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PROFI/490: Peinliche Flucht Johnsons ärgert Punktsieger Klitschko (SB)


Herausforderer blieb auch nach dem Trauerspiel ein Maulheld


Luan Krasniqi, der als Experte für den übertragenden Kölner Privatsender RTL das Trauerspiel in der Berner PostFinance-Arena kommentierte, faßte seine Analyse in dem Satz zusammen: "Johnson wollte nur überleben." Vergebens feuerten die 17.000 Zuschauer Weltmeister Vitali Klitschko an, den fortgesetzt flüchtenden Herausforderer zu stellen und ihm den Garaus zu machen. Die Nummer 26 der unabhängigen Weltrangliste im Schwergewicht machte nicht die geringsten Anstalten, selber Champion zu werden, wozu es natürlich eigener Angriffe und Treffer bedurft hätte.

Den Schlußgong zu erreichen, schien das einzige Ziel des 30 Jahre alten Kevin Johnson aus Atlanta zu sein, und so verschwand er hinter seiner Deckung, pendelte ausgiebig, tauchte mit dem Kopf nicht selten auf Bauchhöhe des Ukrainers ab und suchte auf dem hinteren Bein das Weite. Andererseits fehlten Klitschko aber auch die Mittel, einen ständig fliehenden Gegner zu fassen zu bekommen. Er agierte zu übersichtlich und statisch, wobei insbesondere seine gefürchtete rechte Schlaghand kaum ein Ziel fand, da der Herausforderer ihre Reichweite erfolgreich mied.

Wenngleich es zu den fundamentalen Voraussetzungen eines guten Boxers gehört, sich nicht treffen zu lassen, sollten sich doch die eigenen Angriffe nicht wie bei Johnson auf verbale Ausfälle im Ring beschränken, die ihm Referee Kenny Bayless aus den USA durchgehen ließ. Johnson, der Klitschko vor dem Kampf als "häßlichen Zombie" beschimpft hatte, provozierte den Ukrainer auch während ihres Duells, so daß sich der Ukrainer nach dem Schlußgong wutentbrannt dicht vor ihm aufbaute und von seinem Bruder beruhigt werden mußte, der dazwischenging.

Wie einseitig der Kampf verlief, unterstreicht auch die Wertung der Punktrichter (120:108, 120:108, 119:109), von denen nur einer Johnson gnädigerweise eine Runde schenkte. Ein klarer Sieg und eine weitere erfolgreiche Titelverteidigung für Vitali Klitschko, der sich seinen Erfolg allerdings ganz anders ausgemalt hatte: "Ich bin wütend und enttäuscht, daß ich den Jungen für seine Sprüche nicht bestrafen und ausknocken konnte. Ich wußte aber, daß er schwer zu treffen ist. Er war der unangenehmste Gegner, den ich je geboxt habe."

Trainer Fritz Sdunek griff zu noch drastischeren Worten und schimpfte: "Gegen so einen Feigling boxen wir nie wieder. Wir haben viele seiner Kämpfe gesehen und hätten gedacht, daß er wenigstens ab und zu mal richtig reingeht. Aber da kam nichts." Auch Wladimir Klitschko fällt ein hartes Urteil: "Wer so ein großes Maul hat und dann so feige boxt, der hat keine zweite Chance verdient."

Vitali Klitschko verbesserte dank dieses Erfolgs seine Bilanz auf 39 Siege (davon 37 Knockouts) und zwei Niederlagen. Nach vier Jahren Pause hatte er sich den WBC-Titel im Herbst 2008 durch einen Sieg über Samuel Peter zurückgeholt und dann in diesem Jahre gegen Juan Carlos Gomez, Chris Arreola und nun auch Kevin Johnson erfolgreich verteidigt. Letzterer mußte in seinem 24. Profikampf die erste Niederlage einstecken, wobei er von seinen 22 Erfolgen lediglich neun vorzeitig erzielen konnte. Dies läßt darauf schließen, daß der US-Amerikaner zu jener Sorte Boxern gehört, die andern weniger den Kampf bieten, als ihn zu verderben, und dabei selbst auf ihre Kosten kommen.

Womöglich noch verwunderlicher als die peinliche Vorstellung des Herausforderers im Ring war allerdings seine Pose auf der anschließenden Pressekonferenz. Er habe bereits in den ersten beiden Runden gesehen, daß er Klitschko "locker und ohne Probleme in Stücke hauen" könne, phantasierte der Amerikaner. Einzig eine Blessur am linken Ellenbogen habe ihn davon abgehalten, seinen Jab öfter einzusetzen. "Ich wußte, daß Klitschko mich niemals ausknocken kann. Ich bin der schnellste Schwergewichtler der Welt. Wenn ich fit bin, werde ich Weltmeister sein", setzte der Maulheld der Dreistigkeit die Krone auf. Klitschkos Manager Bönte war derart verärgert, daß er die Pressekonferenz mit den Worten beendet: "Dieses Gequatsche muß ich mir nicht länger anhören!"

Zu den Verlierern des unrühmlichen Kapitels Boxgeschichte in Bern zählte Timo Hoffmann. Die sogenannte "deutsche Eiche" büßte nach neun Jahren den Nimbus ein, als einziger gegen Vitali Klitschko nur nach Punkten verloren zu haben. Ihm gelang dieses Kunststück seinerzeit allerdings nicht durch Flucht wie Kevin Johnson, sondern mittels einer robusten Standfestigkeit, die selbst härteste Treffer Klitschkos nicht erschüttern konnten.

14. Dezember 2009