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MELDUNG/1982: Pläne weit über den Tag hinaus (SB)



Anthony Joshua stehen drei Optionen offen

Auf dem Papier ist Tyson Fury gegenwärtig der führende Akteur im Schwergewicht, da er die Titel der Verbände WBA, WBO und IBF innehat. Er bestreitet am 9. Juli eine Revanche mit seinem Vorgänger Wladimir Klitschko, bei der die Karten neu gemischt werden könnten. Am stärksten einzuschätzen ist jedoch der WBC-Weltmeister Deontay Wilder, für den am 16. Juli eine freiwillige Titelverteidigung gegen Chris Arreola ansteht. Den Gürtel der IBF hat der in 16 Kämpfen ungeschlagene Anthony Joshua in seinem Besitz, der es am 25. Juni mit dem ebenfalls unbesiegten Dominic Breazeale zu tun bekommt.

Sollte der 26jährige Brite in der Londoner O2 Arena wie erwartet die Oberhand behalten, stünden ihm nach den Worten seines Promoters Eddie Hearn für seinen nächsten Auftritt im November drei Optionen offen. Er könnte sich mit Tyson Fury, Deontay Wilder oder einem anderen Gegner seiner Wahl messen. Im Frühjahr 2017 soll dann der Pflichtherausforderer Joseph Parker an die Reihe kommen. Ein Kampf gegen Wilder gilt als die unwahrscheinlichste Möglichkeit, da Joshua in den USA noch zu wenig bekannt ist, um das Interesse einer breiteren Zuschauerschaft wachzurufen. Diese Option muß noch geraume Zeit reifen, bis sie sich erfolgreich vermarkten läßt.

Laut Eddie Hearn wäre Tyson Fury der Wunschgegner, doch sei mit diesem Kampf wohl eher im Sommer 2017 zu rechnen, wo man ihn dann vor großer Kulisse im Wembley-Stadion über die Bühne bringen könnte. Fury wäre sicher nicht abgeneigt, schon im November mit seinem Landsmann in den Ring zu steigen, sofern er gegen Klitschko die Oberhand behält. In diesem Fall könnte er mit einer enormen Börse rechnen, die jegliche Alternativen weit in den Schatten stellen würde. Käme Fury jedoch im Rückkampf gegen den Ukrainer unter die Räder, schwände seine Attraktivität für Joshua auf der Stelle. Und selbst wenn sich der IBF-Champion auch unter diesen Umständen bereiterklärte, Tyson Fury eine Chance einzuräumen, wäre dieser schlecht beraten, nach einer Niederlage gegen Klitschko sofort das nächste Desaster anzusteuern.

Was den 24jährigen Joseph Parker betrifft, merkt Eddie Hearn an, daß mit dessen Kampf gegen Anthony Joshua im nächsten Frühjahr ein spannendes und hochklassiges Duell zweier junger Schwergewichtler ins Haus stehe. Dem ist jedoch nur bedingt zuzustimmen, da der Neuseeländer bei seinem Sieg im Ausscheidungskampf gegen Carlos Takam am 21. Mai in Manukau City nicht wesentlich besser als der elf Jahre ältere Franzose war. Der Lokalmatador profitierte in einem streckenweise niveauarmen Gefecht von der geringen Aktivität und augenscheinlichen Konditionsschwäche des Franzosen, der noch seltener schlug und rascher ermüdete als er selbst. Parker spielte seine körperlichen Vorteile aus und hielt den Gegner auf Abstand, der nur selten an ihn herankam. Takam machte nur dann eine bessere Figur, wenn er den Gegner zurücktrieb und mit Schlägen zu Kopf und Körper traktierte. Er setzte jedoch nicht nach, sondern legte anschließend jeweils eine längere Erholungspause ein, in der sich der Neuseeländer wieder in Szene setzen konnte.

Zwar ist nicht bekannt, ob Anthony Joshua Luft für volle zwölf Runden hat, da er noch nie so lange boxen mußte, um zu gewinnen, doch dürfte auch eine kürzere Spanne für Joseph Parker ausreichen. Der IBF-Champion macht genügend Druck, um einen Gegner dieses Kalibers derart mit Schlägen einzudecken, daß dieser entweder umfällt oder vom Ringrichter stehend aus dem Kampf genommen wird. Problematisch könnte es für den Briten allenfalls werden, wenn er wie üblich von Beginn an versuchen würde, Parker in die Seile zu treiben, um ihn dort zu stellen. Der Herausforderer verfügt über gute Nehmerqualitäten und kann gehörig zurückschlagen, wenn er in die Enge getrieben wird.

Da natürlich nicht auszuschließen ist, daß Parker in absehbarer Zeit einige seiner Schwächen ausmerzen kann, sollte Joshua diesen Kampf nicht allzu lange hinausschieben. Der Neuseeländer ist zwar in technischer Hinsicht limitiert, aber von robuster Konstitution und Standfestigkeit, so daß er sich nicht so leicht zurückdrängen und mit Schlägen eindecken lassen dürfte wie die bisherigen Kontrahenten des Briten.

Eddie Hearns größte Sorge ist jedoch eigenen Angaben zufolge der Erwägung geschuldet, es könnte Anthony Joshua aufs Gemüt schlagen, unablässig im Zentrum des Medienrummels zu stehen. Seit Beginn seines Trainingslagers vor dem Titelkampf gegen Charles Martin habe ihn die Presse umlagert, und das setze sich nun ununterbrochen fort, da er sich bereits auf Dominic Breazeale vorbereite. Sobald das geschafft sei, werde er dafür sorgen, daß sein junger Schwergewichtler eine ausgiebige Pause von vier bis sechs Wochen bekommt, in der er sich entspannen und zur Ruhe kommen könne. [1]


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2016/06/hearn-lists-joshuas-three-options-november-fight/#more-212024

17. Juni 2016


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