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MELDUNG/2246: Weltergewicht - kein Bündnis für die Ewigkeit ... (SB)



Manny Pacquiao trennt sich nach 16 Jahren von Freddie Roach

Im Laufe ihrer 16 Jahre währenden Zusammenarbeit, in der Manny Pacquiao und sein Trainer Freddie Roach beispiellose Erfolge erzielten, schien sie ein untrennbares Band zu verbinden. Nun hat der legendäre Philippiner während der Vorbereitung auf seinen Kampf gegen den Argentinier Lucas Matthysse offiziell die Trennung von Roach bekanntgegeben, ohne seinen Trainer direkt davon zu unterrichten. Vor über einem Jahr hat er den WBO-Titel im Weltergewicht im Juli 2017 nach einer höchst umstrittenen Entscheidung in Brisbane an den australischen Lokalmatador Jeff Horn verloren. Wenn er am 15. Juli in Kuala Lumpur auf Matthysse trifft, wird Roach nicht mehr in seiner Ecke stehen. Statt dessen betreuen ihn fortan Restituto "Buboy" Fernandez und Raides "Nonoy" Neri, wie aus einer Presseerklärung hervorgeht. [1]

Fernandez und Neri sind langjährige Freunde Pacquiaos, wobei Fernandez bereits in der Vergangenheit bei jedem seiner Kämpfe als Assistent in der Ecke stand. Auch Neri war seit langem ein fester Bestandteil des Trainingslagers, in das er vor allem seine Kochkünste einbrachte. Indessen kann keiner von beiden mit der Erfahrung und den Errungenschaften aufwarten, die Freddie Roach auszeichnen. Dieser wurde zwischen 2003 und 2014 nicht weniger als siebenmal von der renommierten Boxing Writers Association of America als "Trainer des Jahres" geehrt und hielt 2012 Einzug in die International Boxing Hall of Fame. Pacquiao, der Weltmeister in acht verschiedenen Gewichtsklassen geworden ist, gewann sieben dieser Titel zusammen mit Roach und wurde dreimal als "Boxer des Jahres" und im Jahr 2000 sogar als "Boxer des Jahrzehnts" ausgezeichnet.

Obgleich Freddie Roach allen Grund hätte, angesichts der Trennung als solcher und nicht zuletzt der Art und Weise ihres Ablaufs nachzutreten, gibt er sich wohlwollend und abgeklärt. Er habe mit Manny 16 großartige Jahre geteilt, länger als die meisten Ehen halten und zweifellos ein Ausnahmefall im Boxsport, so der Trainer. Er würde kein einziges dieser Jahre tauschen wollen. Im Boxring und bei seinen politischen Aufgaben wünsche er Manny nur das Allerbeste. Wenngleich er lügen müßte, um zu behaupten, es habe ihn nicht geschmerzt, daß Manny nicht mit ihm persönlich über diese Entscheidung gesprochen hat, werde das doch bei weitem durch die unvergeßliche Zeit aufgewogen, die man zusammen genossen habe.

Die Trennung kam insofern nicht aus heiterem Himmel, als Pacquiaos Berater Michael Koncz bereits vor zwei Wochen mitgeteilt hatte, daß nach Angaben des Philippiners Buboy das Trainingslager leiten werde. Manny wünsche sich eine Stimme in seiner Ecke, der er vertrauen könne. In seinem letzten Kampf habe er in dieser Hinsicht gewisse Bedenken gehabt und sei nicht erfreut über einige Äußerungen von Freddie Roach gegenüber der Presse gewesen. Der 39jährige Pacquiao, für den 59 Siege, sieben Niederlagen sowie zwei Unentschieden zu Buche stehen und der einen Sitz im Senat der Philippinen hat, war offenbar enttäuscht, daß sein Trainer die ständigen Kopfstöße Horns nicht nachdrücklicher beim Ringrichter moniert hatte.

Ihre Zusammenarbeit hatte begonnen, als Manny Pacquiao im Jahr 2001 als ehemaliger, aber weithin unbekannter Weltmeister im Fliegengewicht nach Los Angeles kam und dort einen neuen Trainer suchte. Er stellte sich im Wild Card Boxing Club in Hollywood vor, und nach einer Trainingseinheit befand Freddie Roach, daß er einen künftigen Star entdeckt habe. Bald darauf sprang Pacquiao bei einem Kampfabend Oscar de la Hoyas im MGM Grand in Las Vegas als kurzfristiger Ersatz im Vorprogramm ein, wo er im Juni 2001 auf Lehlo Ledwaba traf, einen Weltmeister im Superfliegengewicht. Nach einseitigem Kampfverlauf mußte Ledwaba in der sechsten Runde die Segel streichen. Seither haben Pacquiao und Roach Gewichtsklasse für Gewichtsklasse bis hinauf ins Weltergewicht aufgemischt und dabei viele Kämpfe ausgetragen, die zu den bedeutendsten dieser Ära gehörten.

Pacquiaos neugegründetes Unternehmen MP Promotions wird den kommenden Kampf gemeinsam mit Promoter Bob Arum auf die Beine stellen und dabei auch eine Medienkampagne am 18. April in Manila und am 20. April in Kuala Lumpur organisieren. Lucas Matthysse, der 39 Auftritte gewonnen und vier verloren hat, verteidigt erstmals den zweitrangigen Titel des regulären WBA-Weltmeisters im Weltergewicht. Er steht bei den Golden Boy Promotions unter Vertrag, und Oscar de la Hoya wird in der kommenden Woche in Manila zur Pressetour erwartet. Der von Joel Diaz trainierte Argentinier zeigt sich hocherfreut über die Gelegenheit, gegen den legendären Philippiner anzutreten. Er sei sich bewußt, daß ihn ein schwerer Kampf erwarte, auf den er sich in harter Arbeit vorbereiten müsse. Er wolle seinem Titel alle Ehre erweisen und sein Heimatland Argentinien voller Stolz repräsentieren. Wie Pacquiao hinzufügte, laufe alles nach Plan für den bedeutendsten Kampf in Malaysia seit dem Sieg Muhammad Alis über Joe Bugner in Kuala Lumpur im Juli 1975. [1]

Manny Pacquiao ist ein Boxer der Offensive und Freddie Roach ein Trainer, der ebenfalls auf rückhaltlosen Angriff setzt. Lucas Matthysse sollte ein idealer Gegner sein, da der Argentinier nicht wegläuft, sondern seinerseits den Schlagabtausch sucht. Insofern könnte man davon ausgehen, daß der erfahrene Philippiner bei diesem Auftritt auch ohne seinen langjährigen Trainer auskommt, der ihn zu dem anspornen würde, was er ohnehin vorhat. Eine ausgefeilte Taktik scheint nicht erforderlich zu sein, weshalb man annehmen sollte, daß Pacquiao auch ohne Roach zurechtkommt. Schwer einzuschätzen ist hingegen die Bedeutung all jener Aspekte ihrer Zusammenarbeit, die sich nicht in überschaubare Kategorien fassen lassen. Jedenfalls zieht es der Philippiner vor, nicht einen anderen namhaften Trainer zu verpflichten, sondern sich mit vertrauten Landsleuten zu umgeben, was nicht in erster Linie den geringeren Kosten geschuldet sein dürfte.

Freddie Roach hat mit Pacquiao sehr viel Geld verdient und dürfte in dieser Zeit der weltweit bestbezahlte Trainer gewesen sein. Kritiker monierten seit einigen Jahren, daß es Roach an alternativen Strategien fehle, wenn ein Boxer wie der Philippiner allmählich altert und den rückhaltlosen Angriff nicht mehr wie in jüngeren Jahren vortragen kann. Im Kampf gegen Juan Manuel Marquez 2012 lief der aggressiv attackierende Pacquiao in einen Konter, der ihn niederstreckte. Inzwischen ist der Philippiner 39 Jahre alt und wird von seinen politischen Aufgaben derart in Anspruch genommen, daß er nur noch ein Teilzeitboxer ist. Hatten schon die schweren Kämpfe gegen Miguel Cotto, Joshua Clottey, Antonio Margarito, Shane Mosley und Juan Manuel Marquez seit 2009 ihren Tribut gefordert, so zeichnen sich bei dem einst unverwüstlichen Pacquiao inzwischen physische Schwächen ab. Im Kampf gegen Jeff Horn bekam er Konditionsprobleme, die ihn hinderten, den Australier in die Niederlage zu zwingen. Nachdem er ihn in der neunten Runde sturmreif geschossen hatte, bedurfte es lediglich einer fortgesetzten Offensive im folgenden Durchgang, um den Außenseiter aus allen Titelträumen zu reißen. Doch was früher selbstverständlich gewesen wäre, wollte dem Favoriten einfach nicht mehr gelingen.

Freddie Roach wirkte zunehmend verwirrt und unternahm nichts, außer seinen Boxer voranzutreiben, dem das jedoch gegen Ende des Kampfs nicht mehr in ausreichendem Maße möglich war. Hinzu kamen die ständigen Kopfstöße Horns, der wie ein Büffel auf den Philippiner losging, was vom Ringrichter nicht unterbunden wurde. Daß Promoter Bob Arum diesen Kampf in Horns Heimatstadt austragen ließ, ging ebenfalls zu Lasten Pacquiaos, der als weitaus prominenterer Akteur und amtierender Weltmeister gewissermaßen im Wohnzimmer des Außenseiters antreten mußte. [2]

Da Pacquiao längst nicht mehr so schnell wie vor Jahren schlägt und konditionell kaum noch trittsicher für zwölf Runden sein dürfte, steht ihm gegen Lucas Matthysse ein schwerer Gang bevor. Der Philippiner hat seit dem Kampf gegen Miguel Cotto im Jahr 2009 keinem Gegner mehr gegenübergestanden, der so hart zuschlagen kann wie der Argentinier. Deshalb ist eine turbulente, vielleicht sogar spektakuläre Schlacht zu erwarten, in der Manny Pacquiao durchaus Gefahr laufen könnte, auf den Brettern zu landen. Ob die Karriere des Philippiners Mitte Juli endet oder noch weitere Stationen durchläuft, wird vom Verlauf des Kampfs abhängen. Davon abgesehen ist Manny Pacquiao und Freddie Roach zu wünschen, daß sie sich früher oder später zusammensetzen und aussprechen, damit das Ende ihrer Zusammenarbeit eine unbedeutende Marginalie bleibt, die den gemeinsamen Jahren nichts anhaben kann.


Fußnoten:

[1] www.espn.com/boxing/story/_/id/23159508/manny-pacquiao-cuts-ties-trainer-freddie-roach-fight-lucas-matthysse

[2] www.boxingnews24.com/2018/04/pacquiao-splits-with-freddie-roach/#more-261014

15. April 2018


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