Schattenblick →INFOPOOL →SPORT → BOXEN

PROFI/564: Wladimir Klitschko bestraft Kubrat Pulews Angriffslust (SB)




Hoch eingeschätzter Bulgare unterliegt in der fünften Runde

Wladimir Klitschko hat seine Titel im Schwergewicht erfolgreich gegen Kubrat Pulew verteidigt. Vor 14.000 Zuschauern in der seit Wochen ausverkauften Hamburger O2 Arena am Volkspark setzte sich der 38jährige Weltmeister durch K.o. in der fünften Runde durch und verbesserte seine Bilanz auf 63 Siege und drei Niederlagen. Der zuvor ungeschlagene fünf Jahre jüngere Pflichtherausforderer der IBF aus dem Sauerland-Boxstall mußte sich nach 20 gewonnenen Kämpfen erstmals geschlagen geben.

Der Bulgare begann stürmisch, bedrängte den Titelverteidiger und brachte ihn nach knapp einer Minute mit einer Rechten sichtlich in Schwierigkeiten. Keine Minute später revanchierte sich der Weltmeister und schickte Pulew zweimal nacheinander zu Boden. In der Folge setzte der Ukrainer ungewohnt aggressiv seine Dominanz durch und traf den Herausforderer im dritten Durchgang voll am Kinn, worauf dieser erneut auf den Brettern angezählt wurde. [1]

Pulew schlug Klitschko des öfteren auf den Hinterkopf, sobald dieser zu klammern versuchte, wofür ihn Ringrichter Tony Weeks nicht zur Rechenschaft zog. Offensichtlich versuchte der Bulgare, seinen Gegner aus allen Lagen niederzuschlagen, wobei er phasenweise auch dank guter Treffer zum Zuge kam. Allerdings handelte er sich dabei jedesmal einen heftigen Gegenangriff des Titelverteidigers ein. Wollte man von einem Kardinalfehler des Herausforderers sprechen, so war dies seine mangelnde Deckung, die das Kinn ungeschützt ließ. Dies gestattete es Klitschko, zahlreiche Schläge ins Ziel zu bringen. Offenbar bestrebt, den Angriffsrhythmus des Ukrainers zu stören, arbeitete sich Pulew in dessen Vordringen hinein und mußte dabei immer wieder linke Haken wie auch gelegentliche Rechte des Weltmeisters einstecken.

Kubrat Pulew ging trotz schwerster Treffer nicht in die Defensive und schlug verbissen zurück, wofür er jedoch einen hohen Preis bezahlen mußte. In der fünften Runde griff er Klitschko mit mehreren wuchtigen Schlägen an, die den Ukrainer kurzfristig bremsten. Doch schon im nächsten Augenblick beendete der Weltmeister mit einem gewaltigen linken Haken zum Kinn nach 2:11 Minuten dieses Durchgangs den Kampf gegen einen Herausforderer, in dem viele Experten zuvor den gefährlichsten Gegner seit Jahren gesehen hatten. Pulew lag flach auf dem Rücken und war offensichtlich nicht in der Lage, rechtzeitig wieder auf die Beine zu kommen. [2]

Nach seiner Niederlage überraschte Kubrat Pulew noch im Ring mit der Aussage, Klitschko sei ein guter Kämpfer, habe aber an diesem Abend nur durch Glückstreffer gewonnen. Wie schwer ihn diese angeblichen Zufallstreffer in Mitleidenschaft gezogen hatten, zeigte sich bei der anschließenden Untersuchung in einem Hamburger Krankenhaus: Dort wurden eine Fraktur am Jochbein, ein gebrochener Oberkiefer und eine starke Gehirnerschütterung diagnostiziert.

Wladimir Klitschko würdigte den Bulgaren zunächst als guten Gegner, der seinen Respekt verdient habe. Es sei nicht leicht gewesen, in diesem Kampf seine Linke wie gewohnt zu etablieren. Andererseits habe er die früheren Auftritte Pulews analysiert und seine Erkenntnisse in der Weise umgesetzt, daß er jedesmal sofort angegriffen habe, sobald der Herausforderer nach vorgetragenen Attacken eine Lücke erkennen ließ. Letztendlich habe der Bulgare für seine Sprüche und Arroganz einen hohen Preis bezahlt und plötzlich gemerkt, daß er ganz oben in der Champions League überfordert ist.

Klitschko bezog sich mit der letztgenannten Äußerung auf die Kontroverse im Vorfeld des Kampfs, die zu einem Streit um die Dopingprobe, einem Eklat auf der Pressekonferenz und einem Gezänk um die Handschuhe geführt hatte. Mochte man das unter Störmanöver und nicht zuletzt Werbung für das Duell verbuchen, so dürfte Klitschko doch ernsthaft geärgert haben, daß Pulew verkündet hatte, der Ukrainer sei vom Charakter her ein Mädchen und habe kein Herz.

Vitali Klitschko lobte seinen Bruder, der zwar am Anfang zu viele Schläge kassiert, dann aber trotzdem gewonnen habe. Wladimir sei ein Risiko eingegangen und habe es dennoch geschafft. Er sehe derzeit keinen Boxer, der diesen Weltmeister schlagen könne. Auch Henry Maske attestiert dem Titelverteidiger eine beeindruckende Leistung. Er selbst habe Pulew zuvor für einen gleichwertigen Gegner gehalten, und der Bulgare sei ja auch zu Beginn mit einigen Treffern durchgekommen, aber Wladimir habe reagiert wie ein Mann. Nur der natürlich ebenfalls anwesende Shannon Briggs machte sich wie üblich mit der Einschätzung lächerlich, der Kampf habe ihn kaum beeindruckt, da Klitschko nicht in der Lage gewesen sei, den Sack bereits in der ersten Runde zuzumachen.

Der überzeugende Sieg gegen den nicht zu Unrecht als gefährlichen Herausforderer eingeschätzten Kubrat Pulew und insbesondere die ungewohnt offensive Gangart des Weltmeisters lassen einmal mehr nur den Schluß zu, daß Wladimir Klitschkos Ära wohl erst dann enden wird, wenn er seine Karriere aus freien Stücken beendet. Hoffnungen auf eine Wachablösung richten sich nun um so mehr auf Deontay Wilder, doch hat der ungeschlagene US-Amerikaner den Beweis noch nicht angetreten, daß er sich auch gegen Schwergewichtler von Weltklasse durchsetzen kann. Sein erster echter Prüfstein ist der kanadische WBC-Weltmeister Bermane Stiverne, mit dem er es voraussichtlich Anfang nächsten Jahres zu tun bekommt.

Seinem Haussender RTL hat Wladimir Klitschko eine ausgezeichnete Quote beschert. Den Sieg in seinem 26. Titelkampf sahen am späten Samstagabend im Schnitt 9,16 Millionen Zuschauer, was einem Marktanteil von 38,3 Prozent entsprach. In der Spitze hatten sogar 10,0 Millionen Boxfans zugeschaltet. Als Klitschko den Kampf in der fünften Runde vorzeitig beendete, betrug der Marktanteil 44,5 Prozent. Wladimir Klitschkos vorangegangenen Kampf gegen den hierzulande nahezu unbekannten Australier Alex Leapai hatten im April im Schnitt 8,21 Millionen Zuschauer verfolgt, was ebenfalls die ungebrochene Popularität des Ukrainers beim hiesigen Publikum belegt. [3]


Fußnoten:

[1] http://www.boxen-heute.de/artikel/6603-knock-out-in-runde-5wladimir-klitschko-schlaegt-kubrat-pulev-video.html

[2] http://www.boxingnews24.com/2014/11/wladimir-obliterates-pulev-in-5-rounds/#more-184409

[3] http://www.handelsblatt.com/boxen-klitschko-bleibt-schwergewichts-weltmeister/10985978.html

16. November 2014