen den koreanischen Lokalmatador Si-Hun Park, verlor aber dennoch umstritten mit 2:3 Richterstimmen - eines der extremsten Fehlurteile in der Geschichte des Amateurboxens. Die drei betreffenden Punktrichter wurden suspendiert, und es gilt als sicher, daß sie bestochen waren. Dennoch blieb eine spätere Untersuchung durch das IOC ergebnislos.

Nach den Olympischen Spielen wechselte er ins Profilager, blieb aber trotz zahlreicher Angebote von Promotern unabhängig und wurde zunächst von seinem Vater trainiert und vermarktet. Mitte 1992 übernahm dann Alton Merkerson, Trainer der US-Staffel bei der Olympiade 1988, die Betreuung. Roy Jones wurde 1993 IBF-Weltmeister im Mittelgewicht, 1994 Champion desselben Verbands im Supermittelgewicht, 1997 WBC-Weltmeister im Halbschwergewicht und fügte dem in den beiden folgenden Jahren die Gürtel der WBA und IBF hinzu. Obgleich es nie zu dem prestigeträchtigen Duell gegen den WBO-Champion Dariusz Michalczewski kam, galt Jones als das Maß aller Dinge im Halbschwergewicht.

Jones übersprang das damals schwach besetzte Cruisergewicht und krönte seinen Aufstieg, als er am 1. März 2003 durch einen klaren Punktsieg gegen John Ruiz neuer WBA-Weltmeister im Schwergewicht wurde. Obwohl er fast zehn Zentimeter kleiner und über 15 kg leichter war, geriet Jones dank seiner Schnelligkeit nie in Gefahr und ließ den Puertoricaner sogar seine Schlagwirkung spüren. Nicht minder hoch einzuschätzen war seine erfolgreiche Rückkehr ins Halbschwergewicht, wo er bereits am 8. November 2003 durch einen Sieg über Antonio Tarver als Champion der Verbände WBC, WBA und IBO erneut Geschichte schrieb. Rückblickend gesehen wäre dies der ideale Zeitpunkt gewesen, die Karriere zu beenden und als einer der herausragendsten Akteure aller Zeiten in die Annalen des Boxsports einzugehen. Doch Roy Jones wählte bekanntlich einen anderen Weg.


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/15032064/roy-jones-jr-won-stop

[2] http://www.boxingnews24.com/2016/03/roy-jones-jr-stops-fan-two-rounds/#more-206845

22. März 2016


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