Schattenblick → INFOPOOL → SPORT → BOXEN


PROFI/700: Weltergewicht - welch unrühmliches Ende ... (SB)



Terence Crawford setzt sich vorzeitig gegen Amir Khan durch

Terence Crawford hat den WBO-Titel im Weltergewicht erfolgreich verteidigt. Der 31jährige Weltmeister aus Omaha in Nebraska setzte sich vor 14.000 Zuschauern im New Yorker Madison Square Garden in der sechsten Runde gegen den ein Jahr älteren britischen Herausforderer Amir Khan durch. Während der Champion damit in 35 Auftritten ungeschlagen ist, stehen für den ehemaligen Weltmeister der WBA und IBF im Halbweltergewicht nunmehr 33 Siege und fünf Niederlagen zu Buche. Das mit Spannung erwartete Aufeinandertreffen, vom Sender ESPN im Pay-TV übertragen, fand ein höchst unerfreuliches Ende, da Khan nach einem Tiefschlag von seinem Trainer Virgil Hunter aus dem Kampf genommen werden mußte.

Bereits in der ersten Runde schickte Crawford den Gegner mit einem rechten Konter zu Boden, worauf der sichtlich angeschlagene Brite Mühe hatte, es bis in die Pause zu schaffen. Durch diesen Volltreffer gewarnt, ließ es Khan in der Folge etwas ruhiger angehen. Das ermunterte den Titelverteidiger, den Druck zu erhöhen, bis er seinerseits einige Kombinationen einstecken mußte, die ihn zur Vorsicht gemahnten. In der dritten Runde wechselte Crawford in die Rechtsauslage, die er danach weitgehend beibehielt, ohne daß dies seine Offensive beeinträchtigt hätte. Er kam auf diese Weise mit dem Jab des Herausforderers besser zurecht und traktierte Khan im nächsten Durchgang mit einzelnen Schlägen. Dies war offensichtlich die Konsequenz daraus, daß ihn der Brite mit schnellen Kontern erwischt hatte, sobald er sich auf Kombinationen verlegte.

Crawford wollte kein unnötiges Risiko eingehen und baute auf diese Weise seinen Vorsprung aus, doch mußte er kurz vor Ende der vierten Runde eine wuchtige Rechte einstecken, die seine Aufmerksamkeit erzwang. Khan witterte augenscheinlich Morgenluft, da er im folgenden Durchgang immer besser zur Geltung kam und den Kampf zu drehen schien. Sein Vormarsch endete jäh in der sechsten Runde, als ihn der US-Amerikaner mit einem Tiefschlag von den Beinen holte. Ringrichter David Fields gab ihm fünf Minuten Zeit, sich davon zu erholen, worauf Hunter kurz mit seinem Schützling sprach und dann mitteilte, daß dieser nicht weiterkämpfen könne. [1]

Der für alle Beteiligten enttäuschende Ausgang verwehrte es Crawford, ein eindrucksvolles Zeichen zu setzen und seinen Anspruch zu unterstreichen, der beste Akteur der gesamten Branche zu sein. Auch Khan hatte sich natürlich wesentlich mehr versprochen, zumal er gerade besser in den Kampf zu kommen schien. Indessen belegt der Punktestand von 50:44 und zweimal 49:45 zum Zeitpunkt des Abbruchs, daß der Weltmeister bis dahin dominiert hatte. Laut der Statistik von CompuBox konnte Crawford 88 von 211 Schlägen ins Ziel bringen (42 Prozent), während Khan lediglich 44 Treffer bei 182 Versuchen (24 Prozent) gelungen waren. Insofern schien der Weltmeister auf einem guten Weg zu sein, am Ende die Nase eindeutig vorn zu haben. Zumindest in finanzieller Hinsicht kamen beide Boxer auf ihre Kosten, da Crawford 5,5 Millionen Dollar und Khan 5 Millionen Dollar als Minimum garantiert waren, wozu noch weitere Einkünfte aus den Fernsehgeldern kommen dürften.

Hinterher entschuldigte sich Amir Khan bei allen Fans und erklärte, er hätte ihnen gern mehr geboten. Crawford sei ein großartiger Boxer, der zweifellos zu den weltbesten Akteuren gehöre. Er selbst habe noch nie aufgegeben und auch diesmal nur deswegen nicht weitergekämpft, weil er sich nach dem Tiefschlag nicht mehr bewegen konnte. Virgil Hunter bestätigte, daß Khan aufgrund der Schmerzen seine Beine nicht mehr bewegen konnte, weshalb er entschieden habe, ihn aus dem Kampf zu nehmen. Crawford zeigte sich überzeugt, daß er den Herausforderer auf Dauer zermürbt hätte. Er habe sich Zeit gelassen und sei sehr enttäuscht über den Abbruch gewesen. Er halte Virgil Hunter jedoch für einen großartigen Trainer, der im besten Interesse seines Boxers gehandelt habe. [2]

Amir Khan hatte nach der schweren K.o.-Niederlage gegen den Mittelgewichtler Saul "Canelo" Alvarez im Jahr 2016 eine lange Pause von 23 Monaten eingelegt, ehe er in den Ring zurückkehrte. Er trat wieder im Weltergewicht an, das seinen körperlichen Voraussetzungen entspricht, und gewann zwei Kämpfe in Folge. Dank seiner Schnelligkeit hoffte er, dem favorisierten Crawford nicht nur standzuhalten, sondern für eine der größten Überraschungen in der Geschichte des britischen Boxsports sorgen zu können. Davon war er jedoch recht weit entfernt, zumal der US-Amerikaner geltend machte, daß Yuriorkis Gamboa und José Benavidez, die er beide vorzeitig besiegt hatte, wesentlich schneller als der Brite gewesen seien.

Seit dem Kampf gegen José Benavidez im Oktober 2018 hat Crawford offensichtlich körperlich zugelegt, so daß er deutlich massiver als sein britischer Gegner wirkte. Ob ihm das tatsächlich Vorteile verschafft, sei dahingestellt, da er von der fünften Runde an längst nicht mehr so agil wie zuvor boxte und offenbar müde zu werden schien. Sollte das der Fall gewesen sein, könnte es mit dem Muskelaufbau in einer relativ kurzen Frist zusammenhängen, der das Kreislaufsystem über Gebühr beansprucht. Die größte Herausforderung im Weltergewicht ist für ihn IBF-Champion Errol Spence, dessen Größenvorteil Crawford möglicherweise zu kompensieren versucht. Sollte das allerdings zu Lasten der Kondition gehen, wäre auf diese Weise nichts gewonnen.

Auf der anschließenden Pressekonferenz richteten Terence Crawford und sein Promoter Bob Arum von Top Rank den Blick auf ihren Wunschgegner Errol Spence, der am 16. März im Prestigekampf gegen Mikey Garcia alle zwölf Runden gewonnen hatte. Wie Arum erklärte, wolle jeder diesen Kampf, dem einzig und allein Al Haymon im Weg stehe. Der einflußreiche Berater hat im Weltergewicht neben Spence auch die beiden weiteren Weltmeister Keith Thurman und Shawn Porter sowie den Philippiner Manny Pacquiao unter Vertrag, der viele Jahre mit Top Rank zusammengearbeitet hatte. Arum und Haymon sind seit langem verfeindet und veranstalten nur in besonderen Ausnahmefällen gemeinsam Kämpfe, wie das 2015 beim spektakulären Duell zwischen Floyd Mayweather und Pacquiao der Fall gewesen war. Zudem sind sie mit unterschiedlichen Sendern assoziiert, denn während die Akteure von Top Rank bei ESPN zu sehen sind, werden die Auftritte des Formats Premier Boxing Champions von Showtime und Fox übertragen.

Da Al Haymon nie öffentlich in Erscheinung tritt und nicht mit den Medien spricht, blieb es Bob Arum überlassen, sich als Alleinunterhalter in Rage zu reden, um einen Kampf zwischen Terence Crawford und Errol Spence einzufordern. So warf er seinem Rivalen vor, nicht nur dieses allseits gewünschte Duell, sondern auch einen Kampf zwischen Deontay Wilder und Anthony Joshua im Schwergewicht zu verhindern. Haymon lasse seine Boxer nur Kämpfe austragen, die sie seines Erachtens sicher gewinnen können, und halte Crawford für zu gefährlich. Auf diese Weise ruiniere er den Boxsport, ging der Chef von Top Rank hart mit seinem unsichtbaren Konkurrenten ins Gericht. Dennoch werde er alles daransetzen, einen Kampf zwischen Crawford und Spence zu den denkbar günstigsten Bedingungen auf die Beine zu stellen, hob Bob Arum hervor, daß es ganz sicher nicht an ihm läge, sollte das Gipfeltreffen im Weltergewicht am Ende doch nicht zustande kommen.


Fußnoten:

[1] www.boxingnews24.com/2019/04/terence-crawford-stops-amir-khan-results/

[2] www.espn.com/boxing/story/_/id/26570794/crawford-wins-tko-khan-continue

24. April 2019


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang