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PROFI/504: Arthur Abraham unterliegt Andre Ward klar nach Punkten (SB)



Im Halbfinale des Super-Six-Turniers ausgeschieden

Arthur Abraham hat gegen Andre Ward nach Punkten verloren und ist damit im Halbfinale des Super-Six-Turnier ausgeschieden. In der Freiluftarena in Carson, deren Ränge nur halb gefüllt waren, konnte der 31jährige Supermittelgewichtler aus dem Sauerland-Boxstall nur in den ersten drei Runden überzeugen. Danach ergriff der favorisierte 27 Jahre alte US-Amerikaner die Initiative, während sich die Berliner vorzugsweise hinter einer Doppeldeckung verschanzte. Erst in der Schlußphase versuchte Abraham, das Blatt mit einem Kraftakt zu wenden, wozu er jedoch keine Gelegenheit mehr bekam. Die Wertung der drei Punktrichter (120:108, 118:110, 118:111) zeugt von einem eindeutigen Verlauf dieses Kampfs.

Seit 1997 als Amateur und Profi ungeschlagen, hat sich Ward nun in 24 Profikämpfen durchgesetzt. Der Olympiasieger von 2004 bekommt es im Finale des Turniers entweder mit dem Jamaikaner Glen Johnson oder dem Briten Carl Froch zu tun, die am 4. Juni in Atlantic City aufeinandertreffen. Für Arthur Abraham stehen jetzt 32 Siege und drei Niederlagen zu Buche.

Da der Berliner in der Vergangenheit in der Auftaktphase seiner Kämpfe sehr verhalten geboxt und damit bei seinen Turnierauftritten gegen Andre Dirrell und Carl Froch frühzeitig auf die Verliererstraße geraten war, hatte Trainer Ulli Wegner seinen Schützling zu einem engagierteren Start angehalten. Diese Taktik schien zunächst aufzugehen, da Ward sichtlich Respekt zeigte und in die Defensive gedrängt wurde. Der Berliner versäumte es jedoch, diesen Druck aufrechtzuerhalten, so daß sein Gegner ab der vierten Runde die Initiative ergriff und mehrere Treffer ins Ziel brachte. Wegners Aufforderung, häufiger zum Körper des Gegners zu schlagen, setzte Abraham zwar teilweise um, doch unternahm er viel zu wenig, um Ward in die Parade zu fahren.

Nun war Ward in seinem Metier, konnte er doch aus der Distanz schlagen und den Kampf durch Abtauchen oder Klammern verhindern, falls Abraham ihm zu nahe kam. Diese Verfahrensweise macht ihn zu einem unangenehmen und selbst beim US-Publikum nicht sonderlich beliebten Boxer, der sich jedoch vor allem deshalb auch gegen gefährlich eingeschätzte Kontrahenten durchsetzt, weil er ihre Stärken mit Aktionen am Rande der Regelwidrigkeit neutralisiert, soweit ihn der Ringrichter gewähren läßt.

Leider scheint Ward die Referees stets auf seiner Seite zu haben, was schon der Däne Mikkel Kessler bei den fortgesetzten und nie geahndeten Kopfstößen des Kaliforniers zu spüren bekam. So mußte Abraham in der zehnten Runde mehrere Tiefschläge hinnehmen, ohne daß Ringrichter Luis Pabon sie registriert hätte. "Was soll ich denn noch sagen? Du machst es ja doch nicht", sagte Wegner entmutigt vor der letzten Runde. "Laß die Fäuste fliegen!" Im zwölften Durchgang bäumte sich der Berliner noch einmal auf und traf etwa eine Minute vor dem Schlußgong mit einem linken Haken, der Wirkung bei Ward zeitigte. Der US-Amerikaner ließ sich jedoch die Butter nicht mehr vom Brot nehmen und brachte den Kampf unbeschadet nach Hause, den er dank seiner deutlich größeren Aktivität und höheren Trefferzahl verdient gewann.

Arthur Abraham steht nach der dritten Niederlage in den letzten vier Kämpfen vor einem Scherbenhaufen und hat den Anschluß an die Weltspitze verloren. Böse Zungen sprachen sogar von einem möglichen Ende seiner Karriere, was jedoch verfrüht wäre. Wollte man die Laufbahn des Berliners im Handstreich retten, böten sich unter anderem Kämpfe gegen die in Deutschland lebenden Weltmeister Robert Stieglitz (WBO) und Dimitri Sartison (WBA) an.

Wie Abraham in einer ersten Einschätzung seiner Niederlage bilanzierte, habe er gut angefangen, aber Ward mit Gewalt k.o. schlagen wollen und sich deswegen verkrampft. Der Amerikaner sei aktiver zu Werke gegangen und habe deshalb gewonnen. Die Annahme, man könne in den USA nicht nach Punkten gewinnen und müsse deshalb unbedingt einen Niederschlag herbeiführen, sei ein Fehler gewesen. Nun würden sich Trainer und Manager zusammensetzen, um zu beraten, wie es weitergehen soll.

Ulli Wegner, der nach der Niederlage gegen Carl Froch seinem Naturell freien Lauf gelassen und mit seiner Enttäuschung über den mangelnden Kampfgeist seines Schützlings nicht hinter dem Berg gehalten hatte, erlegte sich diesmal offensichtlich Zurückhaltung auf. Arthur habe sein Leistungsvermögen nicht abrufen können. Zwar sei es ihm gelungen, die ausgearbeitete Strategie zunächst recht gut umzusetzen, doch habe er bei seinen Schlägen zu weit ausgeholt: "Er hat genau das gemacht, was er nicht machen soll. Wir haben im Trainingslager sehr hart gearbeitet." Er sei schon sehr enttäuscht, wolle aber zunächst keine große Analyse vornehmen, da er erst einmal mit sich selbst klarkommen müsse, schloß der 69jährige Trainer.

Andre Ward räumte ein, daß Abraham sehr entschlossen gewesen sei und auf einen Sieg gedrängt habe. Deshalb sei es nicht gelungen, die eigene Strategie hundertprozentig umzusetzen. Wenn man gegen einen so harten Puncher boxe, könne man sich erst am Ende des Sieges sicher sein.

Da sich aus der armenischen Gemeinde zahlreiche Unterstützer eingefunden hatten, stärkte die Mehrzahl der Zuschauer im Tennisstadion des Home Depot Centers in Carson vor den Toren von Los Angeles Abraham den Rücken, der davon jedoch nicht profitieren konnte. Wards Trainer Virgil Hunter riet ihm zu einer Rückkehr ins Mittelgewicht, wo er ungeschlagen und von Dezember 2005 bis zu seinem freiwilligen Verzicht im Herbst 2009 Weltmeister der IBF gewesen war. Der Berliner will jedoch unbedingt im Supermittelgewicht bleiben, da er sich damals vor seinen Auftritten jedesmal der Tortur einer enormen Gewichtsreduzierung unterziehen mußte, die zuletzt auch zu Lasten seiner körperlichen Verfassung im Ring ging.

Sauerland Event hat erst vor kurzem mit dem Mittelgewichtler Sebastian Sylvester einen Weltmeister verloren und sieht nun Abraham als Sympathieträger wiederum schwer beschädigt. Sebastian Zbik, der seinen Titel im Mittelgewicht in drei Wochen in Los Angeles verteidigt, verfolgte Abrahams Auftritt vor Ort. Seine Kollegenschelte, der Berliner habe erneut ziemlich hilflos ausgesehen, ist nicht von der Hand zu weisen. Wie der Schweriner hervorhob, suche er selbst den Erfolg über das Boxen und nicht nur "mit Hauen". Damit hat er den wunden Punkt getroffen, da Abraham offensichtlich vor nahezu unüberwindlichen Problemen steht, wenn er seine Kampfesweise variabler gestalten soll, um mit der Weltspitze im Supermittelgewicht mithalten zu können.

15. Mai 2011