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PROFI/604: Aufatmen in Hannover und Berlin (SB)



Arthur Abraham behält gegen Martin Murray die Oberhand

Arthur Abraham hat den WBO-Titel im Supermittelgewicht vor 5500 Zuschauern in Hannover erfolgreich verteidigt. Der 35jährige Champion setzte sich gegen den zwei Jahre jüngeren Martin Murray knapp nach Punkten durch (115:112, 116:111, 112:115). Während der Berliner damit seine Bilanz auf 44 gewonnene und vier verlorene Auftritte ausbaute, werden für den gescheiterten Herausforderer nun 32 Siege, drei Niederlagen sowie ein Unentschieden notiert.

Der an Nummer acht der WBO-Rangliste geführte Brite verlegte sich frühzeitig darauf, sofort zu klammern, sobald Abraham angriff. Damit sorgte Murray nicht nur für einen oftmals unansehnlichen Kampf, sondern schnitt sich letzten Endes auch ins eigene Fleisch, da er mangels genügend klarer Aktionen zu wenig Punkte sammelte. Nachdem der Weltmeister immer wieder fragend nach dem Ringrichter geschaut hatte, wenn ihn der Brite wieder einmal mit den Armen umschlang, dies jedoch nicht geahndet wurde, änderte der Berliner seine Vorgehensweise. Fortan versetzte er dem Gegner auch im Clinch weitere Schläge, was Murray sichtlich mißfiel, ihn aber nicht vom ständigen Klammern abhielt.

In den ersten sechs Runden arbeitete der Herausforderer mit einer hohen Schlagfrequenz, doch landeten die meisten Angriffe auf der ausgezeichneten Doppeldeckung des Weltmeisters. Abraham tat sich jedoch lange schwer, eigene Akzente zu setzen, und kam erst in der zweiten Hälfte des Kampfs besser zur Geltung, als Murray nachzulassen begann. Insgesamt gesehen schlug der Brite mit einer höheren Quote und brachte möglicherweise sogar etwas häufiger Treffer ins Ziel. Den letztendlich entscheidenden Unterschied machte jedoch die klar überlegene Schlagwirkung Abrahams, den lediglich ein gefährlicher Treffer des Briten in der achten Runde in Schwierigkeiten brachte. Im elften Durchgang und damit viel zu spät zog der Referee dem Herausforderer schließlich einen Punkt ab. [1]

Wie Arthur Abraham im anschließenden Interview erklärte, gehörten zum Boxen immer zwei, denn er trete ja nicht gegen einen Sandsack an. Murray sei ein Boxer auf Spitzenniveau und habe es ihm lange Zeit schwergemacht. Ihm selbst sei natürlich klar gewesen, daß er in den letzten Runden Gas geben mußte, um sich den Sieg zu holen, und das habe er auch getan. Murray beklagte in seiner Stellungnahme, gegen Ende nicht mehr genug Luft gehabt zu haben, um das Blatt zu wenden. Dennoch glaube er, an diesem Abend in einem engen Kampf der Bessere gewesen zu sein. Da es ihm aber nicht gelungen sei, eine vorzeitige Entscheidung herbeizuführen, dürfe er sich nicht beschweren. [2]

Wie Abrahams Trainer Ulli Wegner hinterher einräumte, wäre er fast verrückt geworden, als sein Schützling in der achten Runde von einer Rechten Murrays voll am Kinn getroffen wurde und bedenklich wankte, aber nicht fiel. Selten sei er nach einem Kampf so fix und fertig gewesen, da eine Niederlage einer Katastrophe gleichgekommen wäre, so Wegner. Arthur Abraham ist derzeit sein einziger Weltmeister, was auch für das Team Sauerland insgesamt gilt, dessen Position sich in den aktuellen Verhandlungen um die Verlängerung des Fernsehvertrags mit Sat.1 schlagartig verschlechtert hätte, wäre der Champion gestürzt worden. Der Kontrakt läuft in dreizehn Monaten aus, wobei Abraham als Quotengarant und Aushängeschild des Berliner Unternehmens nahezu unersetzlich ist. [3]

Martin Murray ist damit auch in seinem vierten Kampf um die Weltmeisterschaft gescheitert. Er konnte sich weder gegen Felix Sturm und Sergio Martinez noch Gennadi Golowkin und nun Arthur Abraham durchsetzen. Im Februar hatte er vorzeitig gegen den Kasachen verloren und verdankte die erneute Titelchance vermutlich der Erwägung im Lager Abrahams, einen namhaften, aber letztlich handhabbaren Herausforderer präsentieren zu wollen. Möglicherweise räumt IBF-Weltmeister James DeGale seinem Landsmann eine weitere Gelegenheit ein, um einen Gürtel zu kämpfen. Da beide bei Matchroom Sport unter Vertrag stehen, könnte Promoter Eddie Hearn unter Umständen geneigt sein, auf diese Option zu drängen. Allerdings stünde eine solche Wahl DeGale und Hearn schlecht zu Gesicht, da sie sich der Frage stellen müßten, womit sich Murray einen weiteren Titelkampf verdient hat. Nach der Niederlage gegen Golowkin setzte er sich gegen drei bestenfalls drittklassige Gegner durch und bekam dennoch eine Einladung Abrahams. Für gewöhnlich würde man erwarten, daß ein gescheiterter Kandidat zumindest einen hochklassigen Kontrahenten besiegt haben sollte, bevor er erneut um die Weltmeisterschaft kämpfen darf.

Er werde dem Weltmeister bei dessen nächstem Auftritt die Daumen drücken und ihm danach ein Angebot machen, daß er nicht ausschlagen könne, um ihn zu einer Revanche nach Manchester zu holen, erklärte Murrays Promoter, wobei offenblieb, wie ernst es ihm mit dieser Perspektive war. Auch Ulli Wegner hätte angeblich nichts dagegen, in diese britische Stadt zu reisen, sofern der Rückkampf im Fußballstadion von Manchester United ausgetragen würde. Das Old Trafford sei seine Lieblingsarena, und dort mit Arthur den Titel zu verteidigen, für ihn ein Lebenstraum. Wenngleich sich Abraham noch vor Ort grundsätzlich zu einer Revanche bereiterklärte, ist doch eher unwahrscheinlich, daß es dazu kommen wird.

Arthur Abraham, der seinen 73jährigen Trainer mit dem Sieg in dessen 100. Kampf um die Weltmeisterschaft erfreute, wurde vom Verband WBO für seine fünfte erfolgreiche Titelverteidigung mit einem goldenen Diamantring im Wert von 5000 Dollar geehrt. Wenngleich der Berliner von seinem härtesten Kampf seit langem sprach, steht ihm voraussichtlich am 19. März 2016 eine noch schwerer zu lösende Aufgabe ins Haus. Dann trifft er auf den Pflichtherausforderer Gilberto Ramirez, der zu den gefährlichsten Akteuren des Supermittelgewichts gehört. Der 24 Jahre alte Mexikaner ist in 33 Kämpfen ungeschlagen und mit 1,90 m volle 15 Zentimeter größer als Abraham. Sollte sich dieser dennoch durchsetzen, könnte er wie angekündigt darangehen, die Titel in seiner Gewichtsklasse zusammenzuführen.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2015/11/abraham-decisions-murray/#more-202259

[2] http://www.boxen.com/news-archiv/newsdetails/article/abraham-besiegt-murray/23.html

[3] http://www.welt.de/sport/article149124472/Abraham-belohnt-sich-mit-5000-Dollar-Diamantring.html

22. November 2015


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