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MELDUNG/2119: Einladung mit Hintergedanken (SB)



Joseph Parker lockt Tyson Fury nach Auckland

Der Neuseeländer Joseph Parker verteidigt den WBO-Titel im Schwergewicht am 6. Mai vor heimischem Publikum in Auckland gegen den Briten Hughie Fury. Beide sind bislang ungeschlagen, wobei der 25jährige Weltmeister 22 Auftritte gewonnen und der drei Jahre jüngere Herausforderer 20 Gegnern das Nachsehen gegeben hat. Nun hat Parker eine Einladung an den früheren Champion Tyson Fury ausgesprochen, sich die Vorstellung seines jüngeren Cousins vor Ort anzusehen. Uneigennützig ist diese Offerte natürlich nicht, könnte die Anwesenheit des älteren Fury am Ring doch die Aussichten auf einen künftigen Kampf gegen ihn verbessern.

Voraussetzung wäre allerdings ein Sieg des Neuseeländers, der freilich allgemein erwartet wird. Hughie Fury verfügt trotz seiner Größe von 1,98 m über eine vergleichsweise geringe Schlagwirkung, so daß sein vorzeitiger Sieg so gut wie ausgeschlossen ist. Hingegen ist Parker durchaus in der Lage, den Kontrahenten auf die Bretter zu schicken, sofern dieser nicht zwölf Runden lang erfolgreich das Weite sucht. Fury könnte wohl nur dann nach Punkten gewinnen, wenn es ihm gelänge, in einem schnellen Wechsel von Angriff und Rückzug zu treffen, ohne selbst getroffen zu werden. Der Neuseeländer hat zwar schon einige nicht gerade berauschende Auftritte hingelegt, die er halbwegs zu verschlafen schien, doch dürfte er diesmal auf der Hut sein, zumal die taktische Marschroute des Herausforderers absehbar ist.

Möglicherweise hat Tyson Fury ohnehin vor, seinen Cousin in Auckland zu unterstützen, so daß Parker in dieser Hinsicht offene Türen einrennt. Ob der Brite jedoch in absehbarer Zeit in den Ring zurückkehrt oder im Gegenteil seine Karriere beendet, steht in den Sternen. Wie der 2,06 m große Fury kürzlich beklagte, wiege er derzeit um die 160 kg. Legt man aktuelle Aufnahmen von ihm zugrunde, scheint diese Angabe nicht übertrieben zu sein. Er müßte also gut 45 kg loswerden, die er in den letzten beiden Jahren zugelegt hat, um in angemessener körperlicher Verfassung anzutreten. Davon abgesehen ist ungewiß, ob ihm die britische Boxkommission die entzogene Lizenz wiedererteilt.

Tyson Fury hat seit seinem Sieg über Wladimir Klitschko im November 2015 keinen Kampf mehr bestritten und auch die vertraglich vereinbarte Revanche gegen den Ukrainer zunächst verschoben und schließlich ganz abgesagt. Wie er dabei offenlegte, leide er an psychischen Problemen, konsumiere Drogen und trainiere schon lange nicht mehr. Er gab seine Titel und die Lizenz zurück, so daß er sich im Falle einer Rückkehr in den Ring zunächst einer Begutachtung seitens der Kontrollinstanz unterziehen muß. Es ist also gut möglich, daß ein Kampf gegen Parker auf absehbare Zeit gar nicht möglich wäre.

Wie der Neuseeländer zuvorkommend ankündigte, würde man Fury in Auckland wohlwollend empfangen. Schließlich habe er den langjährigen Champion besiegt und sei derzeit der Weltmeister im Wartestand. Er habe bereits per Twitter Kontakt mit dem Briten aufgenommen und würde sich freuen, ihn persönlich beim Titelkampf begrüßen zu dürfen, so Parker.

Sollte es tatsächlich in nicht allzu ferner Zukunft zu einem Kampf zwischen Joseph Parker und Tyson Fury kommen, der sich auch in England sicher ausgezeichnet vermarkten ließe, hätte der Brite höchstwahrscheinlich schlechte Karten. Parker ist jung, recht beweglich und schlägt gewaltig zu. Fury hat nur deswegen gegen Klitschko gewonnen, weil dieser damals noch schlechter als er selber boxte und wie paralysiert herumstand. Ein solches Szenario würde sich im Falle Parkers kaum wiederholen, weshalb nicht abzusehen ist, wie Fury dabei die Oberhand behalten könnte. [1]

Tyson Fury hatte sich in seiner jüngsten Stellungnahme mit Blick auf ein baldiges Comeback zuversichtlich geäußert. Wie der 28jährige versicherte, sei es überhaupt kein Problem, das überflüssige Gewicht loszuwerden. Das sei ihm in der Vergangenheit wieder und wieder gelungen, da könne man gern seinen Trainer und Onkel Peter Fury fragen. Er kehre von einem finsteren und furchterregenden Ort zurück, an dem er den schwersten Kampf seines Lebens ausgetragen habe. Wer die Depression besiege, könne alles besiegen. Nun lasse er die Vergangenheit ruhen und konzentriere sich auf die Zukunft.

Fast 50 kg Gewicht loszuwerden ist schon für sich genommen ein anspruchsvolles Unterfangen. Das gilt um so mehr für einen Boxer, der erheblich leichter werden muß, aber diesen Substanzverlust nicht zu Lasten der Kondition und Schlagwirkung erzwingen darf. Als Fury vor seinem Kampf gegen Joey Abell im Jahr 2014 stark abgenommen hatte, machte er trotz seines vorzeitigen Sieges keine gute Figur. Er mußte eine Menge Schläge einstecken, obgleich er es lediglich mit einem vergleichsweise ungefährlichen Aufbaugegner zu tun hatte. Inzwischen ist der Brite fast drei Jahre älter, so daß die Strapazen des Abkochens noch gravierendere Folgen haben dürften. [2]

Tyson Fury wäre sicher gut beraten, die Vorbereitung auf künftige Auftritte moderat anzugehen und sich keiner Roßkur radikaler Gewichtsabnahme zu unterziehen. Er könnte beispielsweise von Kampf zu Kampf schrittweise leichter antreten, um die für ihn günstigste Region auszuloten. Leider steht zu befürchten, daß es ihn eher nach einem Paukenschlag drängt, mit dem er viel Geld verdienen und sich wieder ins Gespräch bringen könnte.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2017/03/parker-hoping-tyson-fury-attends-hughie-fight/#more-23012

[2] http://www.boxingnews24.com/2017/03/tyson-fury-says-weighs-350-lbs/#more-22969

16. März 2017


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