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PROFI/704: Supermittelgewicht - schon wieder Oberwasser ... (SB)



Billy Joe Saunders einstimmiger Punktsieger über Sefat Isufi

Billy Joe Saunders ist neuer Weltmeister des Verbands WBO im Supermittelgewicht. Der 29 Jahre alte Brite sicherte sich vor heimischem Publikum in Stevenage, Hertfordshire, durch einen einstimmigen Punktsieg (120:108, 117:111, 118:110) über den gleichaltrigen Ranglistenersten Sefat Isufi aus München den kürzlich vakant gewordenen Titel. Der ehemalige WBO-Champion im Mittelgewicht setzte sich zwar verdient durch, bot aber gegen den krassen Außenseiter eine eher durchwachsene Vorstellung. Während Saunders damit in 28 Auftritten ungeschlagen ist, stehen für Isufi nun 27 Siege, vier Niederlagen sowie zwei Unentschieden zu Buche.

Der in der Rechtsauslage boxende Lokalmatador kämpfte zwar effektiv, agierte jedoch überwiegend aus der Defensive und mied den Schlagabtausch, was das Geschehen im Ring ziemlich ereignisarm und unansehnlich machte. Riskierte der Favorit ausnahmsweise einmal beherzt einen Angriff, fing er sich prompt einen satten Treffer ein. Isufi bot eine beachtliche Schlagwirkung auf und hatte seine besten Szenen, als er in der sechsten Runde mehrere gute Treffer landen konnte. Davon abgesehen, konnte man dem gebürtigen Serben noch die neunte und vielleicht auch die elfte Runde gutschreiben. Hätte Saunders einem hochklassigen Kontrahenten gegenübergestanden, wäre seine von schnellen Ausweichmanövern und dem ständig eingesetzten rechten Jab geprägte Vorgehensweise ratsam gewesen. Er hatte es jedoch mit einem Kandidaten zu tun, den die WBO aus wundersamen Gründen auf Platz eins ihrer Rangliste befördert hatte, wo er sichtlich nicht hingehörte. [1]

Wie Saunders in einer ersten Stellungnahme nach seinem Erfolg erklärte, habe ihn der Kampf phasenweise an eine Sparringsession erinnert. Das wirft natürlich kein gutes Licht auf den Verband und dessen Rangliste. Davon abgesehen hätte es dem Briten auch besser zu Gesicht gestanden, solche Bemerkungen zu unterlassen, die den geschlagenen Gegner herabwürdigten. Andererseits widersprach sich der Sieger selbst, indem er hinzufügte, Isufi sei wirklich gut und gewiß nicht grundlos Ranglistenerster der WBO. Das war nun wieder übertrieben, da der deutsche Kontrahent nie zuvor mit einem Gegner der internationalen Spitzenklasse im Ring gestanden hatte. Jedenfalls werde ihn sein boxerisches Können stets sehr weit in diesem Sport bringen, fuhr der Brite fort. Er wünsche sich große Namen und bedeutende Kämpfe zur Vereinigung der Titel oder gegen prominente Landsleute. Deshalb werde er sich mit seinem Promoter Frank Warren zusammensetzen, um möglichst bald wieder in den Ring zurückzukehren. Schließlich habe er das Mittelgewicht verlassen, weil dort niemand mehr gegen ihn antreten wollte.

Legt man die aktuelle Vorstellung des neuen Weltmeisters zugrunde, ist allerdings nicht abzusehen, wie Saunders diesen Titel lange behalten könnte, sofern er nicht wieder wie seinerzeit im Mittelgewicht nur einmal im Jahr gegen relativ schwache Herausforderer antritt. Wollte er auf die Schnelle noch einmal viel Geld verdienen, böten sich Saul "Canelo" Alvarez oder sein Landsmann Callum Smith an, sofern einer der beiden scharf auf den Gürtel der WBO sein sollte. Für einen Gang mit dem ebenfalls ungeschlagenen WBA-Weltmeister Smith könnte sich Saunders offenbar begeistern: Das wäre ein phantastischer Kampf für die gesamte Fangemeinde, zu dem er gerne auch nach Manchester reisen würde. [2]

Der 28 Jahre alte Callum Smith verteidigt seinen Titel voraussichtlich am 1. Juni im Vorprogramm des Schwergewichtskampfs zwischen Anthony Joshua und Andy Ruiz im New Yorker Madison Square Garden gegen Hassan N'Dam. Wenngleich die Verträge noch nicht unterzeichnet sind, scheint diesem Vorhaben doch nichts mehr im Wege zu stehen. Er selbst könne wohl am 13. Juli seinen nächsten Kampf bestreiten, wofür Smith demnach nicht in Frage komme, so Saunders. Sollte Saul "Canelo" Alvarez Mitte September nicht zu einem dritten Kampf gegen Gennadi Golowkin antreten, könnte Smith eine Chance gegen den Mexikaner bekommen. Andernfalls bliebe noch der Dezember, um dieses Duell auszutragen. Ob Saunders auf die eine oder andere Weise dazwischenpaßt, ist gegenwärtig nicht abzusehen.

Was Billy Joe Saunders bislang fehlt, ist ein wirklich großer Auftritt, den man als vorläufigen Höhepunkt seiner Karriere ausweisen könnte. Wie er noch heute behauptet, seien ihm "Canelo" und Golowkin im Mittelgewicht aus dem Weg gegangen, da sie mit seiner Kampfesweise nicht zurechtkämen und ihn deshalb mieden. Er habe zweimal Verträge für Kämpfe unterzeichnet, die dann doch nicht stattgefunden hätten. Offenbar hat der Brite seine Ausreden so oft wiederholt, daß er sie inzwischen selber glaubt. Oder er wiederholt schlichtweg das, was er immer vorgehalten hat, in der Hoffnung, daß sich heute niemand mehr daran erinnert, wie es sich damals tatsächlich zugetragen hat. So ließ er beispielsweise einen fest vereinbarten Kampf gegen Gennadi Golowkin mitten in den Verhandlungen platzen, indem er plötzlich eine maßlos überzogene Börsenforderung nachschob, welche die Gegenseite unmöglich akzeptieren konnte. Dabei wollte der Kasache unbedingt den WBO-Titel haben, der ihm damals in seiner Sammlung noch fehlte. Es gab also aus seiner Sicht nicht den geringsten Grund, Saunders eine Absage zu erteilen, während der Brite verständlicherweise kalte Füße bekommen hatte, da ihm eine desaströse Niederlage drohte. Daß niemand gern gegen ihn antritt, weil er ständig wegläuft oder notfalls klammert, mag schon zutreffen. Das heißt aber noch lange nicht, daß Golowkin und "Canelo" über kein Mittel verfügt hätten, ihn zu stellen und ihm eine Abfuhr zu erteilen.

Im Oktober 2018 schien sich endlich doch ein bedeutender Kampf anzubahnen, als Saunders seinen WBO-Titel im Mittelgewicht gegen den namhaften US-Amerikaner Demetrius Andrade verteidigen wollte. Der Brite wurde jedoch im Vorfeld dieses geplanten Auftritts von der Antidopingagentur VADA positiv auf eine verbotene Substanz getestet, worauf der Kampf ins Wasser fiel und Saunders den Titel abgeben mußte. Dennoch war Andrades Promoter Eddie Hearn willens, ihm ungeachtet des Dopingbefunds eine Chance zu geben und die erste Titelverteidigung gegen ihn auszutragen. Hätte Saunders nur abgewartet, bis seine relativ kurze Sperre abgelaufen war, um sich dann mit Andrade zu messen, wäre das im Falle des Erfolgs der Türöffner für einen Kampf gegen Golowkin oder "Canelo" gewesen. [3]

Statt dessen zog Saunders einen Aufstieg ins Supermittelgewicht vor, um dort gegen den weithin unbekannten Isufi um den vakanten WBO-Titel zu kämpfen. Dieser Schritt erweckte zwangsläufig den Eindruck, er wolle der gefährlichen Konkurrenz im Mittelgewicht abermals aus dem Weg gehen. Entweder war das tatsächlich der Fall oder Saunders begriff nicht, daß dieser Titel im Mittelgewicht ein Schlüssel zu den bedeutendsten Auftritten seiner Karriere gewesen wäre. Vermutlich traute sich der Brite schlichtweg nicht zu, mit Demetrius Andrade fertigzuwerden, weshalb es nahelag, seine Flucht mit dem Griff nach dem WBO-Gürtel im höheren Limit zu tarnen, als dieser gerade günstig zu haben war. Mit solchen Manövern ist er insofern seit Jahren gut gefahren, als er erstaunlicherweise noch immer ungeschlagen und heute wieder Weltmeister ist. Sich durchzulavieren ist und bleibt sein Metier, ob zwischen den Seilen oder bei der Karriereplanung.


Fußnoten:

[1] www.boxingnews24.com/2019/05/saunders-vs-isusfi-live-fight-results-from-uk-joyce-stops-ustinov

[2] www.espn.com/boxing/story/_/id/26776580/saunders-tops-isufi-wins-super-middleweight-title

[3] www.boxingnews24.com/2019/05/billy-joe-saunders-wants-callum-smith-unification-fight/

22. Mai 2019


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