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MELDUNG/2220: Warum nicht gleich Luftschlösser bauen? (SB)



Shannon Briggs klotzt mit prominenten Namen

Im Alter von 46 Jahren meldet sich Shannon Briggs zurück, um seiner unterbrochenen Karriere noch einmal einen neuen Schub zu verleihen. Der aus Brooklyn stammende und in Südflorida ansässige Schwergewichtler stand zuletzt am 21. Mai 2016 im Ring und wurde zwischenzeitlich positiv auf einen erhöhten Testosteronspiegel getestet, worauf der Verband WBA eine sechsmonatige Sperre gegen ihn verhängte. Dadurch fiel der für den 3. Juni 2017 geplante Kampf um den Titel des regulären WBA-Weltmeisters gegen Fres Oquendo ins Wasser, in dem Briggs eine günstige Gelegenheit winkte, sich noch einmal einen Gürtel zu sichern. Zudem strich ihn die WBA aus den Top 15 ihrer Rangliste, so daß der US-Amerikaner derzeit bei keinem Verband mehr an relevanter Stelle vertreten ist. [1]

Seinen Angaben zufolge ist ihm zur Behandlung einer depressiven Störung ein Medikament verschrieben worden, das Testosteron enthielt. Das zurückliegende Jahr sei sehr hart für ihn gewesen. Er habe einen langen Weg voller unerwarteter Verwerfungen und Rückschläge zurückgelegt, doch er habe sich durchgeschlagen und sehe der Zukunft erwartungsvoll entgegen. Nun sei die Sperre abgelaufen und er freue sich darauf, innerhalb der nächsten drei bis vier Monate wieder einen Kampf bestreiten zu können. Wenngleich er noch einen Gegner dafür suche, sei dies ein Neubeginn, da er vorhabe, vier weitere Jahre im Ring zu absolvieren. [2]

In den 1990er Jahren zählte Shannon Briggs zu den aufstrebenden Schwergewichtlern. Er wurde 2006 WBO-Weltmeister, als er nach Punkten im Rückstand liegend den Weißrussen Sergej Liachowitsch in den letzten Sekunden der zwölften Runde mit einem Volltreffer durch die Seile schickte. Lange konnte er sich des Titels jedoch nicht erfreuen, da er ihn 2007 bereits bei der ersten Verteidigung an Sultan Ibragimow verlor. Seine letzte Sternstunde erlebte Briggs 2010 im Kampf gegen Vitali Klitschko, der ihm fürchterlich zusetzte, aber lediglich nach Punkten gewann. Dieser tapfere Auftritt trug dem US-Amerikaner große Sympathien beim deutschen Publikum ein, worauf er sich später als Stalker Wladimir Klitschkos in Szene setzte. Als der erhoffte Kampf ausblieb, wandte sich Briggs der britischen Szene zu, wo er nach demselben Muster verfuhr, um ins Geschäft mit einem namhaften Gegner zu kommen.

Seit seinem Comeback im Jahr 2014 hatte er sich darauf verlegt, weithin unbekannte Kontrahenten auszusuchen und sie in der ersten oder zweiten Runde mit Körpertreffern niederzuschlagen. So fuhr er gegen relativ schwache Gegner neun schnelle Siege ein und hängte sich schließlich an David Haye, der ebenfalls nach mehrjähriger Pause in den Ring zurückgekehrt war. Im Mai 2016 trat Briggs sogar im Vorprogramm des Briten an und machte mit Emilio Ezequiel Zarate kurzen Prozeß. Haye zog jedoch einen Kampf gegen seinen Landsmann Tony Bellew vor, so daß der US-Amerikaner leer ausging.

Briggs, für den 60 Siege, sechs Niederlagen sowie ein Unentschieden zu Buche stehen, bereitet sich in der "Heavyweight Factory" auf den nächsten Kampf vor. Er hat zwei Jahre gebraucht, um sich seit seinem Comeback 2014 unter die Top 5 der WBA hochzuarbeiten. Und diesen Aufstieg verdankte er nicht Erfolgen gegen hochklassige Gegner, sondern der erwähnten Siegesserie gegen schwache Konkurrenz, doch nicht zuletzt auch seinen unkonventionellen Auftritten als Stalker und Paradiesvogel, mit denen er sich in Erinnerung brachte und die Medien bediente. Ein erneuter jahrelanger Anlauf ist angesichts seines Alters keine Option, weshalb er um so mehr darauf setzen muß, Kämpfe gegen prominente Kontrahenten herbeizureden, als sei er selbstverständlich ein Titelaspirant.

Sollte er jemals wieder Weltmeister werden, wäre er der älteste Schwergewichtschampion in der Geschichte des Boxsports. George Foreman war 45 Jahre alt, als er 1994 mit Michael Moorer den Titelträger der WBA und IBF durch K.o. in der 10. Runde entthronte. Foreman hatte dabei einen Gegner vor den Fäusten, der ursprünglich aus dem Cruisergewicht gekommen und erheblich leichter als er selbst war. Seither haben sich die Verhältnisse erheblich verändert, sind doch die Weltmeister Deontay Wilder (WBC) und Anthony Joshua (WBA/IBF) Riesen von Gestalt. Shannon Briggs könnte keinen von beiden besiegen, jedoch sehr viel Geld verdienen, das ihm den Abschied versüßen würde. Um gegen einen von beiden antreten zu können, mußte er sich allerdings wohl zum Pflichtherausforderer vorkämpfen, was so gut wie ausgeschlossen sein dürfte. Und für eine freiwillige Titelverteidigung werden sie ihn eher nicht verpflichten, da sie sich angesichts seines Alters harscher Kritik aussetzen würden.

Deshalb führt Briggs derzeit vor allem den ehemaligen Champion Tyson Fury im Munde, der allerdings erst noch eine Lizenz von der britischen Boxkommission erhalten und sich nach seiner langen Pause von zwei Jahren wieder in eine angemessene körperliche Verfassung bringen muß. Die Avancen gehen bislang allein von dem US-Amerikaner aus, den der Brite in jüngerer Zeit mit keinem Wort erwähnt hat. Fury hat bereits das Angebot Eddie Hearns ausgeschlagen, bei seinem Comeback gegen Tony Bellew anzutreten. Wenn sich der 2,06 m messende Hüne im klaren darüber ist, daß selbst Bellew vorerst zu gefährlich für ihn wäre, dürfte Briggs um so weniger ein Thema für ihn sein.

Um nicht allzu aufdringlich zu erscheinen, hebt Shannon Briggs hervor, daß er Tyson Fury keineswegs nachjage. Andererseits will er sich natürlich in Szene setzen und rät dem Briten deshalb, sich lieber einen anderen Gegner zu suchen, wenn er einen ganz gewöhnlichen Boxkampf bevorzuge. Wünsche er sich jedoch einen echten Straßenkampf, bei dem es unverzüglich zur Sache geht, wie das dem Publikum gefällt, brauche er sich nur zu melden und einen Vertrag zu unterschreiben. Wie Briggs betont, habe er keine Probleme damit, nach England zu kommen und zu kämpfen, wo immer Fury dies wünsche.

Sollte dieser aber kein Interesse daran haben, werde er einfach weiterziehen und Anthony Joshua aufs Korn nehmen. Er sei bereit, sich als alter Löwe mit dem jungen Löwen zu messen. Joshua sei ungeschlagen und der führende Weltmeister im Schwergewicht. Wer ihn besiege, sei der unangefochtene Champion aller Klassen, und das könne er durchaus schaffen, stellt Shannon Briggs sein Licht nicht unter den Scheffel. Die Strategie, sich als Titelkandidat zu geben, obgleich dazu nicht der geringste Anlaß besteht, ist natürlich durchschaubar. Sollte Fury wider Erwarten anbeißen, dann allenfalls aufgrund der Erwägung, er könne mit dem nach wie vor in England recht populären Briggs ohne großen Werbeaufwand einen einträglichen Kampf inszenieren, bei dem sich das Risiko für ihn in Grenzen hielte.

Wäre Fury tatsächlich interessiert, würde er jedoch mit Sicherheit den überwiegenden Teil der Börse für sich beanspruchen. Er hat erst kürzlich getönt, ihm stünden im Falle eines Kampfs gegen Anthony Joshua 60 Prozent der Einkünfte zu. Das ist zwar absurd, legt aber nahe, was Briggs in Verhandlungen zu erwarten hätte. Auch Fury ist kein Kind von Traurigkeit, wenn es darum geht, ohne Trumpf in der Hinterhand sein Blatt hemmungslos auszureizen, bis alle Welt das in ihm zu sehen glaubt, was er unablässig gepredigt hat. Zusammen mit Briggs gäbe er zweifellos schon im Vorfeld eines möglichen Kampfs ein höchst unterhaltsames Duo ab, das sich nach einer langen Zwangspause am eigenen Schopf aus dem Sumpf zieht und als das Ergiebigste präsentiert, was das Schwergewichtsboxen derzeit an echten Kerlen zu bieten hat.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2017/12/shannon-briggs-making-comeback-46/#more-251327

[2] http://www.boxingnews24.com/2017/12/shannon-briggs-waiting-tyson-fury-fight/#more-251452

26. Dezember 2017


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