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PROFI/503: Odlanier Solis verletzt - Erstrundensieg für Vitali Klitschko (SB)



Die angekündigte Schlacht fand erst auf der Pressekonferenz statt

Die Titelverteidigung Vitali Klitschkos gegen den hoch gehandelten Kubaner Odlanier Solis fand ein frühes Ende. Vor 19.000 Zuschauern in der Kölnarena hatte der Pflichtherausforderer mutig begonnen und die erste Runde offen gestaltet. Dann geriet er jedoch nach einem kurzen rechten Haken des WBC-Weltmeisters an seine linke Schläfe ins Taumeln und zog sich im Fallen eine Verletzung am Knie zu. Der Olympiasieger von Athen 2004 kam zwar wieder auf die Beine, doch stand er so schwankend, daß ihn Ringrichter Guadalupe Castro zunächst anzählte und dann nach genau 3:00 Minuten der ersten Runde aus dem Kampf nahm.

Nach diesem Erfolg hat Vitali Klitschko 42 Siege und zwei Niederlagen auf dem Konto, wobei er 39 Gegner vorzeitig bezwingen konnte. Odlanier Solis mußte sich nach 17 gewonnenen Profikämpfen erstmals geschlagen geben. Wie der Kubaner noch im Ring erklärte, habe er einfach Pech gehabt und einen falschen Schritt getan. Klitschko hatte zunächst angenommen, Solis simuliere lediglich, revidierte mit einigem Abstand aber seine Einschätzung. Wie er einräumte, habe er dem Kubaner keinen "Blackout-Treffer" versetzt. Der 34jährige Wladimir Klitschko freute sich über den Blitzsieg seines älteren Bruders, auf dessen Leistung er sehr stolz sei. Vitali habe erneut bewiesen, daß er der stärkste Mann der Welt sei.

Wie die Arena Box-Promotion mitteilte, wurde bei einer ersten Untersuchung in der Uniklinik Köln ein Riß des vorderen Kreuzbandes, ein Außenmeniskusriß und ein Knorpelschaden diagnostiziert. Eine Arthroskopie soll darüber Aufschluß geben, ob eine Operation erforderlich ist. In jedem Fall fällt der 30jährige Kubaner damit monatelang aus, wobei vorerst ungewiß ist, ob er seine Karriere danach fortsetzen kann.

Laut Arena-Sprecher Malte Müller-Michaelis hatte Solis bereits vor dem Kampf Probleme mit dem rechten Knie. Man habe jedoch von einem operativen Eingriff Abstand genommen, um den Kampf nicht zu gefährden. Auch Manager Jose Perez habe Kenntnis von dieser Vorschädigung gehabt, doch ebenfalls daran geglaubt, daß mittels ausreichenden Trainings die Muskulatur das Knie stabilisieren werde.

Die Zuschauer hatten zwischen 25 und 800 Euro für eine Eintrittskarte bezahlt und reagierten in ihrer Enttäuschung mit einem nicht enden wollenden Pfeifkonzert auf den frühzeitigen Abbruch des Spektakels. Der 39 Jahre alte Klitschko entschuldigte sich ein ums andere Mal für seinen unvorhersehbar raschen Sieg. Er sei von einer Schlacht ausgegangen und habe nicht mit diesem viel zu kurzen Auftritt gerechnet. Es tue ihm leid für die Fans, zumal er nicht für sich, sondern für sie kämpfe. "Es lag heute nicht an mir. Ich hätte dem Publikum sehr gerne mehr Show geboten", beteuerte er mehrfach während der anschließenden Pressekonferenz.

Der Geschäftsführer der Kölner Sporthalle überreichte dem Ukrainer den "Sold-Out-Award", einen eigens für diesen Samstagabend geschaffenen Preis, der Klitschko für die ausverkaufte Boxveranstaltung auszeichnete, aber unter diesen Umständen natürlich fehl am Platz war. Bernd Bönte, der Manager der Klitschkos, erklärte, daß Boxen nun einmal unberechenbar sei. Ein Lucky Punch, und alles sei zu Ende. Eine Ermäßigung für die Kölner Besucher auf künftige Auftritte Klitschkos sei nicht vorgesehen und werde es auch nicht geben: "Auch wenn es mir für die Zuschauer sehr leid tut, daß sie heute nur ein solch kurzes Erlebnis hatten."

Promoter Ahmet Öner forderte eine Revanche: "Wenn Vitali ein echter Mann ist - und er bis dahin noch nicht zurückgetreten ist -, tritt er danach noch einmal gegen Solis an. Jeder, der etwas von Boxen versteht, hat gesehen, wie gut Odlanier angefangen hat. Und ich kann mir nicht vorstellen, daß Vitali stolz auf einen Sieg ist, der auf einem Unfall und einer Verletzung beruht. Er stand auch schon auf der anderen Seite und weiß, wie bitter das ist."

Zur angekündigten Schlacht kam es erst auf der nachfolgenden Pressekonferenz, bei der Ahmet Öner und Klitschkos Manager Bernd Bönte verbal aneinander gerieten. Der hitzige Wortwechsel eskalierte zu gegenseitigen Beschimpfungen und Drohungen auf niedrigstem Niveau, wobei sich die Kontrahenten zunächst auch durch Interventionen aus dem Umfeld nicht beruhigen ließen. Bönte hegt eine abgrundtiefe Abneigung gegen Öner, der ihn seinen Angaben zufolge dreimal geschlagen und seine Familie bedroht hat. Ahmet Öner ist für seine Ausfälle bekannt und war im vergangenen Jahr wegen Erpressung, Körperverletzung und Nötigung zu einer 22monatigen Bewährungsstrafe verurteilt worden. Klitschko waren die Entgleisungen sichtlich peinlich, die er als "eine private Sache zwischen Menschen" bezeichnete. Er wolle auf der Pressekonferenz keine schmutzige Wäsche waschen.

Auf der Website des Arena-Boxstalls stellt Öner seine Version des Geschehens dar und berichtet, er habe Informationen zur ersten Diagnose der Ringärzte weitergegeben und sich eigentlich schon in Richtung Uni-Klinik verabschiedet. Bönte habe es aber für nötig gehalten, ihn zu beleidigen und von "peinlichen Ausreden" zu sprechen. Deshalb sei er noch einmal in den Presseraum zurückgekehrt und habe Bönte lautstark mitgeteilt, was er von seiner Art halte. "Natürlich habe ich überreagiert, aber ich habe einfach kein Verständnis für dieses Verhalten und kann es auch nicht tolerieren. Was soll ich von einem Menschen halten, der einen Sieg aufgrund einer Verletzung so überschwenglich feiert und den verletzten Sportler und dessen Team beschimpft? Das ist unsportlich. Sowas gehört sich einfach nicht. Wir sprechen hier von der Gesundheit eines Menschen. Jetzt geht es erst mal nur darum, daß Solis im wahrsten Sinne des Wortes wieder auf die Beine kommt. Wir werden alles dafür tun und ihn auf jede erdenkliche Weise unterstützen."

Dem Privatsender RTL bescherte der Auftritt Vitali Klitschkos in der Kölner Lanxess Arena die erwartet gute Quote, wurde er doch im Schnitt von 10,98 Millionen Zuschauern verfolgt. Das entsprach einem bemerkenswerten Marktanteil von 40,7 Prozent. In der Spitze lag die Quote sogar bei 11,54 Millionen. Allerdings entgingen durch die kurze Kampfdauer dem Sender wie auch den Klitschkos Werbeeinnahmen in beträchtlicher Höhe. Wie RTL-Sportchef Manfred Loppe anmerkte, sei es schade für alle Beteiligten und natürlich für die Zuschauer, daß der Kampf ein so frühes Ende fand. Bis zu elfeinhalb Millionen schon in der ersten Runde ließen erahnen, welches Zuschauerpotential dieses Duell bei einem längeren Verlauf gehabt hätte.

20. März 2011