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MELDUNG/2143: Kommt der Zirkus in die Stadt? (SB)



Oscar de la Hoya ruft zum Boykott der "Farce" auf

Oscar de la Hoya, einst zehnmaliger Weltmeister in sechs verschiedenen Gewichtsklassen und heute einer der erfolgreichsten Promoter der Branche, ruft alle Boxfans in einem offenen Brief dazu auf, den vermeintlich näherrückenden Kampf zwischen Floyd Mayweather und dem UFC-Superstar Conor McGregor zu verhindern. Wie er versichert, hätten ihn keineswegs Konkurrenzinteressen zu diesem Schritt bewogen, mit dem er sich einzig in den Dienst des gesamtem Boxsports stelle, den man nur gemeinsam schützen könne. Mit jedem verstrichenen Tag wachse die Wahrscheinlichkeit, daß dieser Zirkus tatsächlich in die Stadt komme. Das Vorprogramm nehme Gestalt an, die Sportkommissionen gäben gegen Zahlungen in Millionenhöhe ihren Segen und die beiden Akteure fingen bereits an, ihre Einkünfte zu zählen. Wer könne diese Farce noch verhindern, wenn nicht die Fans, die das Lebenselixier des Boxsports seien, schreibt De la Hoya.

Er mußte 2007 seinen Titel im Halbmittelgewicht durch eine hauchdünne Punktniederlage an Mayweather abtreten. Der Kampf stellte damals mit Blick auf die Umsätze und Zahlen im Pay-TV neue Rekorde auf, die erst im Mai 2015 beim Duell zwischen Mayweather und Manny Pacquiao übertroffen wurden. Wie De la Hoya weiter schreibt, sei der Boxsport gerade erst dabei, sich wieder aus dem Loch herauszuarbeiten, in das er durch dem Kampf zwischen Mayweather und Pacquiao gefallen war, der sich als langweilig und bar jeder Höhepunkte erwiesen habe.

Er fürchte nun, daß ein Kampf zwischen Mayweather und McGregor dem Boxsport noch schwereren Schaden zufügen könnte, der gerade ein herausragendes Jahr mit einer Reihe spektakulärer Duelle wie jene zwischen Anthony Joshua und Wladimir Klitschko, Keith Thurman und Danny Garcia, Gennadi Golowkin und Daniel Jacobs, "Canelo" Alvarez und Julio Cesar Chavez wie auch zwischen Alvarez und Golowkin am 16. September erlebe. Wer der Meinung sei, daß Mayweather gegen Pacquiao dem Boxsport ein blaues Auge verpaßt habe, weil der Kampf zwischen zwei der besten Boxer aller Gewichtsklassen eine riesengroße Enttäuschung gewesen sei, werde noch Schlimmeres erleben, wenn der herausragende Boxer einer ganzen Generation einen Gegner auseinandernehme, der weder als Amateur noch als Profi jemals regulär geboxt habe. Davon würde sich der Boxsport womöglich nie wieder erholen, malt De la Hoya die Gefahr in den düstersten Farben aus.

Daß die Idee, diesen Kampf in Szene zu setzen, auf den ersten Blick sehr attraktiv anmuten mag, verstehe er voll und ganz. Connor McGregor sei mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der beste Kämpfer der Mixed Martial Arts und Floyd Mayweather der alles überragende Boxer seiner Zeit. Aber Erfolg in einer Sportart sei keine Garantie für Erfolg in einer anderen. Eher sei das Gegenteil der Fall. Und daß es sich hier um zwei verschiedene Disziplinen handle, liege auf der Hand, wenn man die unterschiedlichen Kampfesweisen und Regeln, die Größe der Handschuhe oder die Form des Rings in Betracht ziehe.

Wer außer Bo Jackson und Deion Sanders habe es in der Geschichte des modernen Sports zur Meisterschaft in zwei Disziplinen gebracht, wobei man nicht vergessen dürfe, daß diese beiden auf der High School und im College sowohl Baseball als auch Football gespielt hatten, bevor sie Profis geworden seien. Darüber hinaus wolle McGregor nicht etwa nur gegen einen passablen oder guten, sondern auf Anhieb den allerbesten Boxer antreten. Er selber sei kein schlechter Golfer, so De la Hoya, und könne wohl bei einem halbwegs anspruchsvollen Turnier mithalten. Sich mit den Stars dieses Sports zu messen, falle ihm jedoch im Traum nicht ein.

Der 40 Jahre alte Mayweather ist in 49 Kämpfen ungeschlagen und hat nach seinem Sieg über Andre Berto im September 2015 seine Karriere beendet. Wie er nun erklärt, würde er einzig und allein für McGregor noch einmal in den Ring zurückkehren, der seinerseits nichts unversucht läßt, um diese Gelegenheit beim Schopf zu ergreifen. Der 28jährige Ire, für den 21 Siege und drei Niederlagen zu Buche stehen, hat kürzlich eine Boxlizenz in Nevada beantragt, wo der Kampf stattfinden würde. UFC-Präsident Dana White und McGregor haben alles vereinbart, was auf ihrer Seite zu klären war. Nun will White mit Mayweathers Berater Al Haymon zusammentreffen, um eine Übereinkunft mit der Gegenseite herbeizuführen.

De la Hoya bemüht sich nach Kräften, den Verdacht aus dem Feld zu schlagen, ihm gehe es lediglich darum, mit Blick auf den bevorstehenden Kampf zwischen "Canelo" und Golowkin jegliche Ablenkung durch andere spektakuläre Ereignisse kleinzuhalten. Ihm liege wie immer der Boxsport als solcher am Herzen. Kehrte Mayweather in den Ring zurück, um gegen Keith Thurman, Errol Spence oder einen anderen hervorragenden Weltergewichtler anzutreten, wäre er der erste, der sich eine Eintrittskarte dafür besorgt. Das wären Kämpfe, wie sie die Fans verdienten, und er sei vor allen anderen Interessen selber ein Fan, so der Promoter volkstümlich.

Mayweather und McGregor gehe es ausschließlich ums Geld, womit sie auch nicht im mindesten hinter dem Berg hielten. Um die Folgen scherten sie sich nicht. Sollte sich der Zirkus als das zu erwartende Fiasko erweisen, würde sich Mayweather mit noch volleren Taschen wieder in den sportlichen Ruhestand zurückziehen. Auch McGregor hätte im Grunde nichts zu verlieren, da er weiter in der UFC antreten könne. Verlierer seien hingegen die Boxfans, die um 100 Dollar erleichtert und mit einem neuerlichen Tiefschlag konfrontiert würden. Um das Spektakel in letzter Minute zu verhindern, müsse man klarstellen, daß man für diese Farce kein Geld ausgeben werde, und allen Bekannten, die sich für den Boxsport interessierten, ebenfalls dazu raten, die Finger davon zu lassen. [1]

Mit seiner Kritik steht Oscar de la Hoya nicht allein, da es inzwischen kaum noch einen namhaften Experten geben dürfte, der dem geplanten Kampf zwischen Mayweather und McGregor nicht mit Skepsis entgegensieht, was dessen sportliche Bedeutung betrifft. Der Präsident des Verbands WBA, Gilberto Jesus Mendoza, sieht darin lediglich einen Showkampf, nicht jedoch einen regulären Boxkampf, und will das Spektakel daher auch nicht offiziell absegnen. Wenngleich beide Akteure großartige Athleten seien, stünden für Mayweather doch im Falle einer Rückkehr in den Ring diverse hervorragende Boxer zur Auswahl. Man muß jedoch damit rechnen, daß nicht alle Verbände diese Auffassung teilen und lieber mitverdienen wollen, indem sie dem Kampf ihren Segen geben. Die aufsichtführende Sportkommission von Nevada müßte sich im Grunde dreimal überlegen, ob sie tatsächlich eine Veranstaltung zuläßt, in der einer der beiden Akteure noch keinen einzigen regulären Boxkampf bestritten hat.

Warum sich die UFC auf einen derart ungleichen Kampf einläßt, liegt auf der Hand. Sie macht damit Werbung in eigener Sache und könnte neue Kreise des Publikums erschließen, die sich bislang nicht für die Mixed Martial Arts interessiert und womöglich noch nie einen Auftritt McGregors gesehen haben. Er ist auch außerhalb des Rings ein talentierter Unterhaltungskünstler und würde mit Sicherheit viele Zuschauer für sich einnehmen, selbst wenn er gegen Mayweather untergehen sollte. [2]

Daß Floyd Mayweather nach wie vor zögert, seine Zusage zu geben, dürfte verschiedenen Gründen geschuldet sein. Zum einen war es seit jeher Teil seines Geschäftsmodells, alle Welt im Ungewissen über seine Pläne zu lassen und damit die Spannung zu steigern. Möglicherweise will er Dana White und Connor McGregor aber auch weichkochen, um ihnen seine Bedingungen aufzuzwingen. Nicht zuletzt wird er vermutlich noch immer abwägen, ob dieses Vorhaben tatsächlich die hohen Zuschauerzahlen generiert, die seine kalkulierte Gewinnmarge erfordert. Nun darf man gespannt sein, wie er mit dieser Offensive Oscar de la Hoyas umgeht, der ja regelrecht zum Boykott des geplanten Spektakels aufruft und ihm damit gewaltig in die Parade fährt.


Fußnoten:

[1] http://www.espn.com/boxing/story/_/id/19462680/oscar-de-la-hoya-writes-open-letter-blasting-potential-floyd-mayweather-conor-mcgregor-fight

[2] http://www.boxingnews24.com/2017/05/mayweather-mcgregor-circus/#more-235527

26. Mai 2017


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