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MELDUNG/2266: Halbschwergewicht - ein gestörtes Verhältnis ... (SB)



Sergej Kowaljow und Eleider Alvarez von Stevenson geschnitten

Die beiden Halbschwergewichtler Sergej Kowaljow und Eleider Alvarez verbindet ein gestörtes Verhältnis zu Adonis Stevenson, der sie jahrelang geschnitten hat. Als Kowaljow 2016 mit den Titeln der WBA, WBO und IBF auf dem Höhepunkt seiner Karriere stand, scheiterte der seit langem geforderte Kampf gegen den WBC-Champion Stevenson wie so oft in der Vergangenheit am Unwillen des Kanadiers, nunmehr aber auch an ihrem jeweiligen Vertrag mit den rivalisierenden Sendern HBO und Showtime. Alvarez, der wie Stevenson in Montreal lebt und mit ihm den Promoter Yvon Michel wie auch den Berater Al Haymon teilt, war über zwei Jahre lang Pflichtherausforderer des WBC-Weltmeisters. Obwohl es unter diesen Umständen ein Kinderspiel gewesen wäre, einen Kampf auf die Beine zu stellen, kam es aus nie offengelegten Gründen nicht dazu.

Nun haben die beiden verschmähten Kandidaten zueinander gefunden und brauchen Stevenson nicht mehr. Kowaljew verteidigt den Titel der WBO, den er inzwischen wiedergewonnen hat, am 4. August in Atlantic City gegen den gebürtigen Kolumbianer. Der Kampf findet im neuen Hard Rock Hotel & Casino statt, das im Anwesen des vormaligen Trump Taj Mahal am 28. Juni seine Pforten öffnet. Es ist die erste bedeutende Boxveranstaltung in Atlantic City seit dem Punktsieg Kowaljows gegen Bernard Hopkins im November 2014, der in der legendären Boardwalk Hall über die Bühne ging.

Wie Kowaljows Promoterin Kathy Duva von Main Events auf einer Pressekonferenz in New York dazu anmerkte, seien es beide Akteure leid, von demselben Rivalen links liegengelassen zu werden. Yvon Michel könne bestätigen, wie viele Anläufe, einen Kampf gegen Stevenson auf die Beine zu stellen, im Sande verlaufen seien. Statt dessen hätten sie kurzerhand beschlossen, gegeneinander anzutreten. Der 35jährige Russe, für den 32 Siege, zwei Niederlagen sowie ein Unentschieden zu Buche stehen, schien nicht minder erfreut über diese Wendung wie der in 23 Auftritten ungeschlagene Herausforderer zu sein.

Alvarez habe seine Titelchance verdient, doch sei auch er von "Chickenson" zurückgewiesen worden, bediente sich Kowaljow der von ihm schon vor geraumer Zeit geprägten herabwürdigenden Bezeichnung des WBC-Champions. Er wolle sich mit den besten Akteuren seiner Gewichtsklasse messen, und Alvarez habe das Angebot ohne jedes Zögern angenommen. Er zolle ihm dafür Respekt und freue sich schon darauf, mit ihm bei der Rückkehr nach Atlantic City in den Ring zu steigen. Auch sein kommender Gegner bestätigte, daß er unverzüglich in die Offerte eingewilligt habe. Er habe nun schon so lange auf eine solche Chance gewartet und wolle nichts mehr von Stevenson hören. Er sei hoch motiviert und konzentriere sich ausschließlich auf Sergej Kowaljow, der gegenwärtig der beste Halbschwergewichtler sei. Ihm stehe ein harter Kampf bevor, doch sei er ein Boxer, der zur Höchstform auflaufe, wenn er bis an die Grenze gefordert werde.

Ursprünglich hatte sich der in Los Angeles lebende Kowaljow bereits mit dem WBO-Ranglistenersten Marcus Browne auf einen Titelkampf geeinigt. Als jedoch publik wurde, daß der Herausforderer in jüngerer Zeit zweimal wegen häuslicher Gewalt festgenommen worden war, zog Kathy Duva das Angebot zurück. Unterdessen bestand Alvarez auf eine Abfindung im Gegenzug dafür, daß er sein Anrecht als Pflichtherausforderer Stevensons zurückstellte, der gegen Badou Jack antreten wollte. Diese Forderung hinderte Yvon Michel daran, die Verträge für die Titelverteidigung des WBC-Champions zu finalisieren. Nachdem sie von Browne Abstand genommen hatte, erkundigte sich Duva bei Michel, ob Alvarez statt dessen gegen Kowaljow antreten könne. Schon am folgenden Tag hatten beide Promoter ihre Probleme gelöst und zwei attraktive Duelle aufgelegt: Stevenson und Jack treffen am Samstag in Toronto aufeinander, Kowaljow und Alvarez wie gesagt am 4. August in Atlantic City.

Kowaljows Manager Egis Klimas, der vom renommierten Verband der Boxjournalisten zweimal als "Manager des Jahres" ausgezeichnet worden ist, würdigte Eleider Alvarez als großartigen Kandidaten. Dies sei wohl der Grund, warum ihn Stevenson so hartnäckig gemieden habe. Sergej trete jederzeit und an jedem Ort gegen jeden an, der bereit dazu sei. Wenn Stevenson zu große Angst vor ihm habe, mache Kowaljow guten Mutes den nächsten Schritt und gebe Alvarez jene Chance, die er schon lange verdient habe. Dessen Manager Stephane Lepine zeigte sich hocherfreut angesichts eines Titelkampf gegen den angesehenen Weltmeister auf HBO. Besser hätte es gar nicht kommen können, so daß auch er keine Sekunde gezögert habe, dieses Angebot anzunehmen. [1]

Postwendend hat sich Adonis Stevenson mit dem Vorschlag zu Wort gemeldet, nach seiner bevorstehenden Titelverteidigung gegen Badou Jack einen Kampf mit Sergej Kowaljow auszutragen. Da der Kanadier inzwischen 40 Jahre alt ist, läuft seine Ära als Weltmeister allmählich aus. Somit schließt sich auch das Zeitfenster für ein Duell der Weltmeister mit dem Russen. Stevenson hat seinen Gürtel nicht zuletzt deshalb seit nunmehr fünf Jahren behalten, weil er die jeweils gefährlichsten Rivalen gemieden und statt dessen handhabbare Gegner ausgesucht hat. Zudem hat er seit elf Monaten nicht mehr im Ring gestanden, so daß seine Popularität beim Publikum schwindet.

Das gilt allerdings auch für Kowaljow, dem die beiden Niederlagen gegen Andre Ward schwer zugesetzt haben. Wenngleich man sich durchaus darüber streiten kann, ob der Kalifornier wirklich der bessere Boxer war oder vielmehr vom Kampfgericht begünstigt wurde, gilt der Russe seither in den Augen der Zuschauer als entzaubert. Ward deckte jedenfalls die Schwächen des Russen im Infight schonungslos auf, der zudem mit zunehmender Kampfdauer Konditionsprobleme erkennen ließ. Nachdem Andre Ward die Titel niedergelegt und sich aufs sportliche Altenteil zurückgezogen hatte, sicherte sich Kowaljow abermals den WBO-Titel. Er hat jedoch zuletzt mit Wjatscheslaw Schabranskij und Igor Michalkin zwei relativ schwache Gegner besiegt und damit ebenfalls nicht gerade Bäume ausgerissen. [2]

Deswegen sind inzwischen viele Experten der Auffassung, daß Stevenson und Kowaljow nicht mehr die besten Akteure im Halbschwergewicht sind, sondern die anderen beiden Weltmeister Dmitri Bivol (WBA) und Artur Beterbijew (IBF). Um ihr Revier gegen die jungen Rivalen zu verteidigen, können die alten Löwen nicht umhin, noch einmal Zähne zu zeigen und sich anspruchsvolleren Aufgaben zu stellen. So gesehen sind Badou Jack und Eleider Alvarez eine gute Wahl, sofern Stevenson und Kowaljow dabei nicht auf der Strecke bleiben. Siege der Titelverteidiger vorausgesetzt, ließe sich dann sogar ihr langersehntes Kräftemessen einträglich über die Bühne bringen, ehe das breitere Publikum vollends das Interesse daran verloren hat.


Fußnoten:

[1] www.espn.com/boxing/story/_/id/23513938/no-adonis-stevenson-no-problem-sergey-kovalev-eleider-alvarez-fight-other

[2] www.boxingnews24.com/2018/05/adonis-stevenson-willing-to-fight-sergey-kovalev-after-badou-jack/#more-263261

17. Mai 2018


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