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PROFI/528: Felix Sturm sieht schweren Zeiten entgegen (SB)




Punktniederlage im Ausscheidungskampf gegen Sam Soliman

Die Krönung seines 34. Geburtstags hatte sich Felix Sturm zweifellos ganz anders vorgestellt. Er mußte sich in Düsseldorf dem als lösbare Aufgabe eingeschätzten Australier Sam Soliman knapp nach Punkten geschlagen geben und verfehlte damit sein Ziel, sich in diesem Ausscheidungskampf der IBF als neuer Pflichtherausforderer des Weltmeisters Daniel Geale in Position zu bringen. Damit nicht genug, hat der Kölner Mittelgewichtler nun drei seiner letzten vier Kämpfe verloren und sieht sportlich wie wirtschaftlich schweren Zeiten entgegen.

Zunächst machte der von Fritz Sdunek betreute Lokalmatador einen guten Eindruck und schickte seinen Gegner bereits in der zweiten Runde mit einer Rechten zu Boden. Schwer angeschlagen kam der 39jährige Australier wieder auf die Beine und konnte sich über die Zeit retten, da Sturm nicht entschlossen nachsetzte. In der Folge wirkt Soliman rasch wieder erholt und gab dem Kölner keine Gelegenheit mehr, den versäumten Griff zu vollenden. Mit einer unablässigen Abfolge schneller Schläge beschäftigte der weitgereiste Gast seinen Gegner und sorgte dank seiner unorthodoxen Kampfweise für beständige Irritationen, so daß sich Sturm nicht entfalten konnte. Dieser verlegte sich darauf, auf Konterchancen zu warten, die sich ihm jedoch zu selten boten.

Wenngleich unverzüglich Anfeuerungsrufe aufbrandeten, sobald der Favorit des Düsseldorfer Publikums einen Treffer landete, konnte Sturm kein Kapital aus diesem Rückenwind schlagen. Zwar endeten zahlreiche Angriffe des Australiers auf der Deckung des Gegners, doch reichte die deutlich höhere Aktivität aus, um den Vorsprung auf den Zetteln der Punktrichter Runde für Runde auszubauen. Recht beweglich, behende ausweichend und immer wieder abduckend bot Soliman nur selten ein Ziel für Sturms gefährliche Führhand. Fritz Sdunek erkannte den Kardinalfehler seines Schützlings, dem die Felle wegzuschwimmen drohten, und spornte ihn in der Pause an, häufiger zu schlagen, um das Blatt zu wenden.

In der zehnten Runde machte Sturm endlich eine bessere Figur und kam wiederholt mit dem linken Haken durch, doch gelang es ihm auch in dieser offensiven Phase nicht, entscheidend nachzusetzen. Als habe er sein Pulver allzu schnell verschossen, überließ er Soliman im folgenden Durchgang wieder die Initiative, der in bewährter Manier mit einer Vielzahl von Schlägen zumindest optisch das Feld beherrschte. Als die zwölfte und letzte Runde eingeläutet wurde, blieb Sturm nur noch die schwindende Hoffnung, mit einem Kraftakt den Niederschlag zu erzwingen. Das Unterfangen war nicht von Erfolg gekrönt, bot der Australier doch nach wie vor energisch Paroli.

Ringsprecher Michael Buffer verkündete schließlich die für den Lokalmatador desaströse Punktwertung von 116:111 und zweimal 114:113 zugunsten des Australiers, die im ersten Fall zu hoch, insgesamt gesehen jedoch durchaus vertretbar ausgefallen war. Wie schon bei seinen Kämpfen gegen Martin Murray und Daniel Geale hatte Sturm zu passiv geboxt und auf die gefährlicheren Einzeltreffer gesetzt, was ihn erneut den möglichen Sieg kostete. Während für ihn nun 37 gewonnene, vier verlorene und zwei unentschieden beendete Auftritte zu Buche stehen, verbesserte Sam Soliman seine Bilanz auf 43 Siege und elf Niederlagen.

Enttäuscht konstatierte Felix Sturm im anschließenden Interview mit dem übertragenden Sender Sat.1, daß dieser Gegner äußerst unbequem gewesen sei. Der Australier habe überdies Kopfstöße und Ellbogenschläge eingesetzt, wie er sich schon beim Wiegen am Vortag, zu dem er geschlagene fünf Stunden zu spät erschienen sei, auf unfaire Tricks verlegt habe. Wenngleich er selbst die klareren Treffer ins Ziel gebracht habe, müsse man anscheinend nur häufig schlagen, um zu gewinnen. Er könne jedenfalls die Wertung der Punktrichter nicht nachvollziehen, woran aber nichts zu ändern sei. Zu gern hätte er sich mit einem Sieg das schönste Geburtstagsgeschenk gemacht. Er wolle nun zunächst eine Auszeit nehmen, um sich über die nächsten Schritte klarzuwerden.

Wie die Zukunft des Kölners aussehen könnte, steht nach dieser erneuten Niederlage vollends in den Sternen. Die Chance auf einen Titelkampf gegen seinen Bezwinger Daniel Geale ist vertan, und sich erneut in den Ranglisten nach oben zu boxen, ist seine Sache nicht. Da er sich und sein Unternehmen, dessen einziges Zugpferd er bislang war, selbst vermarktet, dürften auch seine ökonomischen Optionen einen Rückschlag erfahren haben. Notnagel in dieser schwierigen Situation könnte ein Kampf gegen den regulären WBA-Weltmeister Gennadi Golowkin sein, dem der Kölner in seiner privilegierten Zeit als Superchampion dieses Verband stets aus dem Weg gegangen war.

Golowkins Manager Oleg Hermann hatte den Kampf in Düsseldorf mit Aufmerksamkeit verfolgt und kam zu dem Schluß, daß an Solimans Sieg nicht zu rütteln sei. Sturm habe die Gelegenheit, frühzeitig das Ende herbeizuführen, ungenutzt verstreichen lassen und dem 39jährigen Gegner die Initiative überlassen. Befand sich Golowkin in der Vergangenheit in der unterlegenen Position, wenn er ein ums andere Mal einen Kampf gegen Sturm einforderte, so haben sich die Verhältnisse längst ins Gegenteil verkehrt. Während der Kölner auf dem absteigenden Ast sitzt, sorgt der Kasache mit seinen Auftritten in den USA für Furore, wo er beim Publikum gut ankommt und mit seinen Kämpfen bei HBO, dem medialen Torwächter zur Luxusklasse des US-amerikanischen Boxgeschäfts, Eindruck macht.

Wie Oleg Hermann nach der beständigen Zurückweisung früherer Jahre wohl nicht ohne Genugtuung konstatiert, könne er sich nur schwer vorstellen, daß es Sturm nach einer derart langen Zeit auf der Flucht vor Golowkin am Ende doch noch wagt, mit dem längst etablierten Weltmeister in den Ring zu steigen. Zudem habe sein Schützling bei seinen letzten beiden Auftritten in den USA sehr gute Quoten auf HBO erzielt, so daß sich der Kölner schon gewaltig ins Zeug legen und ein interessantes Angebot unterbreiten müßte, um als Herausforderer akzeptiert zu werden.

Ausschließen wolle er diese Möglichkeit aber nicht, lockt Hermann mit den Worten, er glaube nicht, daß sich Sturm mit der Niederlage beim Düsseldorfer Auftritt aus dem Boxsport verabschieden werde. Dem Kölner bleibe keine andere Wahl, als sich mit einem bedeutenden Kampf wieder ins Geschäft zu bringen. Da sein Angstgegner Golowkin die Nummer eins im Mittelgewicht sei, wäre dies die denkbar spektakulärste Option für Sturm. Sollte ein Angebot des ehemaligen Superchampions eingehen, werde man es im Team eingehend prüfen und mit den HBO-Terminen abgleichen.

Fest steht, daß dieser möglicherweise letzte Ausweg Sturm sehr viel Geld kosten würde. Zudem müßte man befürchten, daß er dem auf dem Höhepunkt seines Könnens boxenden Kasachen nicht mehr gewachsen wäre. Der Kölner hat seine Gegner schon seit Jahren mit beträchtlicher Vorsicht ausgewählt und mußte sich seit längerem den skeptischen Einwand gefallen lassen, er zeige Ermüdungserscheinungen und kompensiere diese mit Kämpfen gegen gute, aber keineswegs erstklassige Kontrahenten. Nach der Niederlage gegen den 39jährigen Sam Soliman, der zudem bereits elfmal verloren hat, dürfte es Felix Sturm schwerfallen, seine Kritiker zum Schweigen zu bringen.

3. Februar 2013