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PROFI/525: Standhafter Mariusz Wach zu limitiert für Wladimir Klitschko (SB)




Unangefochtener Punktsieg im ersten Kampf ohne Emanuel Steward

Wladimir Klitschko hat seine Titel im Schwergewicht in Hamburg erfolgreich gegen den Polen Mariusz Wach verteidigt, den er über zwölf Runden einstimmig nach Punkten besiegte (120:108, 120:108, 119:109). Während der 36 Jahre alte Ukrainer dank dieses unangefochtenen Erfolgs seine Bilanz auf 59 gewonnene und drei verlorene Auftritte verbessern konnte, bezog der Herausforderer im 28. Profikampf die erste Niederlage. Wach war dem Weltmeister technisch klar unterlegen, zeichnete sich aber durch enorme Nehmerqualitäten aus.

Vor 15.000 Zuschauern in der ausverkauften O2-Arena legte Klitschko von Beginn an eine aggressive Kampfesweise und ein hohes Tempo vor, als wolle er seinem Gegner sofort demonstrieren, wer Herr im Ring war. Daß ihm zum ersten Mal in seiner Profikarriere ein Mann gegenüberstand, der mit 2,02 m noch größer als er selbst ist, bereitete dem Champion kaum Probleme. Allerdings machte sich Wach auch klein, lief geduckt durch den Ring und bot Klitschko damit immer wieder die Chance, Treffer am Kopf zu landen. Auch seine überlegene Reichweite wußte der Pole nicht optimal einzusetzen, so daß er sich den Weltmeister nicht vom Leib halten konnte.

Dieser traf wiederholt mit seinem starken linken Jab und kam auch mit der Rechten einige Male zum Zuge. Mariusz Wach mußte daher schon in der Anfangsphase zahlreiche Treffer einstecken und suchte sein Heil im Clinch, ohne den Champion wirklich bremsen zu können. Schon in dieser Phase zeigte sich, daß der Pole zu langsam und in seinen boxerischen Mitteln zu limitiert war, um Klitschko gefährlich zu werden. Doch selbst als dieser von der vierten Runde an auch den linken Haken immer erfolgreicher einsetzte, wackelte der robuste Herausforderer nicht.

Als Klitschko dem hohen Anfangstempo allmählich Tribut zollen mußte, kam Wach im fünften Durchgang besser zum Zuge und brachte kurz vor der Pause erstmals seine Rechte ins Ziel. Der Ukrainer geriet an den Seilen stehend in Schwierigkeiten, wich aber den folgenden Schlägen geschickt aus. Die Offensive des Herausforderers erwies sich indessen als Strohfeuer, da der Weltmeister in der folgenden Runde wieder auftrumpfte und den Kontrahenten mit wuchtigen Treffern traktierte. Im siebten Durchgang wirkte Wach erstmals leicht angeschlagen, doch konnte er sich dem nachsetzenden Champion entziehen.

In der achten Runde schien es um den Polen geschehen zu sein, der an den Seilen Treffer um Treffer einstecken mußte und beinahe aus dem Kampf genommen worden wäre. Klitschko war jedoch inzwischen konditionell so angefordert, daß sich etwas bremsen mußte, was seinem Gegner vorübergehend Luft verschaffte. Dennoch fest entschlossen, das zuvor angekündigte vorzeitige Ende herbeizuführen, fiel der Ukrainer von der zehnten Runde an wiederum über den Herausforderer her, der sich jedoch verbissen auf den Beinen hielt. Am Ende schien sich der Weltmeister damit abgefunden zu haben, daß Wach nicht mehr fallen würde, und boxte seinen klaren Punktsieg sicher nach Hause.

Im anschließenden Interview mit dem übertragenden Sender RTL erinnerte Wladimir Klitschko an seinen vor zwei Wochen verstorbenen Trainer und Mentor Emanuel Steward, dessen Geburtstag man beim vorangegangenen Kampf noch gemeinsam im Ring gefeiert habe: "Wir vermissen dich, wir lieben dich, du wirst immer bei uns sein." Am Montag wollen die Klitschkos zur Beisetzung nach Detroit fliegen. Auf den Kampf gegen Wach wurde Wladimir Klitschko von seinem Trainingspartner Johnathon Banks vorbereitet, der viele Jahre in der berühmten Boxschule Kronk eng mit Steward zusammengearbeitet hat.

Dann berichtete der Ukrainer, daß er damit gerechnet habe, Wach in der siebten Runde auf die Bretter zu schicken. Der Pole habe jedoch tapfer weitergekämpft und sich auf den Beinen gehalten. Seit seinem Kampf gegen Samuel Peter im Jahr 2005 habe er so etwas nicht mehr erlebt, lobte er Wachs Nehmerqualitäten. Er habe die harten Treffer deutlich in seinen Handschuhen gespürt, so Klitschko. Auf die kritische Situation in der fünften Runde angesprochen erwiderte der Champion, er sei zwar getroffen worden, danach aber ausgerutscht. Gegen einen größeren Gegner wie den Polen müsse man aggressiver als üblich boxen. Nicht minder wichtig sei es jedoch zu wissen, wann es Zeit ist, sich ein wenig zurückzunehmen. Dies sei nach der achten Runde der Fall gewesen, als er gespürt habe, daß Wach alles einsteckt. Wer das Tempo bestimme, der gewinne das Rennen, und diese Taktik habe er befolgt, zog der Ukrainer Bilanz.

Mariusz Wach, der geschlagen, aber stolz auf sein Durchhaltevermögen war, sprach von einem schweren Gang und einer ganz neuen Erfahrung. Wladimir sei ein großer Kämpfer, der in allen Belangen erstklassige Qualitäten mitbringe. Insbesondere die Linke des Champions sei noch stärker als erwartet gewesen. Lediglich in der fünften Runde habe er einen Augenblick lang gedacht, den Ukrainer besiegen zu können. Dann sei jedoch der Gong dazwischengekommen und habe ihn daran gehindert, entscheidend nachzusetzen. Ein Boxer glaube immer an seine Chance, den Gegner noch zu erwischen. Er sei jedoch einfach langsamer als Klitschko gewesen. Im Laufe der Zeit habe er dessen Schläge gar nicht mehr gespürt und nur gehofft, daß sein Trainer nicht auf die Idee komme, das Handtuch zu werfen. Er wolle sich nach dem wichtigsten Kampf seines Lebens dafür entschuldigen, die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllt zu haben. Das sei einfach nicht sein Tag gewesen.

Klitschko sprach seinem gesamten Team Dank für die gelungene Vorbereitung ohne Emanuel Steward aus, dessen Verlust man aufgefangen habe. Vor allem sein Trainer Johnathon Banks habe eine großartige Leistung geboten, ohne entsprechende Erfahrung sofort einen wichtigen Titelkampf zu betreuen. Johnathon habe die Aufgabe perfekt gelöst, weshalb er sehr zufrieden mit ihm sei: "Er ist nicht Emanuel, aber er ist ein guter Coach." Eigenen Angaben zufolge will sich Klitschko durch den Kopf gehen lassen, ob Banks auch künftig in seiner Ecke stehen soll.

11. November 2012