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MELDUNG/2217: Hohe Hürden auf dem Weg zum Fernsehstar (SB)



Mikey Garcia plant seinen Aufstieg ins Pay-TV

Mikey Garcia wird von Experten als einer der besten Akteure aller Gewichtsklassen gehandelt, ist aber noch immer weit davon entfernt, zu einem Star im Pay-TV aufzusteigen. Das ist in erster Linie darauf zurückzuführen, daß er bislang in der leichten Gewichtsregion antritt, die vom zahlenden Publikum eher am Rande wahrgenommen wird. Die prominentesten Akteure der Branche wie Floyd Mayweather, Manny Pacquiao oder Oscar de la Hoya brachten es erst dann zu Ruhm und sagenhaften Einkünften, als sie sich bis ins Weltergewicht oder darüber hinaus hochgekämpft hatten. Der 30jährige Garcia aus Riverside in Kalifornien ist in 37 Kämpfen ungeschlagen und war bereits Champion im Feder- und Superfedergewicht, derzeit firmiert er als WBC-Weltmeister im Leichtgewicht.

Bei ihm kommt allerdings erschwerend hinzu, daß er aufgrund eines Rechtsstreits mit seinem damaligen Promoter Bob Arum zwischen dem 25. Januar 2014 und dem 30. Juli 2016 keinen Kampf bestritten hat. Er fühlte sich von Top Rank nicht angemessen vertreten und gefördert. Erst als die Kontroverse beigelegt und die Trennung vollzogen war, konnte er sich in Eigenregie vermarkten und gab nach langer Abwesenheit von zweieinhalb Jahren ein glänzendes Comeback. In einem Kampf des Halbweltergewichts setzte er sich im Barclays Center in Brooklyn in der fünften Runde gegen Elio Rojas durch. Am 28. Januar 2017 sicherte er sich dann in Las Vegas durch einen Sieg in der dritten Runde über Dejan Zlaticanin den WBC-Titel im Leichtgewicht. Und zuletzt kam es am 29. Juli zu einem vielbeachteten Prestigekampf gegen Adrien Broner im Halbweltergewicht, bei dem Garcia einstimmig nach Punkten die Oberhand behielt.

Nun hofft Mikey Garcia, mit drei weiteren Auftritten den Sprung ins Bezahlfernsehen zu schaffen, sofern es ihm nur gelingt, die richtigen Kämpfe zu bekommen. Im ersten Schritt trifft er am 10. Februar im Alamodome in San Antonio, Texas, auf Sergej Lipinets, den in dreizehn Kämpfen ungeschlagenen IBF-Champion im Halbweltergewicht. Der Kalifornier hält das für eine gute Wahl, ist sich aber zugleich im klaren darüber, daß diese Gewichtsklasse schlichtweg zu schwach besetzt ist, als daß er sich dort einen Namen machen könnte, den niemand mehr vergißt. Deshalb zieht er schon jetzt in Erwägung, danach ins Leichtgewicht zurückzukehren und sich dort mit dem WBA-Weltmeister Jorge Linares und sodann mit Wassyl Lomatschenko zu messen. Und sollte auch das nicht fruchten, müsse er wohl ins Weltergewicht aufsteigen, wo sich so bekannte Akteure wie Keith Thurman, Shawn Porter, Errol Spence und Terence Crawford tummeln.

Letzten Endes wird Garcia wohl gar nichts anderes übrigbleiben, als früher oder später an die Tür des Weltergewichts zu klopfen, da die niedrigeren Limits wenig hergeben, was ihm den ersehnten Aufstieg in die höchsten Ränge der Popularität und Einkünfte bescheren könnte. Dieses Vorhaben erfolgreich zu bewältigen ist jedoch leichter gesagt als getan, da es bei weitem nicht ausreicht, einfach Gewicht zuzulegen. Schon im Kampf mit Arien Broner zeichnete sich ab, daß Garcia gegen einen schwereren Kontrahenten keinen vorzeitigen Sieg erzwingen konnte und gegen Ende recht müde wirkte. Das läßt darauf schließen, daß er seine gefürchtete Schlagwirkung nicht ohne weiteres in höhere Gewichtsklassen mitnimmt, wo er auf massivere und körperlich überlegene Kontrahenten trifft. Er müßte sich also systematisch umstellen und die breite Palette seiner Fähigkeiten neu gewichten. [1]

Neben Jorge Linares gehören Robert Easter und Terry Flanagan zu den besten Boxern im Leichtgewicht, doch in Garcias Zukunftsplänen taucht vor allem immer wieder Wassyl Lomatschenko auf, dessen Namen derzeit in aller Munde ist. Nach seinem Kantersieg im Duell mit Guillermo Rigondeaux scheiden sich die Geister an der Frage, ob er sein überlegenes Können eindrucksvoll demonstriert oder im Gegenteil einen körperlich weit unterlegenen Gegner niedergemacht habe. Der Kubaner tritt normalerweise um Superbantamgewicht an und traf zwei Limits höher im Superfedergewicht auf den Ukrainer, der deutlich größer und schwerer als er ist. Überdies verletzte sich Rigondeaux bereits in der zweiten Runde an der Hand, so daß sich von diesem Zeitpunkt an ein ungleicher Kampf entspann, der schließlich mit einer Aufgabe des Kubaners endete.

Wie viele Kritiker legt auch Garcia dem Ukrainer nahe, er müsse sich schon mit gleich schweren oder kräftigeren Gegnern messen, wolle er seinen Vorschußlorbeeren gerecht werden. Damit lockt der US-Amerikaner seinen Wunschgegner, zu ihm ins Leichtgewicht aufzusteigen, zumal er wiederholt bekräftigt hat, daß er Lomatschenko durchaus besiegen könne, weil er ihm in nichts nachstehe. Er dürfte in der Tat zu den ganz wenigen Rivalen gehören, denen dieses Kunststück tatsächlich zuzutrauen ist. Wenngleich man Bob Arums Lobeshymne nicht teilen muß, daß der Ukrainer der beste Boxer seit Muhammad Ali sei, so war Lomatschenko doch der erfolgreichste Amateurboxer aller Zeiten. Im Profilager ist er mit einer Bilanz von zehn Siegen und einer umstrittenen Niederlage bereits Weltmeister in der zweiten Gewichtsklasse.

Garcia befürchtet indessen zu Recht, daß Bob Arum ihm niemals einen Kampf gegen den Ukrainer gestatten würde, und das nicht nur wegen ihrer alten Feindschaft. Zum einen würde der 85jährige Promoter Lomatschenko kaum einem derart riskanten Unterfangen aussetzen, zum anderen hält Arum sein kleines Imperium seit vielen Jahren zusammen, indem er die bei ihm unter Vertrag stehenden Akteure fast ausnahmslos gegeneinander antreten läßt, um die Kontrolle nie mit einem Konkurrenten teilen zu müssen oder gar zu verlieren. Spekulationen zufolge plant der greise Promoter, Lomatschenko im Leichtgewicht gegen Ray Beltran um den vakanten WBO-Titel kämpfen zu lassen. Der Ukrainer müßte schon Top Rank verlassen oder Arum das Feld räumen, bevor Mikey Garcia zum Zuge kommt, auch wenn dieser von sich aus ein Wunder nicht ausschließen will. [2]

Wenngleich auch Lomatschenkos Prestigekampf gegen Rigondeaux wider Erwarten zustande kam, würde Garcia aller Voraussicht nach seine Zeit verschwenden, wollte er lange auf den Ukrainer warten. Da er jedoch mindestens ein Jahr braucht, um einen möglichen Aufstieg ins Weltergewicht vorzubereiten, bleibt es ihm unbenommen, 2018 zu verfolgen, welchen Weg Lomatschenko und Arum einschlagen. Wie Mikey Garcia weiß, kann er anspruchsvolle Kontrahenten in höheren Limits nicht so leicht vorzeitig besiegen, wie ihm das bislang im Leichtgewicht möglich war. Er dürfe künftig nicht in erster linie auf einen Niederschlag drängen, sondern müsse klüger zu Werke gehen, was eine grundlegende Umstellung im Training erfordere. Nun gelte es eben, die richtigen Schritte im richtigen Augenblick zu machen.

Potentielle Gegner im Weltergewicht wie Thurman, Spence, Crawford oder Jeff Horn sind zwar ihrerseits noch keine Stars im Pay-TV, könnten es aber zusammen mit Garcia werden, sollte dieser seine Qualitäten im Zuge des Aufstiegs erfolgreich modifizieren. Er kann bereits eine ansehnliche Fangemeinde mobilisieren, die rasant wachsen würde, sofern er weiterhin attraktiv boxt und weit über Expertenkreise hinaus als Memesis namhafter Rivalen wahrgenommen wird.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2017/12/mikey-garcia-im-close-becoming-ppv-star/#more-250954

[2] http://www.boxingnews24.com/2017/12/mikey-garcia-id-beat-lomachenko/#more-250937

20. Dezember 2017


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