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MELDUNG/2010: Schwere Geschütze in Christchurch (SB)



Joseph Parker schießt Solomon Haumono sturmreif

Der 24 Jahre alte neuseeländische Schwergewichtler Joseph Parker bleibt Pflichtherausforderer beim Verband IBF und damit auf Kurs eines Titelkampfs gegen den Weltmeister Anthony Joshua. Er setzte sich in Christchurch in der vierten Runde gegen Solomon Haumono durch und ist nun in 20 Kämpfen ungeschlagen. Für seinen 40jährigen Landsmann, der bislang an Nummer elf der WBA-Rangliste geführt wurde, sind 24 Siege, drei Niederlagen sowie zwei Unentschieden notiert. [1]

Parker kämpfte gegen Haumono zunächst auf die gleiche Weise wie schon gegen Carlos Takam. Er bewegte sich in den ersten beiden Runden unablässig umher, um seinem Gegner kein Ziel zu bieten, der für die Wucht seiner Schläge bekannt ist. Haumono kam dadurch nicht zum Zuge und mußte jede Menge Jabs und rechte Gerade einstecken. Während Parker in der Vergangenheit oft zu dicht am Gegner gestanden und damit seiner über die Deckung geschlagenen Rechten die Wirkung genommen hatte, fand er diesmal aus der Distanz häufiger den passenden Abstand. Andererseits ist er kein Boxer, der aus der Bewegung heraus den bestmöglichen Übertrag herbeiführen kann, was dazu führte, daß seine Treffer anfangs ungefährlicher ausfielen, als man es von ihm kennt.

Als der Favorit von der dritten Runde an seine Ausweichmanöver einschränkte und mehr Wucht in die Schläge legte, änderte sich das Bild. Er kam insbesondere mit einem linken Haken und einem rechten Uppercut durch, die Haumono sichtlich beeindruckten, der sich allerdings mit einigen Rechten revanchierte. Solomon Haumono ist offensichtlich ein Schwergewichtler, dessen Schlagwirkung zumeist unterschätzt wird. Einige seiner Treffer, die er an diesem Abend landen konnte, hätten wohl etliche weniger robuste Kandidaten auf die Bretter geschickt. Parker rollte jedoch recht geschickt mit den Schlägen des Kontrahenten und nahm ihnen auf diese Weise einiges von ihrer Wucht.

Ein letzter Uppercut Parkers kurz vor der Pause schien den 40jährigen jedoch derart geschwächt und womöglich auch demoralisiert zu haben, daß er in der vierten Runde dem in die Offensive gehenden Gegner nichts mehr entgegenzusetzen hatte. Dieser drängte nun auf die Entscheidung traf fast nach Belieben mit linken Haken und schweren Rechten, bis Haumono nach einem gewaltigen Uppercut zu Boden ging. Wenngleich er mühsam wieder auf die Beine kam, erklärte Ringrichter Bruce McTavish, daß er Haumono bereits ausgezählt habe. Daraufhin wurde der Kampf nach 1:35 Minuten des vierten Durchgangs für beendet erklärt.

Obgleich man sich darüber streiten konnte, ob der 40jährige gerade noch rechtzeitig hochgekommen sei oder nicht, blieb es eine weise Entscheidung, das absehbare Ende nicht länger hinauszuzögern. Wäre der Kampf noch einmal freigegeben worden, hätte Parker zweifellos sofort nachgesetzt und einen zweiten Niederschlag herbeigeführt. Seine Treffer schlugen in dieser Phase so verheerend ein, daß Haumono keine Chance mehr hatte, das Verhängnis abzuwenden.

Joseph Parker hinterließ in Christchurch einen guten Eindruck, was insbesondere für die dritte und vierte Runde galt, als er unablässig auf Wirkungstreffer setzte. Vor allem sein rechter Uppercut erwies sich an diesem Abend als eine Waffe, die Haumonos Untergang besiegelte. Hätte Parker von Anfang an auf diese Weise geboxt, wäre der Kampf wohl noch kürzer gewesen. Andererseits blieben ihm dadurch viele Schläge Haumonos erspart und er konnte Erfahrungen mit einer für ihn neuen taktischen Variante sammeln, die ihm künftig von Nutzen sein dürfte, wenn er es mit dem Weltmeister zu tun bekommt.

Weniger eindrucksvoll als die Offensive des Neuseeländers ist seine Deckungsarbeit. Solange er in Bewegung blieb, war er schwer zu treffen, was jedoch ins Gegenteil umschlug, als er häufiger stehenblieb, um zu wuchtigen Schlägen anzusetzen. Dann hatte Haumono kaum Probleme, mit der Rechten zu treffen, da Parker keine solide Deckung aufzubieten hat und nicht schnell genug ausweicht, um Schlägen vollständig zu entgehen.

Kommt es zum Titelkampf gegen Anthony Joshua, werden sich aller Voraussicht nach zwei Schwergewichtler im Ring gegenüberstehen, die ihre schwersten Geschütze aufeinander abfeuern, bis einer von beiden am Boden liegt. Auch der Brite gilt als Boxer, dessen Deckung nicht an seine offensiven Qualitäten heranreicht, zumal es in seiner Profikarriere kaum ein Gegner wagte, ihn vehement anzugreifen, wenn man einmal von Dillian Whyte bis zu dessen Verletzung absieht. Dank seines unangefochtenen Sieges über Solomon Haumono ist Joseph Parker nun bereit, sich mit dem IBF-Champion zu messen, der ihm nicht allzu lange aus dem Weg gehen kann, da dem Neuseeländer als Pflichtherausforderer das Vorrecht zusteht, sich mit Joshua zu messen.

Die IBF nimmt die eigenen Auflagen besonders genau, wie das Beispiel Tyson Furys belegt, der kurz nach seinem Sieg über Wladimir Klitschko den Gürtel dieses Verbands los war, weil er die geforderte Titelverteidigung gegen Charles Martin ablehnte. So kam der bis dahin wenig bekannte US-Amerikaner in Besitz der Trophäe, die ihm nur wenige Monate später Anthony Joshua leichterdings abnahm. Dem britischen Publikum würde ein Kampf seines Favoriten gegen Parker schon im Herbst sicher gefallen, da ein turbulentes Gefecht zweier relativ junger Akteure zu erwarten steht. Joshuas Promoter Eddie Hearn schmiedet jedoch andere Pläne und plant im nächsten Schritt eine weitere freiwillige Titelverteidigung, für die er derzeit den ehemaligen WBC-Weltmeister Bermane Stiverne als Herausforderer zu favorisieren scheint. Joseph Parker muß sich daher darauf einstellen, erst Anfang 2017 zum Zuge zu kommen. Das wiederum wirft für den Neuseeländer die Frage auf, ob er nicht ebenfalls einen zwischenzeitlichen Kampf ins Auge fassen sollte, um während der langen Wartezeit in Schwung zu bleiben.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2016/07/joseph-parker-vs-solomon-haumono-results/#more-213762

23. Juli 2016


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