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PROFI/508: Alexander Powetkin neuer WBA-Weltmeister im Schwergewicht (SB)



Einstimmiger Punktsieg gegen Ruslan Tschagajew in Erfurt

Alexander Powetkin ist neuer WBA-Weltmeister im Schwergewicht. Der 31 Jahre alte Russe aus dem Berliner Sauerland-Boxstall besiegte in Erfurt den bei Universum unter Vertrag stehenden Usbeken Ruslan Tschagajew einstimmig nach Punkten (116:112, 117:113, 117:113) und sicherte sich damit den regulären Titel des Verbands. Wladimir Klitschko hatte dem Briten David Haye diesen Gürtel abgenommen und wird seither als Superchampion der WBA geführt. Während Powetkin, der 2004 in Athen Olympiasieger geworden war, nunmehr in 22 Profikämpfen unbesiegt geblieben ist, stehen für Tschagajew jetzt 27 gewonnene und zwei verlorene Kämpfe sowie ein Unentschieden zu Buche.

Ruslan Tschagajew war 2007 durch einen Sieg gegen Nikolai Walujew in Stuttgart WBA-Weltmeister geworden. Im Juni 2009 unterlag er Wladimir Klitschko. In Erfurt blieb es ihm versagt, noch einmal auf den Thron des Champions zurückzukehren. Powetkin war bei der IBF in der Vergangenheit Pflichtherausforderer des Ukrainers gewesen, mußte aber den Titelkampf zweimal absagen. Im ersten Fall hinderte ihn eine Trainingsverletzung am Auftritt, beim zweiten Anlauf erzielten die beiden Parteien keine Einigung über den Vertrag. Zudem mußte Powetkin zu dieser Zeit mit dem Tod seines Vaters fertig werden.

Vor 4300 Zuschauern in der nicht ganz ausverkauften Erfurter Messehalle fand Powetkin schneller in den Kampf, setzte seine linke Führhand häufiger ein und traf Tschagajew in der ersten Runde mit einer Kombination sowie einer Rechten. Nach einem insgesamt verhaltenen Auftakt, bei dem sich die Gegner gegenseitig abgetastet hatten, boxte der Russe flüssiger und kam im dritten Durchgang mit einem linken Haken zum Körper durch. Dann schien sich das Blatt zu wenden, denn in der fünften Runde brachte der Usbeke seinen Gegner ins Wanken. Nach zwei weiteren schweren Treffern des Rechtsauslegers im sechsten Durchgang schien der Russe am Rande eines Niederschlags zu stehen, doch rettete er sich in die Pause. Wäre es Tschagajew gelungen, in dieser Phase energisch nachzusetzen, hätte ihm ein vorzeitiger Sieg gewinkt.

Trainer Teddy Atlas wußte, was die Stunde geschlagen hatte, und packte seinen Schützling in der Pause zur siebten Runde bei der Ehre. Er erinnerte ihn an den im Vorjahr verstorbenen Vater und schrie ihn an, er könne diese Chance nutzen und heute Geschichte schreiben. Die Standpauke zeigte Wirkung, denn obwohl der Russe offenbar konditionell nicht mehr aufzubieten hatte als sein Gegner, erkämpfte er die Initiative zurück. Vom achten Durchgang an setzte sich Powetkin von der Ringmitte aus wieder besser in Szene, und auch der folgende Durchgang ging an ihn. Zwar blieb Tschagajew mit seiner linken Schlaghand gefährlich, doch unternahm er in dieser Phase einfach zu wenig, um die zwischenzeitlich gewonnene Überlegenheit zu seinen Gunsten zu nutzen. In der zehnten Runde mußte der Usbeke eine schwere Rechte verkraften, aber Powetkin gelang es nicht, daraus Kapital zu schlagen. Tschagajew, der nach Punkten klar im Rückstand lag, hätte nur noch mit einem Niederschlag die Entscheidung zu seinen Gunsten herbeiführen können. Indessen boxte der Russe seinen Vorsprung sicher nach Hause.

Wie Alexander Powetkin nach seinem Titelgewinn bilanzierte, sei es gleich zu Anfang des Kampfs recht gut gelaufen. Das Gefühl, in Führung zu liegen, habe ihm Sicherheit gegeben. Dann sei es allerdings im weiteren Verlauf hin und her gegangen. Er habe jedoch durchweg den Eindruck gehabt, die Oberhand zu behalten, so daß sein Sieg verdient gewesen sei. Er habe sehr großen Respekt vor Ruslan, der ein harter und geduldiger Kämpfer sei: "Das war heute wirklich schwer für mich. Aber ich habe alles gegeben und bin stolz, jetzt Weltmeister zu sein."

Promoter Kalle Sauerland, der Powetkin vor sechs Jahren ins Team geholt hatte, sprach von einem langen Weg, den der Russe zurückgelegt habe. Zumal nach dem Tod des Vaters im vergangenen Jahr sei es auf und ab gegangen. Jetzt habe Alexander sein Ziel erreicht.

Ruslan Tschagajew sagte im anschließenden Interview, es sei nicht sein Tag gewesen. Doch das Leben gehe weiter. Er verspreche zurückzukommen und noch einige gute Kämpfe zu bestreiten. Alexander habe stark geboxt und sei verdient Weltmeister geworden. Trainer Michael Timm zeigte sich unmittelbar nach der Niederlage enttäuscht. Er gratuliere Alexander Powetkin zu seinem Sieg. Ruslan habe leider die Chance nicht genutzt und die letzte Konsequenz in seinen Aktionen und den Willen, den Kampf zu entscheiden, vermissen lassen. Diese Niederlage tue sehr weh.

Superchampion Wladimir Klitschko muß innerhalb der nächsten 18 Monate seinen Titel gegen den neuen WBA-Weltmeister und Pflichtherausforderer Alexander Powetkin verteidigen. Das Management des Russen schätzt die Aussichten jedoch eher pessimistisch ein. Er glaube nicht, daß die Klitschkos ein Angebot machen, das man akzeptieren könne, sagte Sauerland-Geschäftsführer Christian Meyer unmittelbar nach dem Kampf. Die Ukrainer seien für Knebelverträge bekannt. Umgekehrt ließ auch der Manager der Klitschkos, Bernd Bönte, in seiner jüngsten Stellungnahme wenig Interesse an diesem Duell erkennen. Davon abgesehen dürfte Trainer Teddy Atlas, der bislang mit seinem vorsichtigen Aufbau Powetkins recht behalten hat, noch viel Arbeit mit seinem Boxer vorhalten, ehe man sich an Klitschko heranwagen könne.

Ins Gespräch gebracht hat sich Exweltmeister Evander Holyfield, der über gute Beziehungen zu Sauerland Event verfügt und nicht zufällig in Erfurt am Ring saß. Der 48jährige war in den letzten Tagen von den Medien mit dem Wunsch zitiert worden, er wolle den Sieger herausfordern, um noch einmal Champion zu werden. Wenngleich man heutzutage im Boxgeschäft nichts mehr für ausgeschlossen erklären sollte, müßte der US-Amerikaner doch zumindest in die Top 15 der WBA vorstoßen, um die formale Voraussetzung für einen Anwärter bei einer freiwilligen Titelverteidigung Powetkins zu erfüllen.

In Frage käme auch David Haye, auf den Sauerland ebenfalls Optionen hat, was ein Zustandekommen des Kampfs gegen Powetkin sicherlich erleichtern würde. Der 30jährige Brite wollte eigentlich die Karriere nach seinem Geburtstag im Oktober beenden, doch hat er bereits mit Blick auf die erhoffte Revanche gegen Wladimir Klitschko einen halben Rückzieher gemacht. Wenngleich der Ukrainer dieser Option definitiv eine Absage erteilt hat, könnte Haye im Falle eines Sieges gegen Powetkin als neuer Pflichtherausforderer einen Rückkampf mit Klitschko erzwingen.

28. August 2011