Schattenblick → INFOPOOL → SPORT → BOXEN


PROFI/651: Paukenschlag nach langer Zwangspause (SB)



Mikey Garcia entthront Dejan Zlaticanin im Leichtgewicht

Der in 36 Kämpfen ungeschlagene Miguel Angel "Mikey" Garcia gehört zu den besten Akteuren des aktuellen Boxgeschäfts. Ähnlich wie Andre Ward wurde auch er aufgrund von Streitigkeiten mit seinem Promoter für mehr als zwei Jahre außer Gefecht gesetzt. Diese Zwangspause drohte ihn um die Früchte seiner außergewöhnlichen Karriere und die Branche um einen herausragenden Boxer zu bringen. Mit seinen 29 Jahren ist Garcia indessen nicht zu alt, um erfolgreich in den Ring zurückzukehren und in seiner Gewichtsregion für Furore zu sorgen.

Ihm ist sogar zuzutrauen, zumindest teilweise die Lücke zu füllen, die sich nach dem Abschied Floyd Mayweathers und angesichts des nahen Karriereendes Manny Pacquiaos abzeichnet. Wenngleich es nicht an jungen und talentierten Kandidaten mangelt, die sich dasselbe ambitionierte Vorhaben auf die Fahnen geschrieben haben, gehört sehr viel mehr dazu als überragendes Können im Ring. So ist Gennadi Golowkin der spektakulärste und gefährlichste Boxer der Branche, doch kämpft er nach wie vor darum, ein Star im Pay-TV zu werden, weil er schlichtweg weder US-Amerikaner noch Mexikaner ist und daher keine natürliche Fangemeinde in den USA mobilisieren kann. Seine Popularität ist mit einer Serie unablässiger vorzeitiger Siege seit 2008 hart erarbeitet, wofür er allergrößten Respekt verdient.

Mikey Garcia ist hingegen nicht nur ein überragender Boxer mit einer spektakulären Kampfesweise, sondern darüber hinaus ein US-Amerikaner mexikanischer Herkunft, der sich der Gunst des Publikums in zweifacher Weise sicher sein kann. Zudem ist er ein ausgezeichneter Promoter in eigener Sache, gewandt im Umgang mit den Medien und mithin ausgesprochen präsentabel.

Daß er sich bereits für seinen zweiten Kampf nach langer Abwesenheit mit Dejan Zlaticanin den WBC-Weltmeister im Leichtgewicht ausgesucht hatte, war nach Einschätzung mancher Experten ein überaus riskanter Schritt. Der Champion aus Montenegro war als Boxer mit einer enormen Schlagwirkung bekannt, was zur Befürchtung Anlaß gab, Garcia überfordere sich mit dieser anspruchsvollen Aufgabe. Andere Beobachter waren jedoch der Auffassung, daß dies eine geradezu ideale Wahl sei, da Garcia sein technisches Können gewiß nicht verlernt habe und auf diese Weise seiner Karriere auf bestmögliche Weise neuen Schwung verleihen könne. Sie sollten Recht behalten. [1]

Im MGM Grand in Las Vegas krönte sich Mikey Garcia zum neuen WBC-Weltmeister im Leichtgewicht und er tat dies auf höchst überzeugende Weise. Als der zuvor in 22 Kämpfen unbesiegte Dejan Zlaticanin bereits in der dritten Runde geschlagen auf den Brettern lag, avancierte Garcia zum Champion in der dritten Gewichtsklasse. Der mit 1,70 m etwa acht Zentimeter größere Herausforderer nutzte konsequent seine Reichweitenvorteile, um den Kampf aus der Distanz zu dominieren. Wann immer Zlaticanin vorrückte, um seine Schläge ins Ziel zu bringen, hielt ihn Garcia mit der langen Linken auf Abstand.

Der Titelverteidiger hatte seine besten Szenen in der ersten Runde, als er einige trockene linke Haken landen konnte. Er war jedoch zu langsam auf den Füßen, um schnell genug an den Gegner heranzukommen, der ihn in der Folge fast nach Belieben mit harten Jabs und wuchtigen Geraden eindeckte. Im zweiten Durchgang ging der Herausforderer dazu über, dem Gegner linke Haken und rechte Gerade zum Kopf zu versetzen, die Zlaticanin sichtlich in Mitleidenschaft zogen und ihm jede Zuversicht rauben zu schienen, den Kampf zu seinen Gunsten zu entscheiden.

Es war beeindruckend zu verfolgen, wie leicht Garcia mit dem in der Rechtsauslage boxenden Weltmeister zurechtkam. Hatte man zumindest phasenweise mit einem Kampf auf gleicher Augenhöhe gerechnet, so erwies sich allzu rasch, daß der Herausforderer in allen Belangen überlegen war. Wenngleich man wohl davon ausgehen kann, daß sich Zlaticanin im Training auf den Stil seines Kontrahenten vorbereitet hatte, wirkte er völlig hilflos und außerstande, sich auf Garcia einzustellen und seine wuchtigen Schläge zu landen.

Das frühzeitige Ende brach dann in der dritten Runde über ihn herein, als Zlaticanin von einem rechten Uppercut, gefolgt von einer Linken an den Hinterkopf und einer Rechten zum Kopf getroffen wurde. Er brach zusammen und blieb geraume Zeit ausgestreckt auf dem Rücken liegen, bis ihn seine herbeigeeilten Betreuer und der Ringarzt wieder zu Bewußtsein brachten. Dem Montenegriner bleibt zu wünschen, daß er keine schwerwiegenden gesundheitlichen Schäden davongetragen hat. Er wird eine längere Pause einlegen müssen, um sich physisch und psychisch von diesem Desaster zu erholen.

Dejan Zlaticanin ist ungeachtet dieser Niederlage ein sehr guter Boxer, der es jedoch mit dem besten Akteur seiner Gewichtsklasse zu tun bekam, dessen boxerische Qualitäten ihn schlichtweg überforderten. Träfe der entthronte Champion beispielsweise auf andere hoch gehandelte Boxer des Leichtgewichts wie Jorge Linares oder Anthony Crolla, sähe die Sache vermutlich anders aus.

Wie Garcia erklärte, könne er sich nun gut vorstellen, gegen den Sieger der Revanche zwischen Crolla und Linares anzutreten. Angesichts seiner überragenden Vorstellung im Kampf gegen Zlaticanin dürfte es jedoch so gut wie ausgeschlossen sein, daß er einen der beiden vor die Fäuste bekommt. Er ist bereits wieder zu dominant, als daß sich ihm ein solcher Gegner stellen oder es dessen Promoter zulassen würde. Vielleicht sollte er besser einen Gang mit Terry Flanagan ins Auge fassen, der ihm jedoch höchstwahrscheinlich ebensowenig das Wasser reichen könnte wie irgendein anderer Kandidat im Leichtgewicht.

Um einen anspruchsvollen Kontrahenten zu finden und dabei einen gut dotierten Kampf zu bekommen, bleibt Mikey Garcia offenbar kaum eine andere Wahl, als ins Halbweltergewicht aufzusteigen, wie er dies bereits perspektivisch angekündigt hat. Terence Crawford oder Adrien Broner, die beiden besten Akteure des höheren Limits, böten ihm dort Gelegenheit, sein Können auf angemessene und wohl auch lukrative Weise unter Beweis zu stellen. [2]


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2017/01/mikey-garcia-ready-take-big-step-boxing/#more-224319

[2] http://www.boxingnews24.com/2017/01/mikey-garcia-vs-dejan-zlaticanin-results/#more-226019

30. Januar 2017


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang