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PROFI/633: Schotten feiern ihren Helden (SB)



Ricky Burns nun Weltmeister in der dritten Gewichtsklasse

Ricky Burns hat als erster schottischer Boxer, der Weltmeister in drei Gewichtsklassen geworden ist, Geschichte geschrieben. Der 33jährige Lokalmatador setzte sich in Glasgow zur Freude seiner begeisterten Landsleute in der achten Runde gegen Michele di Rocco durch und sicherte sich damit den vakanten WBA-Titel im Halbweltergewicht. Für den früheren WBO-Weltmeister im Superfeder- und Leichtgewicht war dies der erste Auftritt in der schottischen Metropole seit seiner Niederlage gegen Dejan Zlaticanin im Juni 2014. Nachdem er drei seiner letzten sechs Kämpfe verloren hatte, schien er den Zenit seines Könnens überschritten zu haben und dem Ende seiner Karriere entgegenzusteuern. Um so bemerkenswerter war seine entschieden kämpferische Vorstellung gegen den ein Jahr älteren Italiener, die alle Rückschläge der jüngeren Vergangenheit vergessen machte. [1]

Von seinen Anhängern stürmisch angefeuert, ging Burns von Beginn an auf den Gegner los und bereitete ihm bereits in der ersten Runde beträchtliche Schwierigkeiten. Nach einer kurz angesetzten Linken des ehemaligen Champions geriet der Italiener ins Wanken, ging aber wenig später wieder uneingeschränkt zu Werke. Der Schotte ließ jedoch nicht locker, bewegte sich leichtfüßig und arbeitete fleißig mit dem Jab, den er dann und wann durch eine wuchtige Rechte ergänzte.

In der dritten Runde bekam Di Rocco nach einem vermeintlichen Tiefschlag eine kurze Erholungspause, mußte jedoch in der Folge diverse Treffer zum Kopf einstecken. Kurz vor Ende des Durchgangs ging der Italiener nach einer Rechts-links-Kombination zu Boden und wurde bis acht angezählt, wenngleich er eher umgestoßen als regelrecht niedergeschlagen worden war. Burns griff durchweg aggressiver an, was sich auszahlte, da sein Gegner etwas verhalten wirkte, als wiche er vor der drohenden Gefahr zurück.

Im fünften Durchgang setzte der Schotte seinen Gegner in der Ecke fest und bearbeitete ihn dort mit einem Hagel schneller und heftiger Schläge, doch wurde Di Rocco vom Pausengong aus der Klemme gerettet. Offenbar von seinem Trainer ermahnt, die Zügel nicht vollends aus der Hand zu geben, überraschte der Italiener mit einer starken sechsten Runde und prüfte die Deckung des Lokalmatadors, der sich unmittelbar vor der Pause mit einer gewaltigen Rechten revanchierte, die den Kopf seines Gegners zurückschnellen ließ.

Der Kampf setzte sich mit enormem Tempo fort, wobei Di Rocco im Schlagabtausch dank seiner hohen Schlagfrequenz einen zunehmend besseren Eindruck als zuvor machte. Burns ließ sich jedoch von der wachsenden Gegenwehr nicht entmutigen, sondern griff weiter beherzt an, bis er in der achten Runde wieder klar dominierte. Di Rocco wirkte inzwischen so erschöpft, als habe er sich im Versuch, das Blatt zu wenden, völlig verausgabt. Nun wurde es eng für den Italiener, der sich mehrmals gerade noch aus der Affäre ziehen konnte, doch schließlich nach einer Rechten zu Boden ging. Wenngleich er wieder auf die Beine kam, schwankte er sichtlich angeschlagen, so daß ihn Ringrichter Terry O'Connor zu Recht aus dem Kampf nahm. [2]

Damit hatte Ricky Burns, für den 40 Siege, fünf Niederlagen und ein Unentschieden zu Buche stehen, seine kaum noch erwartete Rückkehr an die Weltspitze perfekt gemacht. Die Bilanz des Ranglistenersten der WBA, Michele di Rocco, weist nunmehr 40 gewonnene und zwei verlorene Auftritte sowie einen unentschieden gewerteten Kampf auf. Promoter Eddie Hearn wird vermutlich versuchen, Burns ein Duell mit einem namhaften Kontrahenten wie Adrien Broner zu verschaffen, bei dem er viel Geld verdienen kann. Der US-Amerikaner hatte vor fünf Jahren, als beide noch im Superfedergewicht antraten, einen Kampf gegen den Schotten ins Auge gefaßt. Dieser zog es damals jedoch vor, seinen Titel zurückzugeben und ins Leichtgewicht aufzusteigen.

Der WBA-Gürtel, den sich Burns soeben in Glasgow gesichert hat, war bis vor kurzem noch im Besitz Adrien Broners. Da der US-Amerikaner jedoch bei einer geplanten Titelverteidigung gegen Ashley Theophane im April zu viel Gewicht auf die Waage brachte, wurde er als Champion abgesetzt. Vielleicht gelingt es Eddie Hearn, Broner mit einer ansehnlichen Börse für einen Kampf gegen Ricky Burns zu gewinnen. Obgleich der Schotte dabei nur geringe Aussichten hätte, die Oberhand zu behalten, wäre es doch ein attraktiver und wohl auch lukrativer Auftritt.

Bedauerlich wäre hingegen die Strategie, den WBA-Titel mit Kämpfen gegen vermeintlich schwache Herausforderer möglichst lange zu melken. In dieser Gewichtsklasse gibt es schlichtweg zu viele junge und schnelle Akteure unter den Top 15, die Burns gefährlich werden können. Michele di Rocco war zwar aus wenig nachvollziehbaren Gründen die Nummer eins bei der WBA, doch boxte er teilweise offen wie ein Scheunentor und lief bei seinen wilden Aktionen mehrmals in die Schläge des Schotten, deren Wirkung er dadurch erheblich verstärkte. Da weiter hinten in der Rangliste gefährlichere Akteure als der Italiener anzutreffen sind, stellt sich für Ricky Burns und seinen Promoter in der Tat die Frage, ob sie nicht besser alles auf eine Karte setzen und sofort einen hochklassigen Herausforderer aussuchen sollten.


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/15795683/ricky-burns-stops-michele-di-rocco-become-three-weight-world-champion

[2] http://www.boxingnews24.com/2016/05/ricky-burns-defeats-michele-di-rocco/#more-210983

29. Mai 2016


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