Schattenblick → INFOPOOL → SPORT → BOXEN


MELDUNG/2308: Mittelgewicht - vom hohen Roß gestürzt ... (SB)



Billy Joe Saunders legt seinen Titel nieder

Nachdem Billy Joe Saunders aufgrund eines positiven Dopingtests von der Sportkommission von Massachusetts keine Lizenz für seinen Kampf gegen Demetrius Andrade am 20. Oktober in Boston erhalten hat, wird er durch Walter Kautondokwa ersetzt. Nach Angaben des WBO-Präsidenten Francisco Valcarcel hat der Brite den Titel im Mittelgewicht niederlegt, der somit neu vergeben werden kann. Promoter der Veranstaltung ist Eddie Hearn, der die Übertragung im Rahmen des Streamingdienstes DAZN anbietet, mit dem er einen hochdotierten Vertrag über zehn Jahre abgeschlossen hat. Der 30jährige Andrade gehörte als Amateur dem US-Team bei den Olympischen Spielen 2008 in Beijing an, war Weltmeister der WBA und WBO im Halbmittelgewicht und ist in 25 Auftritten ungeschlagen. Unbesiegt ist auch der drei Jahre ältere aus Namibia stammende Kautondokwa, der 17 Gegnern das Nachsehen gegeben hat und in der aktuellen Weltrangliste der WBO an Nummer zwei geführt wird. [1]

Natürlich hatte niemand damit gerechnet, daß Saunders eineinhalb Wochen vor dem Kampftermin auf diese Weise ausfallen könnte. Da Eddie Hearn sehr viel Geld in die Veranstaltung investiert hat, faßte er den Entschluß, den bei ihm unter Vertrag stehenden Andrade gegen Kautondokwa antreten zu lassen. Der Nabibier stand bereits im Training und als Ersatzmann bereit, doch erfolgte seine Nominierung sehr kurzfristig. Dennoch läßt er sich die Gelegenheit natürlich nicht entgehen, auf einen derart prominenten Gegner zu treffen und mit ihm um den Titel zu kämpfen. Hearn ist sicher nicht glücklich über diese Entwicklung, da er gehofft hatte, Demetrius Andrade werde dem Briten den Gürtel abnehmen, was wesentlich spektakulärer als ein mutmaßlicher Sieg über den weit weniger bekannten Kautondokwa wäre. Gleiches gilt für Andrade selbst, der darauf aus war, den in 26 Kämpfen ungeschlagenen Billy Joe Saunders erstmals zu besiegen.

Wie Francisco Valcarcel weiter mitteilte, habe sich der 29 Jahre alte Saunders bei der Sportkommission von Nevada für den Verstoß gegen die Anti-Doping-Vereinbarungen entschuldigt. Der WBO-Präsident will dem Exekutivkomitee des Verbands empfehlen, eine Sperre von sechs Monaten gegen den Briten zu verhängen. Billy Joe Saunders hat bei seiner letzten Titelverteidigung im Dezember 2017 den Kanadier David Lemieux einstimmig nach Punkten besiegt. Wird er für ein halbes Jahr suspendiert, kann er erst 2019 in den Ring zurückkehren und fällt damit auf dem Höhepunkt seiner Karriere für geraume Zeit aus. Eigenen Angaben zufolge entgehen ihm allein für den geplanten Kampf gegen Andrade 2,3 Millionen Dollar, so daß er eine beträchtliche finanzielle Einbuße hinnehmen muß. [2]

Saunders wurde bei einer Probe vom 30. August von der US-amerikanischen Antidopingagentur VADA positiv auf die leistungssteigernde Substanz Oxilofrin getestet. Da er ebenso wie Andrade Dopingkontrollen der VADA zugestimmt hat und die fragliche Substanz in deren Liste verbotener Stoffe aufgeführt ist, scheint der Sachverhalt auf den ersten Blick klar zu sein. Dies hatte auch Valcarcel unterstrichen, der geltend machte, daß man die Bedingungen erfüllen müsse, wenn man einen solchen Vertrag unterzeichne. Saunders habe gegen die Vorgaben verstoßen und aus diesem Grund keine Lizenz von der zuständigen Sportkommission des Bundesstaats erhalten. Das sei ihm nicht widerfahren, sondern auf seine eigene Handlungsweise zurückzuführen.

Obgleich Saunders den Titel verloren hat und auf hohe Einkünfte verzichten muß, wird ihm wenig Mitleid zuteil werden, da viele Konkurrenten und Fans froh sind, ihn vorerst los zu sein. Er hat seinen Gürtel relativ selten verteidigt und damit im Grunde den WBO-Titel blockiert. Vor allem aber hat er im Laufe der Jahre mit seiner herablassenden Art viele Leute verärgert, darunter auch David Lemieux, den er vor und nach ihrem Kampf im Dezember übel angegangen ist. Der Kanadier regierte auf die Nachricht von dem Dopingverstoß des Briten mit einer Schimpftirade in den sozialen Medien, nannte ihn einen widerwärtigen Gesellen und Betrüger und wünschte sich sogar, daß Saunders nie mehr boxen dürfe, was natürlich nicht der Fall sein wird.

Wie der britische Promoter Frank Warren in einer ersten Stellungnahme mitgeteilt hatte, werde Saunders die Sportkommission von Massachusetts wegen des Verlusts seiner Einkünfte verklagen. Die Lizenz sei ohne stichhaltige Gründe verweigert worden, weshalb man im Zweifelsfall bis vor den Obersten Gerichtshof gehen werde, um Recht zu bekommen. Warren machte geltend, daß die monierte Probe bereits im August gezogen wurde, die nachfolgenden Tests aber negativ ausgefallen seien. Die Sache sei absolut lächerlich. Fände der Kampf in England statt, hätte es überhaupt kein Problem gegeben.

Zwischen der Abgabe der Probe Ende August und der Bekanntgabe des positiven Testergebnisses am 28. September war fast ein Monat vergangen. Die Sportkommission gab erst am 10. Oktober bekannt, daß Saunders aus diesem Grund keine Lizenz erhalte. Der Sachverhalt ist auch deswegen nicht eindeutig, weil die Antidopingagentur WADA die fragliche Substanz außerhalb des Wettkampfs zuläßt, während sie von der VADA generell verboten wird. Warren wies darauf hin, daß die VADA mit ihren extrem strengen Vorgaben von der britischen Boxkommission nicht anerkannt werde. Sein Argument, daß der Kampf in England ungehindert über die Bühne gegangen wäre, ist also nicht von der Hand zu weisen. [3]

Da diese Erklärung zeitlich vor der Rückgabe des Titels und der Entschuldigung des Ex-Weltmeisters abgegeben worden war, ist offen, ob Saunders tatsächlich Klage einreichen wird. Die Abfolge der Ereignisse legt nahe, daß man nach Prüfung der Umstände und Erfolgsaussichten zu dem Schluß gekommen ist, daß der Verlust des WBO-Titels und eine Sperre nicht abzuwenden seien. Der Brite nahm das Angebot des Verbands nicht in Anspruch, Argumente zu seinen Gunsten vorzubringen, sondern legte den Titel nieder und entschuldigte sich öffentlich. Er kann deshalb damit rechnen, nicht länger als sechs Monate gesperrt zu werden, so daß er die Ausfallzeit möglichst kurz hält.


Fußnoten:

[1] www.boxingnews24.com/2018/10/kautondokwa-replaces-saunders-for-demetrius-andrade-fight-on-oct-20/

[2] www.boxingnews24.com/2018/10/billy-joe-saunders-vacates-wbo-title/

[3] www.espn.com/boxing/story/_/id/24956085/billy-joe-saunders-sue-cancelled-demetrius-andrade-fight

12. Oktober 2018


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang