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MELDUNG/1960: Dopingdesaster (SB)



Schwergewichtskampf zwischen Wilder und Powetkin abgesagt

Eine Woche vor der geplanten Titelverteidigung des WBC-Weltmeisters im Schwergewicht, Deontay Wilder, gegen den Pflichtherausforderer Alexander Powetkin am 21. Mai in Moskau ist der Kampf abgesagt worden. Der 36jährige Russe wurde nach Angaben der Anti-Doping-Agentur VADA bei einer am 27. April in seiner Heimatstadt Tschechow genommenen Probe positiv auf die seit Anfang des Jahres verbotene Substanz Meldonium getestet. [1]

Nachdem ESPN.com erstmals darüber berichtet hatte, teilte Powetkins Promoter Andrej Rijabinskij der russischen Nachrichtenagentur TASS mit, daß Spuren von Meldonium in extrem niedriger Konzentration bei Powetkin gefunden worden seien. Dieser habe den Wirkstoff im September 2015 eingenommen und seit dem 1. Januar nicht mehr darauf zurückgegriffen. Die Probe sei jedoch im April genommen worden. Er stehe in Kontakt mit dem Verband WBC, der entscheiden werde, ob der Kampf gegen Deontay Wilder stattfindet oder nicht. [2]

ESPN.com liegen jedoch eigenen Angaben zufolge zwei Schreiben der VADA-Präsidentin Dr. Margaret Goodman vor, die auch an beide Lager und das WBC gegangen sind. Aus dem ersten Schreiben vom 21. April gehe hervor, daß Powetkin zwischen dem 7. und 11. April dreimal negativ getestet worden sei. Am 30. April folgte demnach das zweite Schreiben, in dem gestanden habe, daß der Russe am 27. April positiv getestet worden sei. Das gibt Anlaß zur Vermutung, er könnte zwischenzeitlich Meldonium zu sich genommen haben.

Wilders Promoter Lou DiBella bestätigt diese Information und hält deswegen Rijabinskijs Angaben für fragwürdig, wonach lediglich Restspuren einer Einnahme der inzwischen verbotenen Substanz im vergangenen Jahr gefunden worden seien. Da Meldonium die Eigenschaft zugeschrieben wird, die Sauerstoffversorgung der Muskulatur zu erhöhen und damit die Ausdauer im Wettkampf zu verbessern, wäre seine Verwendung im Boxsport durchaus relevant. Der wohl prominenteste Fall mutmaßlicher Einnahme dieser Substanz ist die Tennisspielerin Maria Scharapowa, doch soll auch eine ganze Reihe anderer namhafter Sportlerinnen und Sportler von entsprechenden Vorwürfen betroffen sein.

Der 30 Jahre alte Wilder hatte sich zuletzt in Sheffield aufgehalten, um sich an die Zeitumstellung zu gewöhnen. Ein am Sonntag geplanter Weiterflug nach Moskau wurde angesichts der aktuellen Entwicklung abgesagt, der Weltmeister ist inzwischen in seine Heimatstadt Tuscaloosa in Alabama zurückgekehrt. Das WBC hat unterdessen entschieden, den Titelkampf offiziell zu verschieben, und will den Sachverhalt zunächst genauer überprüfen, bevor ein endgültiger Beschluß gefaßt wird. Angesichts der weitreichenden Folgen für alle Beteiligten, insbesondere aber Powetkin, behält sich der Verband eine hieb- und stichfeste Entscheidung vor.

Dem russischen Schwergewichtler droht über den endgültigen Verlust des hochdotierten Titelkampfs hinaus neben einer längeren Sperre auch die Aberkennung seiner Position an der Spitze der WBC-Rangliste, die ihn zum Pflichtherausforderer gemacht hat. Da es ihn zwei Jahre gekostet hat, sich so weit nach oben zu arbeiten, wäre eine Rückstufung ein herber Schlag für seine Karriere. Mit seinen 36 Jahren bleibt Powetkin nur noch eine beschränkte Frist, einen weiteren Anlauf zu nehmen. Da schwer vorstellbar ist, daß er in einigen Jahren ein besserer Boxer als heute sein könnte, und das Niveau im Schwergewicht in jüngerer Zeit gestiegen ist, könnte das dazu führen, daß er künftig keine Rolle in den höchsten Rängen mehr spielt. [3]

In Wilders Umfeld wird Kritik an der Handhabung des WBC laut, den Kampf lediglich zu verschieben und nicht grundsätzlich zu streichen. Da man von einem eindeutigen Regelverstoß Powetkins ausgehe, sei die Offenlassung des Verbands nicht nachzuvollziehen. Andernfalls mache es keinen Sinn, die VADA in den professionellen Boxsport einzubinden. Im Lager des WBC-Champions hofft man, im September einen anderen Kampf durchführen zu können, so daß die Zeit drängt, entsprechende Verhandlungen einzuleiten. Ursprünglich waren für das laufende Jahr vier Auftritte Wilders geplant, doch steht nun zu befürchten, daß er nicht mehr als zwei über die Bühne bringen kann.

Für gewöhnlich werden die Börsen nicht ausgezahlt, wenn ein Kampf ausfällt. Da bei der geplanten Titelverteidigung Deontay Wilders gegen Alexander Powetkin jedoch sehr viel Geld auf dem Spiel stand, dürfte es zu einem Rechtsstreit um die entgangenen Einkünfte kommen. Der finanzstarke Andrej Rijabinskij hatte sich bei der Versteigerung der Austragungsrechte mit einem Gebot von 7,15 Millionen Dollar durchgesetzt. Davon hätte Wilder als Weltmeister 4.504.500 Dollar und Powetkin als Herausforderer 1.930.500 Dollar erhalten, während die restlichen 10 Prozent (715.000 Dollar) an den Sieger gegangen wären. Deontay Wilders Anteil befindet sich nach Angaben seines Lagers auf einem Sperrkonto bei einer US-amerikanischen Bank.

Sollte es zu einem Prozeß kommen, könnte dieser für Rijabinskij umgekehrt ausgehen wie ein ähnliches Verfahren im Jahr 2014. Damals sollte der bei ihm unter Vertrag stehende Denis Lebedew eine Revanche gegen Guillermo Jones in Rußland bestreiten. Wenige Stunden vor dem Kampf befanden sich die beiden Boxer bereits in ihrer Kabine, als Jones positiv auf eine verbotene Substanz getestet wurde, die typischerweise verwendet wird, um die Einnahme von Steroiden zu maskieren. Daraufhin wurde der Kampf abgesagt, und Rijabinskij gewann später einen Rechtsstreit gegen Jones' Promoter Don King um die entgangenen Gelder. [4]


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2016/05/deontay-wilder-alexander-povetkin-fight-limbo/#more-210116

[2] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/15543234/alexander-povetkin-took-meldonium-was-banned-according-two-separate-reports

[3] http://www.boxingnews24.com/2016/05/deontay-wilder-vs-alexander-povetkin-fight-postponed/#more-210140

[4] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/15551134/wbc-postpones-deontay-wilder-alexander-povetkin-fight-failed-drug-test

16. Mai 2016


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