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MELDUNG/2005: In zwölf Minuten ausverkauft (SB)



Golowkin gegen Brook elektrisiert britische Fans

Die Eintrittskarten für den Kampf zwischen Gennadi Golowkin und Kell Brook am 10. September in der Londoner O2 Arena waren innerhalb von rekordverdächtigen zwölf Minuten ausverkauft. Der reißende Absatz unterstreicht, welch enormes Interesse das Duell der beiden ungeschlagenen Weltmeister auf den Plan gerufen hat. Unter den gegebenen Umständen zahlt sich der Auftritt des Kasachen in England allemal aus, wobei Sky Box Office für die britischen Fans im Pay-TV und HBO in den USA überträgt. Demgegenüber scheint das US-amerikanische Boxpublikum dieser Konstellation überwiegend skeptisch entgegenzusehen, da man in ihr eine Wiederholung des von vornherein ungleichen Kampfs zwischen Saul "Canelo" Alvarez und Amir Khan sieht. [1]

Diese Einschätzung ist ebenso naheliegend wie falsch, da die beiden Fälle nicht miteinander zu vergleichen sind. Der Mittelgewichtler "Canelo" hatte wie immer bei seinen Auftritten nach dem offiziellen Wiegen durch Rehydrieren derart zugelegt, daß er de facto zwei Gewichtsklassen schwerer als sein britischer Gegner war, der normalerweise im Weltergewicht boxt. Wenngleich Khan in der Vorbereitungszeit einen Gewichtszuwachs herbeigeführt hatte, konnte er doch seine körperlichen Nachteile nicht im mindesten kompensieren. Gänzlich anders verhält es sich bei Golowkin, der auf einer Pressekonferenz in New York seinem Kontrahenten Kell Brook erstmals gegenüberstand. Dabei stellte der Kasache mit Erstaunen fest, daß der Brite nicht nur genauso groß, sondern von seinem Erscheinungsbild her auch ebenso schwer wie er selber ist.

Wie schon zuvor bekannt gewesen war, aber von vielen Kritikern ausgeblendet wurde, galt Brook seit geraumer Zeit als ein schwerer Weltergewichtler, der im Halbmittelgewicht besser aufgehoben wäre. In seiner aktuellen Verfassung ist der Brite sogar ein regulärer Mittelgewichtler, als der er Golowkin zumindest körperlich in nichts nachsteht. Daran dürfte sich bis zu ihrem Kampf auch nichts ändern, da der Kasache stets ein leichter Akteur seiner Gewichtsklasse gewesen ist.

Wie Golowkin dazu anmerkte, sei es eine aufschlußreiche Erfahrung, dem Briten persönlich zu begegnen. Er respektiere Kell Brook, der ein wahrer Kämpfer und die größte Herausforderung sei, mit der er es bislang zu tun gehabt habe. Er habe die Aufzeichnungen früherer Kämpfe des Herausforderers studiert und schätze ihn als starken Gegner und den besten Akteur im Weltergewicht ein. Bekanntlich äußert sich der Kasache stets respektvoll und höflich, nie würdigt er seine Gegner herab oder beleidigt sie gar. Als weithin gefürchtete Ausnahmeerscheinung im Ring hat er es schlichtweg nicht nötig, sich mit hochtrabenden oder bösartigen Worten aufzuspielen, um wen auch immer zu beeindrucken.

Der 30 Jahre alte Kell Brook hat bei seinen drei erfolgreichen Titelverteidigungen gegen Jo Jo Dan, Frankie Gavin und Kevin Bizier eine gute Figur gemacht. Dies scheint ihn in der Überzeugung bestärkt zu haben, es mit jedem aufnehmen zu können. Nüchtern betrachtet hat der in 36 Kämpfen ungeschlagene Brite jedoch in seiner gesamten Karriere nur einen einzigen hochklassigen Gegner besiegt, als er Shawn Porter 2014 den IBF-Titel abnahm. Wie kritische Stimmen geltend machen, habe Brook damals nur gewonnen, weil ihn der Ringrichter unentwegt klammern ließ. Dadurch konnte der US-Amerikaner kaum schlagen und so verlor er am Ende nach Punkten. Was für Brook danach kam, waren zweitklassige Kontrahenten, die von der IBF aus kaum nachvollziehbaren Gründen an die Spitze der Rangliste gesetzt worden waren.

Klammernd wird Brook den Kasachen nicht besiegen, zumal sein Landsmann Martin Murray damit im vergangenen Jahr sehr schlechte Erfahrungen gemacht hat. Golowkin brauchte kaum mehr als zwei Runden, um sich darauf einzustellen. Wann immer der Brite danach zu klammern versuchte, wich der Champion zurück und versetzte dem ins Leere greifenden Herausforderer wenn möglich sofort einen Haken oder Uppercut. Dies lehrte Murray umgehend, von solchen unschönen Aktionen abzusehen, wollte er nicht frühzeitig auf den Brettern landen. Er verschanzte sich statt dessen hinter einer hochgezogenen Doppeldeckung und überstand noch etliche Runden, bis ihn Golowkin schließlich wie angekündigt mit einem schweren Körpertreffer von den Beinen holte. [2]

Mag Kell Brook dem Kasachen nach Körpermaßen ebenbürtig sein, so gilt das nicht für seine boxerischen Qualitäten. Ihn zum führenden Vertreter im Weltergewicht zu erklären, wie es sein Promoter Eddie Hearn in Bewerbung des Kampfes praktiziert, entbehrt schlichtweg der Beweisführung. Wer den unentwegt angreifenden Shawn Porter jüngst bei seiner Niederlage gegen Keith Thurman gesehen kann, kann sich kaum vorstellen, daß er bei regulärer Kampfführung gegen Kell Brook verloren hätte. Und dabei sind Porter und Thurman längst nicht die einzigen Akteure dieser Gewichtsklasse, die stärker als der Brite einzuschätzen sind.

Wohl um zu verhindern, daß er nur noch als chancenloser Außenseiter gesehen wird, vielleicht aber doch aus eigener Überzeugung, versichert Brook ein ums andere Mal, daß Golowkin aus allen Wolken fallen werde. Noch nie habe der Kasache mit einem Gegner wie ihm im Ring gestanden, der über einen so guten Jab verfüge, so schnell sei und so hart zuschlagen könne. Für welche Kampfesweise sich Golowkin auch immer entscheide, er werde auf einen besseren Boxer treffen. Er sei dazu geboren, dies zu können, und habe jeden Gegner besiegt, so Brook. Im übrigen sei beim Boxen alles möglich. Man brauche sich nur vor Augen zu führen, was Prince Naseem Hamed damals mit Kevin Kelly gemacht habe. Er sei aus demselben Holz geschnitzt wie sein Landsmann, meint der Brite.

Warum Brook ausgerechnet auf den Kampf zwischen Prince Naseem Hamed und Kevin Kelly im Jahr 1997 als angebliches Vorbild verfällt, bleibt nebulös. Schließlich hat er als Boxer wenig mit dem legendären Hamed gemein, und Kelly noch weniger mit Golowkin. Solche Äußerungen verstärken den Eindruck, daß der Brite versucht, sich selbst und sein Umfeld schwindlig zu reden. Auf die Goldwaage legen sollte man seine Worte daher besser nicht. [3]


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2016/07/golovkin-vs-brook-sells-12-minutes/#more-213480

[2] http://www.boxingnews24.com/2016/07/golovkin-kell-brook-size/#more-213419

[3] http://www.boxingnews24.com/2016/07/kell-brook-im-better-fighter-golovkin/#more-213474

16. Juli 2016


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