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PROFI/560: Jermain Taylor nach sieben Jahren wieder Weltmeister (SB)




Sam Soliman büßt den IBF-Titel im Mittelgewicht ein

Der australische Mittelgewichtler Sam Soliman besiegte Felix Sturm im Februar 2013 nach Punkten. Das Urteil wurde aufgrund einer positiven Dopingprobe des Australier jedoch später annulliert. Am 31. Mai 2014 kam es in Krefeld zu einer Revanche, bei der sich Soliman erneut durchsetzte und damit neuer IBF-Weltmeister wurde. Bei seiner ersten Titelverteidigung traf er nun in Biloxi, Mississippi, auf den US-Amerikaner Jermain Taylor, der nach seinem Sieg über Bernard Hopkins im Jahr 2005 Weltmeister aller vier maßgeblichen Verbände im Mittelgewicht war und auf dem Höhepunkt seiner Karriere stand. Zwischen 2007 und 2009 verlor er jedoch vier von fünf Kämpfen und legte daraufhin eine längere Pause ein. Ende 2011 kehrte er in den Ring zurück und setzte sich in vier Auftritten durch, worauf er an Nummer 15 der IBF-Rangliste geführt wurde. Während der fast 41 Jahre alte Australier 44 Kämpfe gewonnen und elf verloren hatte, standen für den 36jährigen Herausforderer 32 Siege, vier Niederlagen sowie ein Unentschieden zu Buche. [1]

Berücksichtigt man, daß Taylor bei seiner Niederlage gegen Arthur Abraham zum Auftakt des Super-Six-Turniers im Oktober 2009 eine Gehirnblutung davongetragen hatte, die den Ausschlag für seine darauf folgende zweijährige Pause gab, waren die Meinungen geteilt, ob der US-Amerikaner noch einmal an seine früheren Leistungen anknüpfen könnte. Das Team Sam Solimans hatte sich offenbar nicht nur wegen einer ansehnlichen Börse von dieser Option überzeugen lassen. Taylors Name weckte glanzvolle Erinnerungen, doch schien der frühere Weltmeister ein Gegner zu sein, den man durchaus schlagen konnte.

Taylors Trainer Pat Burns unterstrich im Vorfeld des Kampfs, daß man stets eine erneute Titelchance angestrebt habe. Solche Gelegenheiten seien jedoch sehr dünn gesät, weshalb sein Schützling um so glücklicher sei, den Zuschlag bekommen zu haben. Ihm sei bewußt, daß manche Kritiker der Auffassung sind, Taylor habe diese Chance nicht verdient, aber das spiele für ihn keine Rolle. Er vertraue nach ihrer guten Vorbereitung darauf, daß Jermain gewinnen werde.

Beim Titelkampf in Biloxi unterstrich Jermain Taylor in der Tat, daß er noch lange nicht zum alten Eisen gehört. Er setzte sich über zwölf Runden einstimmig nach Punkten durch (116:111, 115:109, 116:109) und kehrte damit sieben Jahren nach der Niederlage gegen Kelly Pavlik auf den Thron des Weltmeisters zurück. Sein Sieg wurde jedoch von einer Knieverletzung des Australiers überschattet, der in der siebten Runde auf dem nassen Ringboden ausgerutscht war und dabei das linke Bein verdreht hatte. Wenngleich Soliman auch in der Folge nie zurücksteckte und tapfer weiterkämpfte, machte ihm die Einschränkung doch so schwer zu schaffen, daß er zunehmend ins Hintertreffen geriet und insgesamt vier Niederschläge hinnehmen mußte.

Sam Soliman, der zweimal in Deutschland gegen Felix Sturm gewonnen hatte, ließ sich auch vom Heimvorteil Jermain Taylors nicht einschüchtern. Mit einem zuversichtlichen Lächeln marschierte er unter den Klängen von "Sweet Home Alabama" ein, womit er dem Publikum in Mississippi signalisierte, daß er sich im Ring überall zu Hause fühle. In der Anfangsphase passierte nicht allzu viel, da die Kontrahenten vorsichtig zu Werke gingen, sich viel bewegten und eher klammerten, als schulbuchmäßig zu boxen. Der Australier gilt als sehr unbequemer Gegner, da er den Kampf aus der Distanz verhindert, indem er wühlt, festhält und in solchen unübersichtlichen Situation gefährlich zuschlägt. Felix Sturm hatte seine aufkommende Frustration angesichts dieser vertrackten Lage teuer bezahlt, als er vergeblich auf die Brechstange einzelner Wirkungstreffer setzte.

In der dritten Runde hatte Soliman mit einem Treffer seiner Rechten die bis dahin beste Szene dieses Kampfs. Keiner von beiden konnte eine klare Linie durchsetzen, da der Australier zu wenig Druck machte und Taylors Schläge selten ihr Zeil fanden. Im fünften Durchgang brachte der Titelverteidiger eine Dreierkombination ins Ziel, so daß sich der US-Amerikaner etwas einfallen lassen mußte, um nicht langsam aber sicher ins Hintertreffen zu geraten. Der Herausforderer ging denn auch in der folgenden Runde energischer zu Werke und ließ seine enorme Schlagwirkung aufblitzen, die Soliman zur Vorsicht gemahnte.

Mit diesem Schwung eröffnete der US-Amerikaner auch die siebte Runde, die sich als kampfentscheidend erweisen sollte. Soliman zog sich beim Ausweichen die Knieverletzung zu und mußte nach einem wuchtigen Jab des Herausforderers erstmals zu Boden gehen. Nun war Taylor kaum noch zu bremsen und traktierte den Titelverteidiger im folgenden Durchgang mit Jabs und Kombinationen. Der Australier könnte sich nur eingeschränkt bewegen und landete nach diversen schweren Treffern erneut auf den Brettern.

Deutlich hinkend geriet Soliman derart in die Defensive, daß Taylor maßnehmen und ihn in der neunten Runde zum dritten Mal niederschlagen konnte. Die meisten Boxer hätten in derart aussichtsloser Lage das Handtuch geworfen, doch der Australier ist aus einem anderen Holz geschnitzt. Obgleich er sein linkes Knie praktisch nicht mehr belasten konnte und sichtlich unter Schmerzen litt, boxte er weiter energisch mit und ließ sich selbst von einem vierten Niederschlag im elften Durchgang nicht endgültig bremsen. Da er nur noch durch einen Glückstreffer gewinnen konnte, kam er in der zwölften Runde aggressiv aus seiner Ecke und versuchte, den Herausforderer zu stellen, was ihm jedoch verwehrt blieb.

Sam Soliman, dessen Verletzung auch nach dem Kampf im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stand, wurde trotz seiner Niederlage allseits für sein bemerkenswertes Durchhaltevermögen als mutiger Kämpfer gelobt. Wenngleich er in den ersten sechs Runden immer wieder gewühlt und gehalten hatte, kam sein Gegner erst dann so recht zum Zuge, als das linke Bein des Australiers nicht mehr mitspielte. Nichtsdestoweniger kann man Jermain Taylor eine beachtliche Vorstellung attestieren, da er nach wie vor eine enorme Schlagwirkung aufzubieten hat. Er boxte robust, brachte einen gefährlichen Jab und dominierte die zweite Hälfte des Kampfs.

Damit endete die allzu kurze Ära des Australiers Sam Soliman, der lange Jahre als Lastwagenfahrer gearbeitet und nur nebenbei geboxt hatte. Ihm wäre es zu wünschen gewesen, sein spätes Dasein als Vollzeitprofi und Weltmeister noch etwas länger genießen und mit seiner Bodenständigkeit den aufgeblasenen Starkult vieler Zunftgenossen konterkarieren zu können.

Daß es wenigstens Jermain Taylor war, der Soliman in die Schranken wies, macht den Ausgang des Kampfs in Biloxi ein wenig versöhnlicher. Noch vor wenigen Monaten hätte ihm kaum jemand zugetraut, je wieder an der Spitze seiner Gewichtsklasse mitzumischen, geschweige denn noch einmal Weltmeister zu werden. Wenngleich ihm eine Riesenportion Glück zu Hilfe kam, überhaupt als Herausforderer zum Zuge zu kommen, hat er sich doch mit einem soliden Auftritt zurückgemeldet. Mit dem Schwung des Titelgewinns im Rücken ist der 36jährige wieder im Rennen und könnte die Szene noch einige Zeit bereichern. Ob tatsächlich Hassan N'Dam sein nächster Gegner ist, wie wenig später kolportiert wurde, muß sich aber erst noch erweisen. [2]


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2014/10/dirrell-stops-brinson/#more-182875

[2] http://bleacherreport.com/articles/2225518-sam-soliman-vs-jermain-taylor-winner-scorecard-and-analysis

9. Oktober 2014