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MELDUNG/2123: Intrigant aus Profession (SB)



Oscar de la Hoya redet Gennadi Golowkin schlecht

Oscar de la Hoya, Chef der Golden Boy Promotions, zieht aus dem Kampf zwischen Gennadi Golowkin und Daniel Jacobs den Schluß, daß sein Flaggschiff Saul "Canelo" Alvarez nun erst recht höher als der Kasache einzuschätzen sei. In den Verhandlungen mit Golowkins Promoter K2 müsse dieser klein beigeben und das Angebot für das geplante Duell zwischen dem Kasachen und dem Mexikaner akzeptieren. Noch in dieser Woche sollen die Gespräche fortgesetzt werden, versucht De la Hoya das Eisen zu schmieden, solange es heiß ist. Wenngleich Golowkin seine Titelverteidigung im Madison Square Garden einstimmig nach Punkten gewonnen hat, behauptet "Canelos" Promoter, Jacobs habe die härteren Treffer ins Ziel gebracht und die zweite Hälfte des Kampfs überlegen gestaltet. Hätte der Herausforderer anfangs nicht zu großen Respekt vor dem Champion an den Tag gelegt, wäre das Urteil am Ende zu seinen Gunsten ausgegangen.

Golowkin hatte es vorgezogen, den Gegner nicht wie in seinen früheren Auftritten unablässig unter Druck zu setzen und mit heftigen Schlägen zu traktieren. Statt dessen verlegte er sich auf eine eher technische Kampfesweise und versäumte es, einen weiteren vorzeitigen Sieg einzufahren. Daraus versucht ihm nun Oscar de la Hoya einen Strick zu drehen, wobei es nicht allein um die Aufteilung der Einnahmen geht. Es ist kein Geheimnis, daß Saul Alvarez von dem Kasachen ferngehalten wird, dem man sogar kampflos den WBC-Titel im Mittelgewicht überließ, als "Canelo" bei diesem Verband Weltmeister und Golowkin Pflichtherausforderer war.

Nachdem eine Reihe mehr oder minder fadenscheiniger Ausflüchte abgearbeitet war und der Unmut beim Publikum wuchs, verlegte sich Oscar de la Hoya darauf, für den allseits geforderten Kampf ein finanzielles Konstrukt vorzuhalten, das die Schuld im Falle des Scheiterns auf die gegnerische Partei abwälzen soll. Entgegen der Gepflogenheit, die beiderseitigen Börsen nach einem ausgehandelten prozentualen Schlüssel aufzuteilen, bot er Golowkin eine Pauschalsumme an. Zehn Millionen Dollar hören sich gewaltig an, solange man nicht überschlägt, daß "Canelo" möglicherweise die zehnfache Summe einstreichen könnte. Daß sich das Team des Kasachen nicht auf diese Weise über den Tisch ziehen lassen kann, ist offenbar Teil des Kalküls, die Verhandlungen platzen zu lassen, ohne das Gesicht vollends zu verlieren.

Warum es De la Hoya plötzlich so eilig hat, die Gespräche voranzutreiben, liegt auf der Hand. Die Überraschung, daß Golowkins jahrelange Serie vorzeitiger Siege geendet hat, ist noch frisch, und ein Teil der Kommentatoren will erkannt haben, daß der Kasache längst nicht mehr so gefährlich wie früher sei. Jetzt zu behaupten, er habe an Popularität verloren und dürfe deswegen keine Ansprüche mehr stellen, bevor wieder eine nüchterne Einschätzung der beiderseitigen Qualitäten Einzug hält, ist opportun, sofern man es darauf anlegt, den Septemberkampf zu verhindern, der "Canelos" Ruf und Ruhm in die Tonne treten könnte.

Womöglich wäre Golowkins Team sogar gut beraten, darauf zu bestehen, daß Saul Alvarez zunächst den Kampf gegen Julio Cesar Chavez jun. am 6. Mai heil übersteht, bevor man in die Verhandlungen eintritt. Chavez, der seine Karriere mehr oder minder ruiniert zu haben schien und wie eine leichte Beute wirkte, hat plötzlich wieder Tritt gefaßt. Er scheint engagiert zu trainieren und hat dem Vernehmen nach bereits so viel Gewicht reduziert, daß er die vereinbarte Marge ohne größere Probleme erreichen könnte. Wurde "Canelo" anfangs als haushoher Favorit gehandelt, mehren sich nun von Woche zu Woche die Stimmen, die ihm einen schweren Kampf, wenn nicht gar eine Niederlage gegen seinen körperlich überlegenen Landsmann vorhersagen.

Sollte "Canelo" tatsächlich verlieren, wäre er für Golowkin entweder kein Thema mehr oder säße zumindest am kürzeren Hebel. Behält er die Oberhand, macht dabei aber keine gute Figur oder bekommt sogar den Sieg geschenkt, wäre Oscar de la Hoyas Verhandlungsvorteil ebenfalls neutralisiert. Deshalb ist es aus seiner Sicht allemal günstiger, jetzt mit Golowkins Team so kompromißlos zu verhandeln, daß keine Einigung zustande kommt. Saul Alvarez ist ein relativ plattfüßiger Boxer, der nicht wie Daniel Jacobs zwölf Runden lang in Bewegung bleiben und sich dem Kasachen behende entziehen kann. Er müßte sich zum Schlagabtausch stellen, der aller Voraussicht nach übel für ihn ausgehen würde.

Das Argument seines Promoters, "Canelo" sei eindeutig die größere Zugnummer beim Publikum, steht auf tönernen Füßen. Der Kampf gegen den Puertoricaner Miguel Cotto im November 2015 brachte 900.000 Buchungen im Pay-TV, da beide Boxer eine riesige Fangemeinde mitbrachten. Das Duell mit dem Briten Amir Khan im Mai wollten immerhin noch 600.000 zahlende Fernsehzuschauer sehen, doch als der in den USA unbekannte Liam Smith im September an der Reihe war, fiel die Zahl auf magere 300.000. So gesehen ist der Mexikaner auf dem absteigenden Ast und zieht seine Kreise keineswegs in einer anderen Liga als Golowkin. Man darf jedenfalls auf die Veröffentlichung der Zuschauerzahl bei dessen Sieg über Daniel Jacobs gespannt sein.

Zweifellos wird "Canelo" im Mai ein besseres Ergebnis als gegen Smith einfahren, da das Duell der beiden prominentesten mexikanischen Boxer ihre Landsleute elektrisieren dürfte. Nicht wenige Kritiker sehen in diesem Kampf jedoch in erster Linie eine Geldmaschine und halten Saul Alvarez und seinem Promoter vor, sie hätten wiederum einen Gegner ausgewählt, dessen beste Zeit längst Geschichte sei. "Canelo" habe erst dann gegen James Kirkland und Alfredo Angulo gekämpft, als deren Können bereits auf Talfahrt war, und verfahre mit Chavez nach demselben Muster. [1]

Sollte der Kampf gegen Saul "Canelo" Alvarez nicht zustande kommen, könnte Gennadi Golowkin statt dessen eine Revanche mit Daniel Jacobs austragen, die sicher beträchtlichen Zuspruch beim Publikum fände. Der relativ knappe Ausgang ihres Kräftemessens in New York und die anschließende Kontroverse darüber, wie die beiderseitigen Leistungen einzuschätzen seien, dürfen dazu führen, ein zweites Duell dieser beiden Boxer in den Augen der Zuschauer aufzuwerten. Golowkins Promoter Tom Loeffler hat zudem den Namen Gilberto Ramirez ins Spiel gebracht. Der WBO-Weltmeister im Supermittelgewicht aus Mexiko wäre sicher für eine ansehnliche Quote gut, brächte aber mehrere Probleme mit sich. Ramirez ist nicht nur schwerer, sondern auch deutlich größer als der Kasache, der stets ein relativ leichter Mittelgewichtler war. Überdies ähnelt der Mexikaner in seiner Kampfesweise Daniel Jacobs, da er sich ständig im Ring umherbewegt und schwer zu treffen ist. Golowkin müßte ihm daher konsequent den Weg abschneiden, um ihn zu stellen, so daß die Hauptlast des Angriffs abermals auf seiner Seite läge.

Zuallererst möchte der Kasache jedoch Billy Joe Saunders den WBO-Titel im Mittelgewicht abnehmen, um seine Gürtelsammlung in dieser Gewichtsklasse zu vervollständigen. Hätte er dieses Ziel erreicht, das er seit Jahren verfolgt, stünde es ihm frei, Ausflüge ins Supermittelgewicht zu machen oder sich dort dauerhaft zu etablieren. Möglich wäre aber auch die umgekehrte Richtung, zumal im Halbmittelgewicht unter Umständen attraktivere Gegner anzutreffen sind. Golowkin ist bislang einer der wenigen prominenten Boxer, die nicht im Laufe der Jahre Gewichtsprobleme bekommen haben und deswegen gezwungen waren, in höhere Limits aufzusteigen.


Fußnote:

[1] http://www.boxingnews24.com/2017/03/canelo-vs-golovkin/#more-230662

22. März 2017


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