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Chris Eubank sichert sich IBO-Titel im Supermittelgewicht

Chris Eubank jun. ist bei seinem Debüt im Supermittelgewicht auf Anhieb neuer Weltmeister des kleinen Verbands IBO geworden. Im Londoner Olympia besiegte der 27jährige Brite den australischen Titelverteidiger Renold Quinlan in der zehnten Runde und baute damit seine Bilanz auf 24 Siege und eine Niederlage aus. Für seinen überforderten Gegner stehen nun elf gewonnene und zwei verlorene Auftritte zu Buche. Wenngleich weithin Einigkeit darüber bestehen dürfte, daß der Gürtel der IBO nur eine marginale Trophäe ist, sehen das der neue Champion und sein gleichnamiger Vater offenbar ganz anders. Als Weltmeister stehe er jetzt auf einer Stufe mit anderen prominenten Akteuren und fordere Kämpfe gegen die namhaftesten Rivalen im Mittel- oder Supermittelgewicht ein, so der jüngere Eubank nach seinem Erfolg.

Wie man vermuten konnte, hatten sich die Eubanks auf den unbekannten und unerfahrenen Renold Quinlan verlegt, weil dies der leichteste und derzeit womöglich auch einzig gangbare Weg war, sich einen Titel zu sichern. Diese Strategie war im Prinzip von Erfolg gekrönt, doch wie schwer sich der Brite tat, einen Gegner zu besiegen, der ihm so wenig entgegenzusetzen hatte wie der Australier, bestätigte eher die kursierenden Vorbehalte, als daß sie entkräftet worden wären.

Zwar konnte Quinlan in der Anfangsphase zumindest demonstrieren, daß er nicht minder schnell wie der Herausforderer schlägt, doch ließ er alsbald jeden Drang vermissen, den Ring als Sieger zu verlassen. Er wirkte recht passiv, ließ viele Angriffe des Briten über sich ergehen, ohne ihm beherzt Paroli zu bieten, und wurde häufig an den Seilen festgesetzt. Trotzdem dauerte es drei Runden, bis der Lokalmatador das Geschehen dominierte und zahlreiche Treffer landen konnte. Wie schon in seinen früheren Kämpfen fehlte es Eubank an Schlagwirkung und so gelang es ihm erst in der sechsten Runde, den Australier mit einer Kombination zu erschüttern.

Danach ging es dem Titelverteidiger nur noch darum, möglichst lange durchzuhalten, was ihm tatsächlich noch geraume Zeit gelang. Obgleich er keine ernsthafte Gegenwehr mehr leistete und der Herausforderer freie Hand hatte, mußte Quinlan erst in der zehnten Runde die Segel streichen, als Ringrichter Howard Foster endlich ein Einsehen hatte und ihn nach 2:07 Minuten aus dem Kampf nahm, um ihn vor Schlimmerem zu bewahren. [1]

Letzten Endes hatte sich Eubank leichterdings durchgesetzt, weil der Australier herzlich wenig von dem zu bieten hatte, was man von einem Weltmeister erwarten würde. Der Kampf wirkte phasenweise wie ein Sparring, da Quinlan an den Seilen stand und den Briten schlagen ließ, ohne sich zu wehren. Er wirkte fast wie ein Anfänger oder ein Boxer, der sich widerstandslos in die ihm zugedachte Rolle fügt, das Schlachtopfer abzugeben. Der Titelverteidiger beschränkte sich weitgehend auf seinen Jab und setzte die Rechte nur sporadisch ein, so daß Eubank nichts zu befürchten hatte. Zudem unterließ Quinlan es zu schlagen, wenn es zum Clinch kam, während ihn der Brite in solchen Situationen unentwegt mit erlaubten und verbotenen Schlägen zum Hinterkopf traktierte. Der Australier schien nicht in der Lage zu sein, aus solchen Problemen zu lernen, sondern wirkte regelrecht unterwürfig.

Was Chris Eubank betraf, leistete auch er sich diverse Aktionen, die Anlaß zu Zweifeln an seinen Qualitäten gaben. Vom fünften Durchgang an eröffnete er jede Runde mit einem linken Haken, den er so deutlich telegraphierte, daß der Schlag schon im Ansatz zu erkennen war. Manchmal traf er sogar damit, was aber am Unvermögen des Australiers lag. Ein hochwertiger Gegner hätte eine solche fast schon peinlich durchsichtige Eröffnung, zumal angesichts ihrer ständigen Wiederholung, alsbald mit einem Volltreffer durch die Lücke bestraft. Bedenklich stimmte auch, daß Eubank in den Pausen, wenn ihm sein Vater Anweisungen gab, wie demonstrativ wegschaute und nicht einmal zuzuhören schien. Er wirkte wie ein Boxer, der alles besser weiß und niemanden in seiner Ecke braucht, dessen Hinweise von Bedeutung für ihn sein könnten.

Entsprechend großspurig verkündete er nach seinem Sieg, dies sei erst der Anfang. Als international anerkannter Champion könne er nun jeden anderen Weltmeister herausfordern. Er wünsche sich natürlich Gennadi Golowkin, Billy Joe Saunders oder James DeGale, gleich in welcher Gewichtsklasse. Er habe eine lange Karriere vor sich und werde die großen Namen einen nach dem anderen abarbeiten. Gemessen an der mäßigen Leistung, die der Brite an diesem Abend geboten hatte, ist jedoch nicht abzusehen, wie er es mit einem hochklassigen Gegner aufnehmen sollte.

Chancen hätte er allenfalls gegen seinen Landsmann Saunders, der ihm die bislang einzige Niederlage zugefügt hat. Der WBO-Weltmeister im Mittelgewicht ist selbst ein Wackelkandidat und hätte seinen Gürtel längst verloren, wäre er nicht aus den Verhandlungen mit Golowkins Team ausgestiegen. Billy Joe Saunders muß seinen Titel im nächsten Schritt gegen den Pflichtherausforderer Adtandil Churtsidse verteidigen und steht deshalb ohnehin nicht für einen Kampf gegen Eubank zur Verfügung.

Gennadi Golowkin ist definitiv eine Nummer zu groß für Chris Eubank, der in seiner aktuellen Verfassung keine drei Runden mit dem Kasachen überstehen würde. Wenn selbst Quinlan in der Lage war, den Briten mit seinen seltenen Schlägen zu treffen, weil dessen Deckung beträchtliche Lücken aufwies, würde Golowkin solche Mängel augenblicklich bestrafen. Auch guten Supermittelgewichtlern wie James DeGale oder Gilberto Ramirez sollte Eubank tunlichst aus dem Weg gehen, da sie ihm eine Lektion erteilen würden. Ansonsten ist diese Gewichtsklasse derzeit eher bescheiden besetzt, da Badou Jack nach seinem Unentschieden gegen James DeGale den WBC-Titel niedergelegt hat und ins Halbschwergewicht aufgestiegen ist. George Groves und Fedor Tschudinow kämpfen um den Gürtel des Superchampions beim Verband WBA, dessen regulärer Weltmeister Tyron Zeuge ist. [2]

Chris Eubank sen. wäre gut beraten, seinen Sohn von gefährlichen Gegnern fernzuhalten und in Ruhe weiter aufzubauen, bis er seine Schwächen losgeworden ist. Der ältere Eubank gehörte einst zu den überragenden Akteuren der mittleren Gewichtsklassen und sollte eigentlich die Qualitäten und Mängel seines Sohnes besser als jeder andere einschätzen können. Ob ihm diese familiäre Enge den Blick verstellt oder er seinen Sprößling gerade deswegen in den Himmel hebt, weil ihm dessen Grenzen nur allzu bewußt sind, weiß niemand.


Fußnoten:

[1] http://www.espn.com/boxing/story/_/id/18623193/chris-eubank-jr-stops-renold-quinlan-win-ibo-world-title

[2] http://www.boxingnews24.com/2017/02/chris-eubank-jr-vs-renold-quinlan-results/#more-226531

6. Februar 2017


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