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PROFI/660: Eine überflüssige Revanche (SB)



Adonis Stevenson macht kurzen Prozeß mit Andrzej Fonfara

Adonis Stevenson hat den WBC-Titel im Halbschwergewicht zum achten Mal erfolgreich verteidigt. Der in Haiti geborene Kanadier setzte sich im Bell Centre in Montreal bereits in der zweiten Runde gegen den restlos überforderten Andrzej Fonfara durch. Dabei bediente sich der in der Rechtsauslage boxende Champion der schlichten Strategie, den Gegner angreifen zu lassen und ihn bei jeder sich bietenden Gelegenheit auszukontern. Als der Herausforderer angeschlagen war, legte Stevenson sofort mit einer Serie von Treffern nach. Gegen Ende der ersten Runde mußte der Pole zu Boden gehen, worauf er sich gerade noch in die Pause retten konnte. Gleich zu Beginn des zweiten Durchgangs setzte der Weltmeister sein Werk fort und traktierte den Gegner solange mit wuchtigen Schlägen seiner Linken, bis dessen Trainer Virgil Hunter dem Ringrichter Michael Griffin signalisierte, er möge den Kampf abbrechen, der dann nach 28 Sekunden der zweiten Runde zu Ende war.

Der 29 Jahre alte Fonfara hatte es Stevenson leicht gemacht, indem er auf ihn losstürzte und ihm dabei regelrecht in die linke Schlaghand lief. Denselben Fehler hatte der Pole bereits in seinem letzten Kampf gemacht, als er Joe Smith mit offenem Visier angriff und sich nach mehreren Volltreffern bereits in der ersten Runde geschlagen geben mußte. Bedauerlicherweise scheint Fonfara nichts aus diesem Debakel gelernt zu haben, da er nun auf dieselbe Weise den eigenen Untergang einleitete. Während Stevenson seine Bilanz auf 29 Siege und eine Niederlage ausbauen konnte, stehen für Fonfara nun 29 gewonnene und fünf verlorene Auftritte zu Buche.

Im Grunde hätte der Kampf bereits nach der ersten Runde abgebrochen werden können, als der Herausforderer einen Hagel von Schlägen ohne Gegenwehr über sich ergehen ließ. Die anschließende Pause reichte längst nicht aus, um sich davon zu erholen, wie sich dann auch zum Auftakt der zweiten Runde sofort zeigte. Fonfara hatte offenbar von seinem Trainer die Anweisung erhalten, nicht mehr anzugreifen, da er sich nun vollständig auf die Defensive beschränkte, was ihm freilich überhaupt nichts nützte. Möglicherweise hätte er das Ende durch Klammern hinauszögern können, was er jedoch vollständig unterließ. [1]

Wie Virgil Hunter, der zum zweiten Mal in der Ecke Fonfaras stand, anschließend erklärte, sei der Abbruch die einzig angemessene Entscheidung gewesen. Sein Boxer sei nach der ersten Runde angeschlagen in die Pause gekommen und habe sich in der zweiten nicht mehr erholen können. Fonfara selbst war der Auffassung, daß ihm Stevenson in der zweiten Runde einige Treffer versetzt habe, die alles verändert hätten. Danach sei er nicht mehr derselbe gewesen und die Revanche ganz anders verlaufen, wie er sie sich erhofft habe. Sein Trainer habe mit der Aufgabe richtig gehandelt und ihn schützen wollen. [2]

Die Ansetzung des Kampfs hatte schon im Vorfeld für Unmut gesorgt, da dies bereits das zweite Aufeinandertreffen dieser beiden Akteure war und Fonfara schon beim ersten Mal recht klar verloren hatte. Allerdings hatte der Pole 2014 einige gute Szenen gehabt und den Kanadier sogar in der neunten Runde niedergeschlagen, der sich jedoch am Ende eindeutig nach Punkten durchsetzte. Das damalige Ergebnis war jedenfalls nicht so knapp, daß es eine Revanche nahegelegt hätte. Zudem hatte Fonfara seinen vorangegangenen Auftritt in der ersten Runde verloren und sich damit nicht gerade für einen anschließenden Titelkampf empfohlen.

Daß Adonis Stevenson seiner Linie treu geblieben war, den 2013 gewonnenen WBC-Titel gegen nicht allzu gefährliche Herausforderer zu verteidigen, schien der Begeisterung seiner Fangemeinde einen gehörigen Dämpfer versetzt zu haben. Als er dann auch noch erklärte, daß Fonfara ein sehr guter und gefährlicher Gegner sei, aber darauf verzichtete, den Sieger des Kampfs zwischen Andre Ward und Sergej Kowaljow zum Duell zu fordern, pfiff ihn die Menge aus. Die Behauptung, er sei der allerbeste Halbschwergewichtler der Welt und habe es daher nicht nötig, irgend jemand herauszufordern, kam beim Publikum denkbar schlecht an. Kandidaten wie Tommy Karpency, Thomas Williams und nun auch Andrzej Fonfara, die ihm schlichtweg nicht gewachsen waren, tragen ihm mehr und mehr den Ruf ein, er ziehe sich in eine Nische zurück und gehe kein Risiko ein, um seinen Gürtel möglichst lange zu behalten.

Tritt er nicht gegen Ward oder Kowaljow an, um alle Titel im Halbschwergewicht zusammenzuführen, müßte er sich eigentlich dem Pflichtherausforderer Eleider Alvarez stellen, der Jean Pascal im Vorprogramm nach Punkten besiegte. Das wäre ein anspruchsvoller, aber wiederum nicht übermäßig schwerer Kampf für Stevenson, der zwar in Kanada Beachtung fände, aber das US-amerikanische Publikum nicht sonderlich interessieren würde, dem Alvarez weitgehend unbekannt ist. Sollte Stevenson gegen Alvarez antreten und gewinnen, würde er sich höchstwahrscheinlich wieder freiwilligen Titelverteidigungen zuwenden, die er relativ leicht zu seinen Gunsten entscheiden kann. Er wird sich kaum mit Joe Smith oder gar Artur Beterbijew messen und eines Tages als ein langjähriger, aber risikoscheuer Champion in die Boxgeschichte eingehen.


Fußnoten:

[1] http://www.boxingnews24.com/2017/06/adonis-stevenson-vs-andrzej-fonfara-results/#more-236095

[2] http://www.espn.com/boxing/story/_/id/19530892/adonis-stevenson-stops-andrzej-fonfara-2nd-round

4. Juni 2017


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