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PROFI/471: Wladimir Klitschko nimmt überzeugend Revanche (SB)


Lamon Brewsters Ecke gibt den aussichtlosen Kampf auf


Wladimir Klitschko bleibt IBF-Weltmeister im Schwergewicht. Nachdem er den klar unterlegenen US-Amerikaner Lamon Brewster sechs Runden lang dominiert hatte, gab dessen Ecke den ungleichen Kampf vor dem siebten Durchgang auf, der damit als technischer K.o. zugunsten des Titelverteidigers gewertet wurde. Auch wenn das Publikum diesen Ausgang mit Unverständnis und Mißfallensäußerungen quittierte, muß man Brewsters Trainer hohe Anerkennung für eine verantwortungsbewußte Entscheidung zollen, wie man sie im Boxsport leider nur selten erlebt. Er hatte seinem Schützling bereits vor der sechsten Runde angekündigt, daß er ihn aus dem Kampf nehmen werde, sollten deutliche Impulse ausbleiben, das Blatt noch zu wenden. Zum Zeitpunkt des Abbruchs hatte der Herausforderer alle Runden verloren, viel zu viele Treffer eingesteckt und gegen Ende der Runde unter der Wucht der Schläge getaumelt. Ein Sieg war nicht mehr in Sicht.

Damit nahm der 31 Jahre alte Ukrainer erfolgreich Revanche für die Niederlage gegen Brewster vor über drei Jahren. Im ersten Kampf vom April 2004 in Las Vegas hatte Klitschko trotz klarer Führung nach Punkten plötzlich einen konditionellen Einbruch erlebt und war von Brewster in der fünften Runde zu Boden geschlagen worden. Der vakante Titel der WBO ging damit an den Amerikaner. Damals hatte Klitschko Sabotage vermutet, doch führten medizinische Untersuchungen und Ermittlungen des FBI zu keinem greifbaren Ergebnis.

Vor 19.500 Zuschauern in der ausverkauften KölnArena gingen die Kontrahenten von Anfang an entschlossen zur Sache und boten eine hohe Schlagfrequenz, wie man sie im Schwergewicht nur selten erlebt hat. Der Titelverteidiger zeigte eine konzentrierte Leistung und vermied es konsequent, sich von dem 15 Zentimeter kleineren Herausforderer in einen Nahkampf verwickeln zu lassen. Der von Emanuel Steward trainierte Champion nutzte seine größere Reichweite und bestimmte den Kampf vor allem dank seiner starken linken Führhand nach Belieben, wobei er auch zahlreiche sehenswerte Kombinationen schlug, die häufig trafen.

Schenkt man der Schlagstatistik Glauben, so hat Klitschko 346 Mal seinen linken Jab benutzt und damit 162 Mal den Kopf des Herausforderers getroffen. Zudem fanden 37 schwere Rechte ihr Ziel. Diese Bilanz veranschaulicht, wie erfolgreich der Ukrainer seine Führhand inzwischen einzusetzen versteht und wie kombinationssicher er geworden ist.

Brewster fand während des gesamten Kampfes kein Mittel, diesen ständigen Treffern zu entgehen. Er suchte sein Heil in überfallartigen Angriffen, um seinen Gegenr mit einem Schwinger zu erwischen, was ihm jedoch so gut wie nie gelang. Klitschko zeigte nur selten jenen Fluchtreflex, der ihn früher so angreifbar für einen energisch nachsetzenden Gegner gemacht hatte. Wohl wich er auf das hintere Bein aus und entzog sich damit kurzfristig dem Angreifer, doch deckte er Brewster sofort von oben zu, wenn ihm dieser tief geduckt zu nahe kam. Erfolglos versuchte der Amerikaner, sich entweder außen um Klitschkos irritierende Führhand herumzuwerfen, um womöglich einer Zufallstreffer zu landen, oder tief gebeugt unter der Deckung durchzutauchen, um in den Infight zu gelangen. Der Ukrainer hatte stets die kürzeren Wege und konnte entweder Treffer landen oder den Angriff sofort abblocken, bis das Trennkommando kam.

Zwar versuchte der Herausforderer durch starkes Pendeln im Oberköper, Vorteile zu erwirtschaften, doch hat der Champion inzwischen seinen linken Jab so perfektioniert, daß er ihn wesentlich weniger als früher signalisiert und immer wieder in die gegenläufige Pendelbewegung des Gegners hinein schlägt. Dies sieht dann von außen so aus, als halte Brewster den Kopf ständig hin und habe gar nicht mehr vor, die ständiger Treffer im Gesicht zu vermeiden. Suchte er aber die von Klitschko besetzte Mitte mit einem Ausfall zu umgehen, um seine gefährliche Linke einzusetzen, mit der er schon viele Gegner ausgeschaltet hat, warf er sich buchstäblich in die Rechte des Ukrainers, der diese schnell und hart einsetzte, Lamon Brewster bewies enorme Nehmerqualitäten und hielt den heftigen Treffern stand, auch wenn ihn diese mitunter ins Stolpern brachten, doch zeichnete sich ein vorzeitiges Ende immer deutlicher ab.

So mußte Brewster im 37. Profikampf die vierte Niederlage hinnehmen. Für Klitschko, der seit April vergangenen Jahres Weltmeister der IBF ist, war es die dritte erfolgreiche Titelverteidigung und der 49. Sieg des Olympiasiegers von 1996.

Wie sich herausstellte, hatte sich Klitschko bereits in der ersten Runde eine Verletzung an der linken Führhand zugezogen. Diese wurde bei einer nachfolgenden Untersuchung in einem Kölner Krankenhaus als Haarriß in einem Mittelhandknochen diagnostiziert. Die linke Hand des Ukrainers bleibt die nächsten vier Wochen in Gips.

Nun strebt Wladimir Klitschko einen Titelvereinigungskampf mit dem Weltmeister eines anderen Verbandes an. Zudem möchte er versuchen, gemeinsam mit seinem vier Jahre älteren Bruder Schwergewichts-Champion zu sein. Der lange Zeit verletzte Ex-Weltmeister Vitali Klitschko trifft im September in München bei seinem Comeback auf den Amerikaner Jameel McCline und hofft bei einem Sieg auf einen anschließenden Kampf um die Weltmeisterschaft.

8. Juli 2007