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PROFI/639: Leckerbissen oder Langweiler? (SB)



Terence Crawford dominiert Wiktor Postol

In einem Kampf zweier Weltmeister des Halbweltergewichts, der vor rund 7000 Zuschauern in der MGM Grand Garden Arena in Las Vegas über die Bühne ging, hat sich Terence Crawford (WBO) einstimmig nach Punkten gegen Wiktor Postol (WBC) durchgesetzt (118:107, 118:107, 117:108). Nachdem beide Akteure zuvor ungeschlagen waren, hat der 28jährige US-Amerikaner aus Omaha, Nebraska, mit nunmehr 29 gewonnenen Auftritten seine weiße Weste behalten und bei seiner dritten erfolgreichen Titelverteidigung die Gürtel vereinigt. Der vier Jahre ältere Ukrainer war im Oktober 2015 durch einen vorzeitigen Sieg über den favorisierten Argentinier Lucas Matthysse überraschend Weltmeister geworden und mußte nach 28 gelungenen Auftritten die erste Niederlage hinnehmen.

Der vom Sender HBO im Pay-TV übertragene Kampf in Las Vegas begann verhalten, da beide Akteure drei Runden lang versuchten, Lücken in der Kampfesweise des Gegners ausfindig zu machen. Weil der erheblich größere Postol über klare Reichweitenvorteile verfügte, gelang es Crawford zunächst nicht, an ihn heranzukommen. Er fand nicht die passende Distanz und schlug mit seinen zahlreichen Jabs zumeist Löcher in die Luft. Nach drei technisch geboxten Durchgängen nahm das Geschehen langsam Fahrt auf, als der US-Amerikaner in der vierten Runde mit einer Linken zum Kopf durchkam, was seine Anhänger erstmals zu lautstarken Sprechchören inspirierte.

Im fünften Durchgang gelang Crawford schließlich der Durchbruch, als sein Gegner nach einem Treffer stolperte und mit einem Knie die Matte berührte, was Ringrichter Tony Weeks als Niederschlag wertete. Allerdings konnte man geteilter Meinung sein, ob der Ukrainer nicht eher über das Bein des Kontrahenten gestolpert war. Der US-Amerikaner hatte frühzeitig die Auslage gewechselt, da er auf diese Weise den Jab des langarmigen Gegners besser neutralisieren konnte. Diese Konstellation führte zwangsläufig dazu, daß sich die beiden häufiger mit den Beinen in die Quere kamen. Einige Zeit später in dieser Runde brachte Crawford eine wuchtige Linke ins Ziel, worauf Postol bis an die Seile zurückwich, dabei ausrutschte und mit den Handschuhen den Boden berührte, was wiederum als Niederschlag in die Wertung einging.

Nach den ersten vier Runden hatten die Kontrahenten bei allen drei Punktrichtern mit 38:38 gleichauf gelegen, in der fünften war es Crawford gelungen, eine Vorentscheidung herbeizuführen. Von einer Ausnahme abgesehen konnte er in der Folge alle Durchgänge für sich entscheiden. In der sechsten Runde verbuchte er wiederum einen schweren Treffer und baute seine Dominanz aus. Im achten und neunten Durchgang wirkte Postol in einigen Szenen angeschlagen, in der elften Runde wurde er wegen eines Schlags auf den Hinterkopf mit einem Punktabzug bestraft, der seinen Rückstand noch mehr vergrößerte. Zum Mißfallen des Publikums tanzte Crawford in der zwölften Runde im Ring herum und streckte Postol die Zunge heraus, bis er sich schließlich doch eines Besseren besann und zum Abschluß noch einmal heftig auf den Ukrainer eindrang.

Wie Crawford nach seinem Triumph erklärte, habe man ihm zu Unrecht vorgeworfen, er gehe Postol aus dem Weg. Er habe sich diesen Kampf gegen den Ukrainer gewünscht, der ein großartiger Champion sei. In der fünften Runde habe er seinen Rhythmus gefunden und von da an gewußt, wie dem Gegner beizukommen sei. Postol sei ein Boxer, der sich hinstellen müsse, um wirkungsvoll zu schlagen. Deshalb habe man die Taktik gewählt, ihn ständig in Bewegung zu halten und dabei auszukontern. Im Vorfeld sei von einem Duell der Trainer die Rede gewesen, bei dem Freddie Roach die Oberhand behalten werde. Nun komme wohl niemand mehr umhin, Brian McIntyre eine Meisterleistung zu attestieren.

Postols Trainer Freddie Roach räumte unumwunden ein, daß ihn Crawfords Beweglichkeit und Können überrascht hätten. Dieser sei schlichtweg zu schnell gewesen und verfüge über beeindruckende Qualitäten. Der Ukrainer sprach von einem Kampf zweier versierten Techniker, in dem der schnellere von beiden die Oberhand behalten habe. Er habe keine Antwort auf Crawfords Kampfesweise gefunden, der zu den besten Boxern der Branche gehöre.

Ob Terence Crawford, dessen Börse von 1,3 Millionen Dollar die 675.000 Dollar Postols bei weitem übertraf, dank dieses Erfolgs im Prestigeduell in den Kreis der weltbesten Akteure aller Gewichtsklassen aufgestiegen ist, blieb umstritten und wurde eher abschlägig eingeschätzt. Er kann sich jedoch Hoffnungen machen, als Gegner Manny Pacquiaos berücksichtigt zu werden, wenn dieser am 5. November in den Ring zurückkehrt. Promoter Bob Arum, bei dem Crawford, Postol und der Philippiner unter Vertrag stehen, hatte dem Sieger des Kampfs von Las Vegas in Aussicht gestellt, zusammen mit dem Mittelgewichtler Jessie Vargas in die engste Auswahl genommen zu werden. [1]

Er sei ein Boxer, der keinen Gegner fürchte, versicherte Crawford. Sollten seine Trainer und Bob Arum einen Kampf gegen Pacquiao befürworten, sehe er keinen Hinderungsgrund. Allerdings bestehe er in diesem Fall darauf, daß der Philippiner zu ihm ins Halbweltergewicht herunterkomme, wo man dann um die Titel kämpfen könne. Mit dieser Äußerung hat sich Crawford keinen Gefallen getan, ja möglicherweise sogar um seine Chance gebracht. Zum einen steht angesichts dieser Forderung um so mehr die Frage im Raum, wie es um seinen Marktwert bestellt ist. Zum anderen ist höchst unwahrscheinlich, daß der 37jährige Pacquiao zusätzliche Pfunde abkocht, um in einer Gewichtsklasse anzutreten, in der er zuletzt im Juni 2008 gekämpft hat. Davon abgesehen soll Crawford zwischen dem offiziellen Wiegen und dem Kampf gegen Postol durch Rehydrieren fast acht Kilo zugelegt haben, so daß er problemlos im Mittelgewicht antreten könnte. [2]

Wenngleich die Quote des Senders HBO bislang nicht veröffentlicht worden ist, dürfte doch feststehen, daß Terence Crawford noch einen weiten Weg vor sich hat, bevor er zu einem Star des Bezahlfernsehens aufgestiegen ist. Wer die 59,99 Dollar aufgebracht hatte, um die Live-Übertragung zu buchen, wird sich zweifellos fragen, ob der technisch anspruchsvolle, aber insgesamt spannungsarme Kampf so viel Geld wert war. Während sich eine Minderheit durchaus für taktische Züge und boxerische Finessen begeistern kann, wünscht sich die Mehrheit eine Darbietung, bei der es häufiger zum Schlagabtausch kommt. Denkt man an den zurückgetretenen Floyd Mayweather, der als unübertroffener Konterboxer galt, so bestach dieser nicht zuletzt auch durch seine Offensive und die Bereitschaft, einen Gegner mitunter in der direkten Konfrontation niederzukämpfen, obwohl er ihn problemlos ausmanövrieren konnte. [3]

Als Hauptattraktion im Pay-TV steht ein Boxer unter Erfolgsdruck, das Publikum zu begeistern, was man von Crawford bislang nicht gerade sagen kann. Wenngleich seine Fans im heimischen Omaha sicher ganz anderer Auffassung sind, fällt er diesbezüglich doch hinter Konkurrenten wie Keith Thurman oder Danny Garcia zurück, von Gennadi Golowkin ganz zu schweigen. Böse Zungen lästerten sogar, der Kampf in Las Vegas sei der langweiligste gewesen, den sie je in dieser Gewichtsklasse gesehen hätten. Diese Kritik mag überzogen anmuten, ist aber im für seine Ringschlachten bekannten Halbweltergewicht durchaus nachvollziehbar, zumal ein spektakulärer Kampf der beiden führenden Akteure in diesem Limit angekündigt war.

Da Bob Arum offenbar vorhat, Terence Crawford zu seinem künftigen Zugpferd und Goldesel aufzubauen, könnte er durchaus geneigt sein, ihn als Gegner Manny Pacquiaos nach vorn zu schieben. Dem Philippiner liegen Kontrahenten nicht, die ständig davonlaufen, so daß er ihnen beharrlich den Weg abschneiden müßte. Sollte Pacquiao daher einen Widersacher vorziehen, der sich ihm tatsächlich zum Kampf stellt, wäre das nur allzu verständlich. Im Grunde müßte sich Crawford zunächst im Weltergewicht seine Sporen verdienen, indem er sich mit Errol Spence oder Keith Thurman mißt. Dazu wird es Arum jedoch nicht kommen lassen, weil sein Champion dabei mit hoher Wahrscheinlichkeit auf der Strecke bliebe. Davon abgesehen zieht der 84jährige Promoter ohnehin Kämpfe zwischen Boxern vor, die beide bei ihm unter Vertrag stehen, so daß er stets die Kontrolle behält.


Fußnoten:

[1] http://espn.go.com/boxing/story/_/id/17133585/terence-crawford-dominates-viktor-postol-becomes-junior-welterweight-unified-champion

[2] http://www.boxingnews24.com/2016/07/crawford-pacquiao-must-fight-140/#more-213960

[3] http://www.boxingnews24.com/2016/07/crawford-beats-postol-puts-fans-sleep/#more-213956

25. Juli 2016


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