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MELDUNG/1958: Stammplatz am Puls des Boxgeschäfts (SB)



Bob Arum präsentiert Terence Crawford und Wiktor Postol

Während seine Altersgenossen in der Branche längst verstorben oder zu Randerscheinungen verblaßt sind, unterstreicht der inzwischen 84 Jahre alte Promoter Bob Arum seinen Stammplatz am Puls des Boxgeschäfts mit einem weiteren Paukenschlag, auf den er durchaus stolz sein kann. Ihm ist gelungen, was selten genug zustande gebracht wird, nämlich die beiden anerkannt besten Boxer einer Gewichtsklasse gegeneinander antreten zu lassen. Am 23. Juli treffen im MGM Grand in Las Vegas mit Terence Crawford und Wiktor Postol die Weltmeister der Verbände WBO und WBC im Halbweltergewicht aufeinander.

Der 28jährige Crawford aus Omaha in Nebraska, dessen makellose Bilanz 28 Siege aufweist, verteidigt seinen Titel zum dritten Mal. Ungeschlagen ist auch der vier Jahre ältere Postol, der ebenfalls 28 Gegnern das Nachsehen gegeben hat und von Freddie Roach trainiert wird. Der zeitweise in Los Angeles lebende Ukrainer hat sich im Oktober 2015 den vakanten Titel durch einen spektakulären Sieg in der zehnten Runde gegen den gefährlichen Argentinier Lucas Matthysse gesichert.

Wie Arum auf der Pressekonferenz in Beverly Hills gutgelaunt hervorhob, seien die beiden nicht nur amtierende Weltmeister, sondern auch unbesiegt und fraglos die führenden Akteure im Halbweltergewicht. Er sehe dem Kampf gespannt entgegen, denn ein Duell der beiden besten Boxer eines Limits schlage das Publikum in seinen Bann. Der Promoter hätte eine kostenlose Übertragung bei HBO favorisiert, doch standen Budgetkürzungen beim Sender dieser Option im Wege. Nun wird die Ausstrahlung zum Preis von 49,99 Dollar im Pay-TV vermarktet, da die Alternative gewesen wäre, den Kampf zu streichen. Arum kalkuliert mit 75.000 Buchungen, die erforderlich wären, um seine Unkosten zu decken. Das dürfte erreichbar, aber nicht selbstverständlich sein, da diese beiden Weltmeister nicht allzu populär sind.

In sportlicher Hinsicht handelt es sich zweifellos um einen hochklassigen Kampf, der ein anspruchsvolles Niveau wie auch einen dramatischen Verlauf in Aussicht stellt. Das sieht auch Bob Arum so, der zugleich einräumt, daß es diesem Duell an Popularität gebricht. Er sei kein Narr und schließlich seit 50 Jahren im Geschäft, weshalb er nur zu gut wisse, daß selbst Crawford nur der Gemeinde eingefleischter Fans, nicht jedoch einer breiteren Zuschauerschaft bekannt sei. Irgendwann müsse man eben auch mit diesen Boxern ins Bezahlfernsehen einsteigen, wenngleich das nicht seine erste Wahl gewesen sei.

Terence Crawford ist natürlich hocherfreut, den Sprung ins Pay-TV geschafft zu haben, von dem jeder erfolgreiche Boxer zumindest im angloamerikanischen Raum träumt. Dies beweise, daß es keine Rolle spiele, wer man sei und woher man komme. Man müsse nur hart arbeiten und seinen Träumen folgen. Er gehe davon aus, am 23. Juli dreifacher Weltmeister zu werden. Es sei ein Kampf, den alle sehen wollten. Der Unterschied zwischen ihm und Postol bestehe darin, daß er gewitzt sei und sich auf jede Kampfesweise einstellen könne. Sollte sich die Gelegenheit dazu ergeben, werde er den Ukrainer auf die Bretter schicken.

Wie man überall höre, stünden die Chancen auf dem Papier 50:50. Diese Auffassung teile er nicht, da er in den Ring steigen und den Gegner vernichten werde. Normalerweise rede er nicht so viel in der Öffentlichkeit und konzentriere sich lieber auf den bevorstehenden Kampf. Diesmal verhalte es sich jedoch anders, da er in seinem ersten Pay-TV-Auftritt eine großartige Vorstellung geben wolle. Hinterher werde er in 29 Kämpfen ungeschlagen sein und einen weiteren vorzeitigen Sieg auf dem Konto haben, so Terence Crawford.

Ein ins Auge springender Vorteil Wiktor Postols könnte seine Größe sein, da er mit 1,80 m den 1,73 m messenden Gegner beträchtlich überragt. Auch der Ukrainer übt sich natürlich in Zuversicht und gibt zu bedenken, daß Crawford noch nie einem Gegner wie ihm gegenübergestanden habe. Er habe Videosequenzen des Kontrahenten studiert und werde keine Probleme bekommen, sofern er nur seiner taktischen Marschroute folge. Er wolle Crawford im Ring keinen Raum geben, die Oberhand zu gewinnen. Wer immer den Sieg davontrage, werde jedenfalls der weltbeste Halbweltergewichtler sein. Was ihn zusätzlich motiviere, sei seine familiäre Situation, da seine Frau Olga Ende Juli Zwillinge zur Welt bringen werde. Daher wolle er bei der Heimreise nach Kiew einen Gürtel für jedes ihrer Kinder mitbringen. [1]

Wenngleich der Preis von knapp 50 Dollar nur die Hälfte jener extrem hohen 100 Dollar für den Kampf der Superlative zwischen Floyd Mayweather und Manny Pacquiao im Mai letzten Jahres ausmacht, der ausnahmsweise von HBO und Showtime gemeinsam auf die Beine gestellt wurde, ist er doch happig genug. Wachsende Teile der US-amerikanischen Bevölkerung sind damit von vornherein ausgeschlossen, solche Sportveranstaltung live mitzuverfolgen. Hinzu kommt im aktuellen Fall, daß zwei Akteure vermarktet werden, die dem breiteren Publikum kaum bekannt sein dürften.

Crawford ist noch nicht allzu lange im Fernsehen präsent und hat im Laufe seiner acht Jahre währenden Profikarriere gegen nicht sonderlich interessante Kontrahenten gekämpft, wenn man einmal von Ricky Burns und Yuriorkis Gamboa absieht. Dasselbe gilt für Postol, der im Laufe von neun Jahren lediglich Lucas Matthysse als Gegner von Weltklasse vorzuweisen hat. Wenngleich dies ein bemerkenswerter Erfolg des Ukrainers war, heißt das noch nicht, daß er damit ein Kandidat für das Pay-TV ist.

Andererseits muß man einräumen, daß der professionelle Boxsport in den USA zwar in der Spitze enorme Umsätze generiert, aber insgesamt gesehen in der Publikumsgunst weit hinter anderen Disziplinen rangiert. Die meisten Zuschauer kennen allenfalls die populärsten Akteure wie Floyd Mayweather, Miguel Cotto, Manny Pacquiao, Saul "Canelo" Alvarez und inzwischen auch Gennadi Golowkin. Daher ist es grundsätzlich kein Wunder, daß selbst so gute Akteure wie Terence Crawford und Wiktor Postol im Fernsehen nicht leicht zu vermarkten sind. Auf jeden Fall hat Bob Arum für ein ansprechendes Vorprogramm gesorgt, da er etliche talentierte Kandidaten in den Ring schickt. [2]


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/blog/dan-rafael/post/_/id/16007/crawford-postol-a-must-see

[2] http://www.boxingnews24.com/2016/05/crawford-vs-postol-will-bring-75k-ppv-buys-hbo/#more-209894

14. Mai 2016


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