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MELDUNG/2263: Schwergewicht - zur Abwechslung Hausmannskost ... (SB)



Hughie Fury schickt Sam Sexton auf die Bretter

Der britische Schwergewichtler Hughie Fury, Cousin des ehemaligen Champions Tyson Fury, hat seinen Landsmann Sam Sexton besiegt und sich damit den nationalen Titel gesichert. Diese Trophäe ist nahezu bedeutungslos für Fury, hat dieser doch bereits um die Weltmeisterschaft gekämpft, dabei aber im September 2017 gegen den Neuseeländer Joseph Parker verloren, der damals noch den WBO-Gürtel in seinem Besitz hatte. Bemerkenswert an dem aktuellen Auftritt in Bolton ist hingegen, daß der 23jährige einen seiner seltenen vorzeitigen Siege einfahren konnte, da sich sein Gegner in der fünften Runde geschlagen geben mußte. Insofern hat es sich also gelohnt, erst einmal wieder kleine Brötchen zu backen und sich einen achtbaren Erfolg ans Revers zu heften. Während für Hughie Fury nunmehr 21 Siege und eine Niederlage zu Buche stehen, werden für den 33 Jahre alten Sam Sexton 24 gewonnene und vier verlorene Auftritte notiert.

In der ersten Runde gab Fury eine Art Imitation Muhammad Alis zum besten, sofern man darunter unzulässigerweise versteht, ständig im Ring zu kreisen und wirkungslos zu schlagen. Der Jab kam so langsam wie die Rechte, klare Treffer blieben Mangelware. Und da Fury mit der rechten Faust vor allem Löcher in die Luft schlug, passierte nicht viel. Sexton bewegte sich zu behäbig, um seinem Gegner den Weg abzuschneiden, und wenn ihm das doch einmal gelang, klammerte Fury sofort, um ihn am Schlagen zu hindern. Außerdem streckte der Favorit den linken Arm weit nach vorn, um den Kontrahenten fernzuhalten. Nutzte er die Linke zum Schlag, kam dabei nicht viel heraus, so daß es eher einem Wegschubsen ähnelte. Das ist zwar regelwidrig, wurde aber von Ringrichter Terry O'Connor während des gesamten Kampfs kein einziges Mal moniert, geschweige denn unterbunden.

Wenngleich man einwenden könnte, daß auch Wladimir Klitschko so geboxt habe, schlug der Ukrainer doch mit der Linken einen steifen Jab und einen gefährlichen Haken, der etlichen Gegnern zum Verhängnis wurde. Davon konnte bei Fury keine Rede sein, dessen schwacher Jab nichts ausrichtete, so daß die Rechte sein einzig brauchbares Instrument blieb, sofern sie denn traf. In der dritten Runde hatte Sexton offenbar genug von dem ständigen Weglaufen oder Klammern seines Gegners, denn er versetzte ihm mehrere Körpertreffer, als Fury in den Clinch ging. Der Ringrichter schritt ein und sprach aus unerfindlichen Gründen eine Ermahnung an die Adresse Sextons aus, statt das ständige Klammern zu unterbinden. Der Außenseiter brachte in diesem Durchgang auch mehrere Linke und eine wuchtige Rechte ins Ziel, die Fury jedoch gut wegsteckte, da es dem Titelverteidiger an Schlagwirkung mangelte.

Auch zu Beginn der vierten Runde machte Sexton eine gute Figur und traf mit der Linken, worauf er sofort eine Rechte folgen ließ. Die Schläge schienen Rachegelüste bei Fury zu wecken, der plötzlich aufdrehte und immer wieder auf den Gegner einschlug. Als Sexton sich endlich revanchieren wollte, lief er in einen Schlag, der ihn zurücktaumeln ließ. Fury setzte mit einem windmühlenartigen Schwinger nach, der weit ins Leere ging, da sich der Kontrahent rücklings in die Seile fallen ließ. Dort erwischte ihn dann eine kurz angesetzte Rechte, worauf er zu Boden gehen mußte. Sexton kam wieder hoch und wurde vorerst vom Pausengong gerettet.

In Runde fünf ließ Fury nichts mehr anbrennen, sondern traktierte Sexton, der ein statisches Ziel bot, mit weiteren heftigen Schlägen. Der Titelverteidiger setzte dennoch auf Angriff und trieb den Gegner sogar an die Seile, doch fing er sich dort einen Volltreffer ein, der ihn abermals niederstürzen ließ. Er raffte sich noch einmal auf, doch der Ringrichter nahm ihn nach 2:03 Minuten des Durchgangs aus dem Kampf, was eine weise Entscheidung war. Sam Sexton war derart in Mitleidenschaft gezogen, daß er nur noch weitere Treffer und Niederschläge kassiert hätte, wäre das inzwischen ungleiche Gefecht wieder freigeben worden.

Hughie Fury wird wohl den frisch gewonnenen Titel des Britischen Meisters gleich wieder niederlegen, da er nicht gegen Joe Joyce antreten will, der den Sieger des Kampfs in Bolton herausfordern möchte. Furys Vater und Trainer Peter Fury hat bereits definitiv erklärt, daß man nicht an dem in vier Auftritten ungeschlagenen Neuling interessiert sei. Statt dessen verfolge man nach wie vor das Ziel, den WBA/WBO/IBF-Weltmeister Anthony Joshua vor die Fäuste zu bekommen. Joshua und sein Promoter Eddie Hearn waren im vergangenen Jahr an dem jüngeren Fury interessiert, doch kam dieser Kampf nicht zustande, weil Peter Fury offenbar seinen Sohn nicht als Kanonenfutter verheizen lassen wollte. Jetzt hat Joshua allerdings erst einmal Besseres zu tun, da er sich mit WBC-Champion Deontay Wilder, dem IBF-Pflichtherausforderer Alexander Powetkin oder Jarrell Miller, womöglich sogar mit allen dreien in welcher Reihenfolge auch immer messen möchte.

Deshalb wird Hughie Fury wohl geraume Zeit auf diese Chance warten müssen, was auch besser so für den jungen Schwergewichtler ist. Alles in allem hat er gegen Sam Sexton keine schlechte Vorstellung geboten und alles Erforderliche getan, um einen Gegner dieses Niveaus in die Schranken zu weisen. Allerdings sollte er längst darüber hinaus sein, auf diese Ebene zurückzukehren, zumal er im letzten September am WBO-Gürtel geschnuppert hat. Damals endete der Kampf in Manchester mit einem knappen Punktsieg Joseph Parkers, worauf die Furys unisono verkündeten, sie seien um den verdienten Sieg geprellt worden. Peter Fury bezeichnete seinen Sohn gar als "ungekrönten Champion", was ausgesprochen lächerlich war, wenn man bedenkt, wie wenig dieser für die Offensive getan hatte.

Das sah zwar im Falle Sam Sextons schon wesentlich besser aus, aber wohl auch nur, weil dieser Gegner nicht vom Kaliber des Neuseeländers war. Anthony Joshua und Deontay Wilder dürfte kaum beeindruckt haben, was sie bei Furys Auftritt in Bolton zu sehen bekamen. Wenngleich er vorzeitig gewonnen hat, kann man ihm nach wie vor keine ausgeprägte Schlagwirkung attestieren. Er rennt ständig weg, klammert viel und braucht jede Menge Versuche, bis ihm ein Gegner wie Sexton endlich in einen Schlag läuft und umfällt. Wollte man eine Liste erstellen, welche Schwergewichtler eine Nummer zu groß für ihn wären, fiele die ziemlich lang aus. [1]

Im Kampf gegen Parker erweckte er den Eindruck eines panischen Wildes auf der Flucht vor dem Jäger. Wie er auf diese Weise irgendeinen hochklassigen Gegner besiegen will, steht in den Sternen. Er würde vermutlich nicht einmal den britischen Titel erfolgreich verteidigen, bekäme er es mit aufstrebenden Kandidaten wie Joe Joyce oder Daniel Dubois zu tun. Selbst an Nathan Gorman oder David Allen hätte er wohl harte Nüsse zu knacken. Hughie Fury wurde im Windschatten Tyson Furys ins Rampenlicht gespült und übersprang dabei jede Menge Konkurrenten, die keinesfalls schlechter als er sind. Dank seines Namens läßt er sich schlichtweg besser verkaufen als viele andere Akteure, die dem Publikum weniger geläufig sind. Selbstvermarktung und Selbstüberschätzung scheinen jedoch in der Familie Fury Hand in Hand zu gehen, was teils unterhaltsame, teils lächerliche oder sogar tragische Züge annimmt. Sich ins Gespräch zu bringen ist eine unverzichtbare Fertigkeit, will man im Boxgeschäft vorankommen. Allzu klein sollte die Schnittmenge zwischen Mundwerk und Talent aber nicht werden, zumal die Bereitschaft des Publikums, sich von großen Worten blenden zu lassen, ihre Grenzen hat.


Fußnote:

[1] www.boxingnews24.com/2018/05/hughie-fury-vs-sam-sexton-results/#more-262996

14. Mai 2018


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