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PROFI/492: Arthur Abraham gegen Andre Dirrell disqualifiziert (SB)


Berliner wegen unerlaubten Nachschlagens aus dem Kampf genommen


Arthur Abraham hat in der Joe-Louis-Arena von Detroit den zweiten Kampf im Super-Six-Turnier der sechs weltbesten Supermittelgewichtler durch Disqualifikation verloren. Wegen unerlaubten Nachschlagens brach der US-amerikanische Ringrichter Laurence Cole das Duell mit Andre Dirrell nach einer Minute und 13 Sekunden der elften Runde ab, da der Berliner dem nach einem Ausrutscher am Boden kauernden Gegner einen Schlag an die Schläfe versetzt hatte, der den Lokalmatador kampfunfähig zu Boden fallen ließ. Damit verpaßte Abraham den vorzeitigen Einzug ins Halbfinale des Turniers, während der 26jährige Andre Dirrell nach seiner Auftaktniederlage gegen den Briten Carl Froch jetzt zwei Punkte auf dem Konto hat und den 19. Sieg im 20. Kampf feiern konnte.

Trotz seiner ersten Niederlage im 32. Profikampf führt der 30jährige aus dem Sauerland-Boxstall die Turnierwertung weiter mit drei Punkten an, da er den Auftaktkampf gegen Jermain Taylor im vergangenen Jahr durch K.o. gewonnen hatte. In der Tabelle folgen Dirrell mit zwei Punkten aus zwei Kämpfen sowie der britische WBC-Weltmeister Carl Froch und WBA-Champion Andre Ward aus den USA, die bisher nur einen Kampf bestritten haben, aber ebenfalls über zwei Punkte verfügen. Punktlos am Tabellenende rangieren Mikkel Kessler aus Dänemark und Alan Green aus den USA. Jeder Boxer bestreitet in der Vorrunde drei Kämpfe, wobei es für einen K.o.-Sieg drei Punkte, zwei für einen Punktsieg und einen für ein Unentschieden gibt. Der Austragungsmodus sieht zudem vor, daß nach den drei Kämpfen der Vorrunde die vier punktbesten Boxer ins Halbfinale des mit 50 Millionen Dollar dotierten Turniers einziehen.

Abraham lag zum Zeitpunkt des Abbruchs auf den Zetteln der Punktrichter deutlich zurück, da er gegen den schnelleren und technisch überlegenen Dirrell nur selten ein Mittel fand. Der Amerikaner, der meistens in der Rechtsauslage boxte, kam zunächst häufiger mit seinen linken Händen durch. Er war über weite Strecken nicht nur der aktivere Boxer, sondern setzte auch wesentlich mehr Treffer.

Der frühere IBF-Weltmeister im Mittelgewicht mußte zunächst eine Viertelstunde warten, weil sich der Beginn des Hauptkampfs aus unerfindlichen Gründen verzögerte. Als es in der nur spärlich gefüllten Arena bereits unruhig wurde, rief der Ringsprecher ihn endlich in die Halle. Abraham begann erneut sehr defensiv und wurde nach zwei Runden von Trainer Ulli Wegner ermahnt, aggressiver zur Sache zu gehen. Dirrell boxte wie schon gegen Carl Froch sehr flexibel, wechselte ständig die Auslage und traf häufiger. In der dritten Runde sah es dann so aus, als würde der Berliner langsam auftauen, da er nach zwei starken Linken zum Kopf des Gegners auch noch eine Rechte ins Ziel brachte. Doch bereits im Gegenzug traf der der US-Amerikaner mit der Linken den Kopf des Berliners, der zu Boden ging und angezählt wurde. Abraham wirkte danach geraume Zeit konsterniert und mußte in der Folge weitere Treffer des aktiveren Dirrell einstecken, wobei ihn von der siebten Runde an auch noch eine blutende Rißwunde über dem rechten Auge behinderte.

Abraham erhöhte nun den Druck und wurde immer gefährlicher. Er vertraute auf seine Schlagwirkung und suchte den K.o., konnte seinen Rivalen aber selten stellen. Trainer Ulli Wegner versuchte seinen Schützling in den Ringpausen zu motivieren und schärfte ihm ein, zum Körper zu gehen und auf der Innenbahn zu boxen. "Komm, reiß dich jetzt zusammen. Glaube an dich, es ist noch nicht alles vorbei", trieb er seinen Boxer vor der zehnten Runde an. Daraufhin schickte Abraham seinen Gegner tatsächlich zu Boden, doch der Ringrichter wertete die Situation nicht als Niederschlag. Aus seiner Sicht wurde der Bodenkontakt nicht nur durch den Schlag, sondern auch durch einen Stolperer verursacht.

Arthur Abraham, der bekanntlich bis zur letzten Sekunde eines Kampfs für einen K.o.-Sieg gut ist, suchte weiter die Entscheidung, wozu es jedoch nicht in seinem Sinn kam. Im elften Durchgang rutschte Dirrell in der blauen Ecke aus. Der Berliner erkannte die Situation zu spät und traf den inzwischen im Ringstaub knieenden Amerikaner mit einem fulminanten rechten Haken am Kopf.

Nach dem Kampf wollte Abraham zunächst von einer Schuld nichts wissen: "Was soll ich denn machen? Ich bin ein Boxer. Da geht es darum, zu treffen. Wenn der andere aufgestanden wäre, hätte er mich getroffen. Der Kampfrichter hat Dirrell schon beim ersten Mal nicht angezählt. Der war doch parteiisch", sagte er in der ARD. "Meine Taktik sah vor, daß ich langsam anfange. Es war sehr schwer, die Distanz zu überbrücken und ihn zu stellen. Doch nachdem ich die Anfangsphase ein wenig verschlafen hatte, fand ich immer besser in den Kampf. Ab der achten Runde habe ich ihn immer besser getroffen. Ich glaubte, daß ich den Kampf noch gewinne", schilderte er später seine Eindrücke. "Mit einem solchen Ende hätte ich nie gerechnet." In der entscheidenden Situation habe er nicht auf die Beine, sondern nur auf den Kopf seines Gegners geschaut und zugeschlagen. "Der Ringrichter ging nicht dazwischen. Ich habe auch kein Kommando vernommen. Ich wußte nicht, daß er auf den Knien war. Ich wünsche Andre von Herzen alles Gute."

Promoter Wilfried Sauerland sprach auf der anschließenden Pressekonferenz, zu der Dirrell nicht erschienen war, von einem packenden Kampf. "Ich bin mir sicher, daß Arthur noch durch K.o. gewonnen hätte. Wir haben uns viele Dirrell-Kämpfe angeschaut. Er hat sich immer wieder abgeduckt. Ich muß Arthur verteidigen. Ich habe auch nicht genau gesehen, ob Dirrell jetzt mit dem Knie unten war oder nicht. Wir müssen uns die entscheidende Situation noch einmal in Ruhe angucken und werden dann gegebenenfalls reagieren." Andre Dirrell verpaßte im Eifer des Gefechtes die unter den Promotern vereinbarte Dopingprobe und ließ sich zur Untersuchung ins Krankenhaus einliefern.

28. März 2010