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PROFI/676: Halbschwergewicht - um Haaresbreite ... (SB)



Adonis Stevenson trennt sich unentschieden von Badou Jack

Adonis Stevenson bleibt WBC-Weltmeister im Halbschwergewicht. Der 40jährige Kanadier verteidigte im Air Canada Centre in Toronto dank eines Unentschiedens (114:114, 113:115, 114:114) gegen den sechs Jahre jüngeren Badou Jack zum neunten Mal erfolgreich seinen Titel, den er im Juni 2013 binnen 76 Sekunden gegen Chad Dawson gewonnen hatte. Der in Haiti geborene Champion hatte angekündigt, er werde mit einem Volltreffer seiner gefürchteten Linken für klare Verhältnisse sorgen. Demgegenüber führte der in Las Vegas lebende Schwede, ehemals WBC-Weltmeister im Supermittelgewicht und WBA-Champion im Halbschwergewicht, ins Feld, er sei jünger, größer und gewitzter als der Titelverteidiger. Die Buchmacher hatten den Kampf nahezu ausgeglichen mit allenfalls leichten Vorteilen für Stevenson notiert und sie sollten recht behalten. Am Ende hatte der Kanadier seine Bilanz auf 29 Siege, eine Niederlage und ein Unentschieden ausgebaut, während für den knapp gescheiterten Herausforderer nun 22 gewonnene, ein verlorener und drei unentschieden gewertete Auftritte zu Buche stehen. [1]

Badou Jack, der trotz seiner Größe eine etwas geringere Reichweite hatte, hielt in der ersten Runde so gut mit, daß sie ihm gutgeschrieben werden konnte. In der Folge bestimmte jedoch Stevenson überwiegend das Geschehen, der offenbar seine Chance suchte, einen Niederschlag zu erzielen. Der Herausforderer war auf der Hut vor den wuchtigen Schlägen des Champions und hatte Probleme, eine für ihn günstige Distanz zu finden. Im sechsten Durchgang mußte der Schwede aus dem Team Floyd Mayweathers mehrere Körpertreffer einstecken, worauf er mit einem großen Rückstand in die siebte Runde ging und eindeutig auf der Verliererstraße zu sein schien.

In dieser Phase ging Stevenson jedoch die Luft aus, so daß der Herausforderer plötzlich die Oberhand gewann und ihn in einer höheren Schlagfrequenz traktierte. Der Champion beklagte sich über einen vermeintlichen Tiefschlag, Jack traktierte ihn mit einer gelungenen Kombination und trieb ihn zurück. Dieses Bild setzte sich in der achten Runde fort. Der britische Ringrichter ermahnte den Schweden wegen eines Tiefschlags, wenig später erschütterte Jack den Gegner mit einer kurz angesetzten Rechten. Auch im folgenden Durchgang traf der Herausforderer häufiger, so daß die Zuschauer mehr und mehr um ihren Favoriten bangten, der in der zweiten Hälfte des Kampfs unterzugehen schien.

Das Publikum erwachte wieder zum Leben, als Stevenson den Kontrahenten kurz vor Ende der zehnten Runde mit einem wuchtigen Körpertreffer erwischte. Auch im nächsten Durchgang verlegte sich der Weltmeister vor allem auf Schläge zum Körper und behielt im Schlagabtausch die Oberhand. Doch in der zwölften und letzten Runde schien sich das Blatt abermals zu wenden, da Jack in die Offensive ging und dem Kontrahenten immer wieder heftige Schläge versetzte, der kaum mehr unternahm, als sich klammernd über die Zeit zu retten. [2]

Über die gesamte Dauer des Kampfs gesehen konnte man Adonis Stevenson leichte Vorteile zugestehen. Seine gravierenden Konditionsprobleme ab der siebten Runde legten jedoch nahe, daß er in die Jahre gekommen ist und jüngere Herausforderer fürchten muß. Die Kontrahenten hatten einander nichts geschenkt, doch gab der Herausforderer den möglichen Sieg vor allem in der ersten Hälfte des Kampfs aus der Hand, als er zu wenig unternahm, um die eine oder andere Runde zu seinen Gunsten zu gestalten. Stevenson rettete seinen Titel in der zehnten und elften Runde, wobei er beim anschließenden Endspurt des Herausforderers von Glück reden konnte, daß sich dessen Schlagwirkung in Grenzen hält.

Wenngleich das Unentschieden eine Revanche nahelegt, dürfte es wohl so bald nicht dazu kommen. Der Verband WBC wird Stevenson höchstwahrscheinlich auferlegen, sich erstmals seit 2013 wieder einem Pflichtherausforderer zu stellen. Nachdem es der Kanadier jahrelang verstanden hat, seinen Titel durch die Auswahl nicht allzu gefährlicher Herausforderer zu konservieren, ist er in einem Stadium seiner Karriere angelangt, in dem der körperliche Verschleiß seinen Tribut fordert. Badou Jack hat ihm derart zugesetzt, daß sein Sturz in greifbare Nähe gerückt war und er ihn nur durch sein Aufbäumen in der zehnten und elften Runde abwenden konnte. Daß es zu diesem Zeitpunkt nicht mehr zu einem Niederschlag reichte und er sich darauf verlegen mußte, mit Körpertreffern zum Zuge zu kommen, zeigte die Grenzen seiner Schlagwirkung auf.

Auch machte sich ebenfalls negativ bemerkbar, daß er sehr lange nicht mehr im Ring gestanden hatte. Nach seinem frühzeitigen Sieg über den Polen Andrzej Fonfara im Juni letzten Jahres legte er eine Pause von elf Monaten ein, für die es keinen besonderen Grund wie etwa eine Verletzung oder Probleme mit seinem Promoter gegeben hätte. Gemessen an der Gefahr, in die ihn Badou Jack gebracht hatte, könnte eine erneute lange Abwesenheit vom Ring das Ende seiner Regentschaft als WBC-Weltmeister einläuten. In der Verfassung des Auftritts in Toronto wäre er vermutlich Kanonenfutter für Kontrahenten wie den WBA-Champion Dmitri Biwol oder den IBF-Titelträger Artur Beterbijew. Beide sind kampfstark und schlagen wirksamer als Jack zu, dem es selbst mit einer durchgängigen Offensive in der zwölften Runde nicht gelang, den Lokalmatador auch nur an den Rand eines Niederschlags zu bringen.


Fußnoten:

[1] www.boxingnews24.com/2018/05/adonis-stevenson-vs-badou-jack-results/#more-263570

[2] www.espn.com/boxing/story/_/id/23551419/adonis-stevenson-fights-badou-jack-majority-draw-retains-light-heavyweight-title

20. Mai 2018


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