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PROFI/516: Felix Sturm bringt seine Kritiker zum Schweigen (SB)




Sebastian Zbik gibt nach der neunten Runde auf

Felix Sturm hat den Titel des Superchampions der WBA im Mittelgewicht vor 13.000 Zuschauern in der Kölner Lanxess Arena erfolgreich verteidigt. In einem attraktiven Kampf auf hohem Niveau mußte sich sein ehemaliger Teamkollege Sebastian Zbik durch Aufgabe nach der neunten Runde geschlagen geben. Während der Weltmeister nach durchwachsenen Leistungen bei seinen letzten Auftritten diesmal eine souveräne Vorstellung bot und die Kritiker zum Schweigen brachte, steht der 30 Jahre alte Herausforderer aus Schwerin nach diesem Rückschlag vor einer ungewissen sportlichen Zukunft. Dank der zwölften erfolgreichen Titelverteidigung verbesserte Sturm seine Bilanz auf 37 Siege, zwei Niederlagen und zwei Unentschieden, für Zbik stehen nun 30 gewonnene und zwei verlorene Kämpfe zu Buche.

Zu Beginn setzte Sebastian Zbik die Akzente, der druckvoll zu Werke ging und schöne Kombinationen schlug. Dem Titelverteidiger gelang es nicht, sich den Gegner mit seinem Jab vom Leib zu halten, der ihm auch in der Halbdistanz zusetzte. Als Sturm jedoch von der dritten Runde an die Distanz immer besser fand und seine Führhand effektiv einsetzte, verpuffte der Drang des Herausforderers zusehends, dessen Schläge nun zumeist auf der Deckung des Gegners landeten. Zwar versuchte der Schweriner, mit seinem Uppercut durchzukommen, doch boxte er längst nicht mehr so dynamisch wie in der Anfangsphase. Inzwischen gingen die klareren Treffer auf das Konto des Weltmeisters, der mit seiner Rechten des öfteren Kopf oder Körper des Gegners traf.

Da Zbik zu ermüden schien und inzwischen zu statisch agierte, fanden die Schläge Sturms ihr Ziel. Wenngleich die siebte Runde etwas ausgeglichener verlief und der Schweriner in der achten das Blatt mit der Brechstange zu wenden suchte, war dieses Strohfeuer bald verraucht. Felix Sturm, der nach Punkten deutlich in Führung lag, konnte im neunten Durchgang fast nach Belieben Maß nehmen, da sein Gegner inzwischen regelrecht erschöpft wirkte. Dennoch kam die Aufgabe in der Pause überraschend, da man eher einen Untergang mit fliegenden Fahnen oder den brennenden Ehrgeiz, zumindest alle zwölf Runden zu überstehen, erwartet hätte. Andererseits war klar, daß Zbik diesen Kampf nicht mehr gewinnen konnte, da ihm der Titelverteidiger in der Punktwertung weit enteilt war und der Herausforderer nicht über die nötige Schlagwirkung verfügt, um einen Glückstreffer zu erzwingen.

Wie Sebastian Zbik tief enttäuscht Bilanz zog, habe er zwar in der Anfangsphase gut mitgehalten, sei aber später von Felix Sturm klar geschlagen worden. Er wisse nicht, warum die Kondition derart nachgelassen habe, daß seine Beine schwach wurden. Schon nach der sechsten Runde hatte Trainer Artur Grigorian seinen Schützling zum ersten Mal gefragt, ob er noch weitermachen könne. Drei Runden später kapitulierte man gemeinsam. "Wir haben uns heute für die Gesundheit entschieden", so Zbik. Der Schweriner gratulierte dem Champion und verlieh seiner Hoffnung Ausdruck, daß die Zuschauer auf ihre Kosten gekommen seien.

Der alte und neue Weltmeister sprach nach seinem überzeugenden Auftritt im Interview mit dem übertragenden Sender Sat.1 von einer Werbung für den Boxsport. Im Vorfeld habe ein Wort das andere gegeben und dem Kampf Zündstoff geliefert. Hingegen sei das Duell dann im Ring sauber und fair verlaufen. Der Herausforderer habe sich geschickt bewegt und sehr variabel geboxt. Daher habe es eine Weile gedauert, bis er selbst in den Kampf gefunden und zunehmend Druck ausgeübt habe, so Sturm. Dies sei einer seiner schwierigsten Kämpfe gewesen, weshalb er sich um so mehr über den eindeutigen Ausgang freue.

Nachdem der Schweriner in den zurückliegenden Wochen die Stimmung angeheizt und Sturms Qualitäten wiederholt angezweifelt hatte, sah er sich nach seiner klaren Niederlage veranlaßt, "respektvoll und neidlos" anzuerkennen, daß sein Gegner an diesem Abend eindeutig der Bessere gewesen sei. Heute habe man den Unterschied zwischen einem Weltmeister und einem Superchampion gesehen, spielte Regina Halmich in ihrer Bilanz darauf an, daß Sebastian Zbik zeitweise regulärer Titelträger des WBC gewesen war.

Sturms Trainer Fritz Sdunek, der lange Jahre auch Sebastian Zbik betreut hatte, war der Ansicht, daß der Schweriner trotz der zweiten Niederlage in Folge noch nicht aufhören müsse. Der Geschäftsführer der Universum Box-Promotion, Waldemar Kluch, unterstrich, daß man Zbik nicht fallenlasse, sondern wieder aufbauen werde. Der Sportmanagement-Student will sich fürs erste auf sein Studium konzentrieren.

Felix Sturm muß nun bis zum 30. September gegen den unbesiegten Pflichtherausforderer Gennadi Golowkin antreten. Der Kasache ist regulärer Weltmeister der WBA, steht bei der Promotion der Klitschkos unter Vertrag und hat dem Superchampion des öfteren vorgeworfen, dieser laufe vor ihm weg. Golowkin sei ein hervorragender Amateur gewesen, was aber bei den Profis nicht zähle, erklärte der 33 Jahre alte Leverkusener. Als selbständiger Unternehmer kämpft Sturm nicht nur um seine sportliche Reputation, sondern in vollem Umfang auch um seine wirtschaftliche Existenz. Während die Besucherzahl in der Arena ausgezeichnet war, hielt sich die Quote bei Sat.1 am Freitagabend in Grenzen: Lediglich 3,98 Millionen Zuschauer (Marktanteil 16,9 Prozent) sahen den Kampf, obgleich dieser im Vorfeld zu einem langersehnten innerdeutschen Duell hochstilisiert worden war.

14.‍ ‍April 2012