Schattenblick → INFOPOOL → SPORT → BOXEN


MELDUNG/2247: Leichtgewicht - Heimkehr in vertraute Sphären ... (SB)



Mikey Garcia zieht sich aus dem Halbweltergewicht zurück

Miguel Angel "Mikey" Garcia gehört zu den herausragenden Akteuren des aktuellen Boxgeschäfts. Der 30 Jahre alte US-Amerikaner mexikanischer Herkunft aus Oxnard in Kalifornien ist in 38 Kämpfen ungeschlagen und Weltmeister im Federgewicht (WBO), Superfedergewicht (WBO), Leichtgewicht (WBC) und Halbweltergewicht (IBF) geworden. Vor ihm gelang nur Manny Pacquiao und Juan Manuel Marquez dieses Kunststück, in den genannten vier Gewichtsklassen einen Titel zu gewinnen. Garcia ist jedoch nicht nur ein überragender Boxer, sondern auch gewandt im Umgang mit den Medien und mithin ausgesprochen präsentabel.

Nachdem ihn Streitigkeiten mit seinem Promoter für mehr als zwei Jahre außer Gefecht gesetzt hatten, schien ungewiß, ob er seine Karriere unbeschadet wieder aufnehmen könnte. Er beantwortete die offene Frage auf seine Weise, indem er Anfang 2017 in seinem zweiten Kampf nach langer Abwesenheit im MGM Grand in Las Vegas mit Dejan Zlaticanin den WBC-Weltmeister im Leichtgewicht entthronte. Zudem gelang ihm das auf höchst überzeugende Weise, da der zuvor in 22 Kämpfen unbesiegte Titelverteidiger bereits in der dritten Runde geschlagen auf den Brettern lag.

Daß er sich auch in höheren Limits gegen hochklassige Gegner durchsetzen kann, stellte Garcia im Juli unter Beweis, als er im Barclays Center in Brooklyn einen vielbeachteten Sieg im Prestigekampf gegen Adrien Broner, ehemals Champion in vier Gewichtsklassen bis hinauf zum Weltergewicht, errang. Am 10. März 2018 wurde er schließlich Weltmeister in der vierten Gewichtsklasse, indem er sich im texanischen San Antonio durch einen einstimmigen Punktsieg über den zwei Jahre jüngeren Russen Sergej Lipinets auch den Gürtel der IBF im Halbweltergewicht sicherte. Wenngleich das Ergebnis eindeutig für Mikey Garcia sprach, hatte er doch erheblich größere Probleme als erwartet. Er war zwar schneller und technisch versierter als der Titelverteidiger, der jedoch ständig Druck machte und härter schlug. Da etliche Runden nahezu ausgeglichen verliefen, hätte der insgesamt verdiente Vorsprung des Herausforderers auf den Zetteln der Punktrichter durchaus knapper ausfallen können.

Nachdem Mikey Garcia noch vor kurzem in Erwägung gezogen hatte, im Halbweltergewicht zu bleiben, hat er nun seine Meinung geändert. Er legt den IBF-Titel nieder und kehrt ins Leichtgewicht zurück, wo er nach wie vor WBC-Weltmeister ist. Die Entscheidung für einen der beiden Gürtel war erforderlich, da der Verband WBC darauf bestanden hatte. Berücksichtigt man, daß Garcia den Titel im Leichtgewicht fast eineinhalb Jahre nicht verteidigt hat, muß man der WBC-Führung große Geduld attestieren. Für die Konkurrenz war diese Situation natürlich höchst unerfreulich, da sich sehr lange keine Gelegenheit bot, den Champion herauszufordern.

Am 12. Mai tritt der hoch gehandelte Ukrainer Wassyl Lomatschenko gegen WBA-Weltmeister Jorge Linares an, worauf sich Mikey Garcia mit dem Sieger messen könnte. Eine Alternative böte ein Kampf gegen den IBF-Champion Robert Easter, bei dem sich der Kalifornier ebenfalls einen zweiten Gürtel im Leichtgewicht sichern könnte. Da es sich in beiden Fällen um einen Vereinigungskampf mit einem anderen Titelträger handelt, würde das WBC höchstwahrscheinlich grünes Licht geben. Danach stünde für Garcia aber wohl eine Titelverteidigung gegen einen Pflichtherausforderer an. [1]

Verständlicherweise hatte Mikey Garcia sogar Pläne geschmiedet, ins Weltergewicht aufzusteigen, wo erheblich namhaftere Akteure anzutreffen sind und viel mehr Geld zu verdienen ist. Als ihm jedoch bereits Lipinets im Halbweltergewicht ungeahnte Probleme bereitete, war im Grunde klar, daß er gegen herausragende Weltergewichtler wie wie Errol Spence, Keith Thurman oder Terence Crawford chancenlos wäre. Mit dem Titelgewinn in der vierten Gewichtsklasse hatte Garcia ein selbstgesetztes Ziel erreicht, wobei er durchaus Kritik einstecken mußte, sich den schwächsten Weltmeister dafür ausgesucht zu haben. Daß sein Gesicht nach diesem Kampf derart gezeichnet war, als habe er verloren, war ein Warnsignal, dem der Kalifornier nun Rechnung trägt.

Wie sich gezeigt hatte, konnte er im Halbweltergewicht nicht jene Schlagwirkung aufbieten, die ihn im Leichtgewicht ausgezeichnet hatte. Dadurch hatte er einem druckvoll angreifenden Gegner wie Lipinets nichts entgegenzusetzen, was diesen gebremst hätte. Er mußte ihn folglich ausmanövrieren, dabei aber mehr Treffer einstecken, als ihm lieb sein konnte. Ähnlich oder schlimmer würde es ihm vermutlich gegen Jose Ramirez, Regis Prograis oder Kyrill Relich ergehen, die alle hohen Druck ausüben und hart zuschlagen können. Davon abgesehen stand aktuell eine Pflichtverteidigung gegen den Belarussen Ivan Barantschik an, der fünf Jahre jünger als Garcia und in 18 Auftritten ungeschlagen ist. Auch das wäre wohl ein harter Kampf geworden, der ihm viel abverlangt, aber relativ wenig eingebracht hätte.

Diese Aussicht dürfte neben der Vorgabe des WBC, er könne nicht Champion in zwei Gewichtsklassen bleiben, maßgeblich dazu beigetragen haben, daß Mikey Garcia den Aufstieg abgebrochen hat und ins Leichtgewicht zurückgekehrt ist. Dort braucht er sich nicht mit Kontrahenten herumschlagen, die erheblich größer und massiver gebaut sind, sondern kann im Gegenteil neben seinen technischen Fertigkeiten auch seine Physis ausspielen. Im angestammten Limit gehört er zu den schwersten Akteuren, was ihm zusätzliche Vorteile verschafft.


Fußnote:

[1] www.boxingnews24.com/2018/04/mikey-garcia-vacates-ibf-140lb-title/#more-261154

18. April 2018


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang