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PROFI/691: Cruisergewicht - für klare Verhältnisse gesorgt ... (SB)



Oleksandr Ussyk beendet Tony Bellews Karriere

Oleksandr Ussyk hat die Titel der Verbände WBA, WBC, WBO und IBF im Cruisergewicht erfolgreich gegen Tony Bellew verteidigt. Der 31jährige Ukrainer setzte sich in der Manchester Arena durch, als sein vier Jahre älterer britischer Gegner in der achten Runde die Segel streichen mußte. Während der Olympiasieger von 2012 damit in 16 Profikämpfen ungeschlagen ist, beendet der Herausforderer mit einer Bilanz von 30 Siegen, drei Niederlagen sowie einem Unentschieden voraussichtlich seine Karriere. [1]

Fünf Runden lang kämpfte der favorisierte Weltmeister so vorsichtig, als fürchte er die Konter des Briten. Wenngleich er mit höherer Frequenz schlug und häufiger traf, brachte Bellew die klareren und härteren Treffer ins Ziel. Der Außenseiter griff nicht selber an, sondern revanchierte sich für die Attacken des Ukrainers mit wuchtigen Schlägen, die Eindruck beim Titelverteidiger wie auch bei den Punktrichtern hinterließen. Die Wende setzte gegen Ende der fünften Runde ein, als Bellew mit einer Rechten traf und den Ukrainer daraufhin höhnisch anstarrte. Ussyk ließ erstmals in diesem Kampf Ärger erkennen, als er den Blick erwiderte und dann zur Pause in seine Ecke ging.

Dem Briten fiel die Überheblichkeit umgehend auf die Füße, da Ussyk wie verwandelt zum sechsten Durchgang antrat und ihn mit seinen Schlägen in die Seile trieb, aus denen der konsternierte Herausforderer bis zum vorzeitigen Ende des Kampfs nicht mehr herauskommen sollte. Während Bellew müde wurde und eingeschüchtert wirkte, unterband der Ukrainer alle Versuche des Gegners, sich von den Seilen zu lösen, mit heftigen Schlägen. So verbrachte der Brite die siebte Runde größtenteils in der Defensive, während Ussyk immer flüssiger boxte und sich regelrecht auf ihn einschoß. Das setzte sich in der achten Runde fort, da der Titelverteidiger inzwischen seinen Rhythmus durchsetzte und Treffer um Treffer landete. Von einer wuchtigen Linken am Kopf getroffen, stürzte Bellew halbwegs durch die Seile und fiel flach auf den Rücken. Als er sich mühsam wieder aufraffen wollte, brach Ringrichter Terry O'Connor den Kampf ab, den der Brite offensichtlich nicht mehr fortsetzen konnte. [2]

Zum Zeitpunkt des Abbruchs lag Tony Bellew bei zwei Punktrichtern in Führung (67:66, 68:65) und nur beim dritten gleichauf (67:67). Das entsprach durchaus dem Kampfverlauf, da der Brite zur allgemeinen Überraschung fünf Runden lang den Ton angegeben und den Weltmeister vor beträchtliche Probleme gestellt hatte. Wenngleich der Liverpooler in Manchester natürlich nicht ganz zu Hause war, konnte er doch von einem Heimvorteil zehren, der den Ukrainer vermutlich in Bedrängnis gebracht hätte, wäre der Kampf über die Runden gegangen. Der Niederschlag sorgte für klare Verhältnisse, so daß Ussyk gar nicht erst in die Verlegenheit kam, womöglich benachteiligt zu werden. [3]

Tony Bellew war nach der Niederlage voll des Lobes für seinen Bezwinger, den er als den besten Kontrahenten bezeichnete, dem er jemals im Ring gegenübergestanden habe. Offenbar war ihm Adonis Stevenson völlig entfallen, der ihn vor fünf Jahren in einem höchst einseitigen Kampf im Halbschwergewicht binnen sechs Runden zerlegt hatte. Der Kanadier ließ damals von Beginn an nichts anbrennen und dominierte den Briten auf ganzer Linie, was man für Ussyk nicht sagen kann, zumindest was die ersten fünf Runden betrifft.

Der Ukrainer will nun ins Schwergewicht aufsteigen, um dort möglichst früher als später Anthony Joshua herauszufordern. Eddie Hearn von Matchroom Boxing, der Ussyks Co-Promoter ist und Joshua unter Vertrag hat, hielt sich bedeckt, was die ersten Schritte des Ukrainers in der Königsklasse angeht. Wahrscheinlich wird er auf seinen eigenen Fundus zurückgreifen und Dillian Whyte oder Jarrell Miller aus den USA ins Spiel bringen. Vermutlich setzt der Verband WBO Oleksandr Ussyk in Kürze an Nummer eins seiner Rangliste im Schwergewicht. Es stellt sich jedoch die Frage, ob der Ukrainer tatsächlich schon bereit ist, sich in der Königsklasse gegen die namhaftesten Rivalen anzutreten. Will er sich dort behaupten, darf er nicht so zurückhaltend zu Werke gehen, wie gegen Tony Bellew, und muß mit größerer Wucht zuschlagen, um die Konkurrenz zu beeindrucken. [4]

Für Ussyk, der im Juli das Finale der World Boxing Super Series gewonnen und dabei als erster Boxer alle vier maßgeblichen Titel im Cruisergewicht vereinigt hat, ist in dieser Gewichtsklasse nichts mehr zu holen. Sehr viel mehr Geld und Ruhm warten im Schwergewicht, doch eben auch überdimensionierte Probleme, wenn man allein an die körperlichen Proportionen der führenden Akteure denkt. Tony Bellew war 2016 zeitweise WBC-Champion im Cruisergewicht, aber nie der beste Akteur dieses Limits. Das galt um so weniger im Schwergewicht, wo er zweimal gegen seinen gealterten und verletzten Landsmann David Haye die Oberhand behielt. Dank eines großen Mundwerks und seines Promoters Eddie Hearn erweckte Bellew den Eindruck, daß alle Welt nur auf seine Auftritte warte. Tatsächlich war er nur in England recht populär, sofern er auf einen anderen Briten traf. Wenngleich seine Abschiedsvorstellung gegen den Ukrainer geraume Zeit sehr viel besser als erwartet ausfiel und er für diese Vorstellung allen Respekt verdient, war er doch nie ein außergewöhnlicher Boxer der höchsten Kategorie. Daran muß sich auch Oleksandr Ussyk in Hinblick auf seine aktuellen Perspektiven im Schwergewicht messen lassen.


Fußnoten:

[1] www.boxingnews24.com/2018/11/oleksandr-usyk-stops-tony-bellew-results/

[2] tv5.espn.com/boxing/story/_/id/25237013/oleksandr-usyk-defeats-tony-bellew

[3] www.boxingnews24.com/2018/11/judges-had-bellew-ahead-of-usyk-at-time-of-stoppage/

[4] www.boxingnews24.com/2018/11/oleksander-usyk-kos-tony-bellew/

12. November 2018


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