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PROFI/707: Weltergewicht - dem Jungbrunnen entstiegen ... (SB)



Manny Pacquiao gewinnt Prestigekampf gegen Keith Thurman

Manny Pacquiao hat den Prestigekampf im Weltergewicht gegen Keith Thurman gewonnen. Vor 14.356 Zuschauern in der MGM Grand Garden Arena in Las Vegas setzte sich der 40 Jahre alte Philippiner gegen den zehn Jahre jüngeren und zuvor ungeschlagenen WBA-Weltmeister aus den USA knapp, aber verdient nach Punkten durch (115:112, 115:112, 113:114). Pacquiao ging von Beginn an in die Offensive und arbeitete in der ersten Hälfte des Kampfs einen Vorsprung heraus, den Thurman nicht mehr wettmachen konnte. Dieser mußte sich nach 29 Erfolgen erstmals geschlagen geben, für seinen Bezwinger stehen nun 62 Siege, sieben Niederlagen sowie zwei Unentschieden zu Buche.

Thurman lieferte seinem Gegner eine furiose Aufholjagd und schien mit ihm gleichzuziehen, doch Pacquiao ging in der zehnten und zwölften Runde noch einmal in die Offensive und stellte damit seinen Sieg sicher. Der US-Amerikaner war nicht schnell genug, um der hohen Schlagfrequenz des Kontrahenten durchgängig etwas entgegenzusetzen, so daß er sich gezwungen sah, den offenen Schlagabtausch zu meiden. Deshalb blieb ihm kaum eine andere Wahl, als sich auf seine gewohnte Kampfesweise zu beschränken, jedem Vorstoß sofort einen Rückzug folgen zu lassen. Da er in der Anfangsphase zu viele Runden abgegeben hatte, geriet er in zunehmendem Maße in die Enge, zumal ihm der Philippiner auch an Schlagwirkung überlegen war. [1]

Hatte Thurman zuvor angekündigt, er werde den legendären Veteranen endgültig aufs sportliche Altenteil schicken, und sich über die kürzeren Arme des kleineren Gegners lustig gemacht, so konnte er seinen großen Worten keine entsprechenden Taten folgen lassen. Bezeichnend waren jene drei Situationen, in denen er schwerste Treffer einstecken mußte. Jedesmal setzte er in der Folge auf Flucht, was man bei Pacquiao niemals sah. Fing sich der Philippiner einen harten Treffer ein, ging er unbeirrt weiter in die Offensive, um sich sofort zu revanchieren. Daß der zehn Jahre jüngere US-Amerikaner zu diesem Mittel greifen mußte, das in aller Deutlichkeit aufzeigte, in welche Schwierigkeiten er geraten war, stand ihm nicht nur schlecht zu Gesicht, sondern dürfte sich auch auf den Zetteln der Punktrichter negativ niedergeschlagen haben. [2]

Bereits in der ersten Runde mußte Thurman den Rückzug antreten, da Pacquiao sofort heftig auf ihn losging. Wenige Sekunden vor der Pause schickte der Philippiner seinen Gegner mit einer Rechten zum Kopf auf die Bretter, wobei Thurman nicht so sehr schwer getroffen, als vielmehr in einer ungünstigen Schwungphase erwischt worden war. Auch im zweiten Durchgang feuerte der Philippiner aus allen Rohren und ständig wechselnden Vektoren, während er Thurman unablässig nachsetzte. Dieser versuchte zwar mitzuhalten, kam aber nicht recht zum Zuge, da er ständig bedrängt wurde. Zwar gelang es ihm, den Philippiner in der dritten Runde in die Seile zu treiben, doch entkam dieser der mißlichen Lage umgehend mit einem Gegenangriff. Der US-Amerikaner setzte in der Folge mit einigem Erfolg verstärkt auf den Jab und Schläge zum Körper, doch Pacquiao ging immer wieder mit schnellen Kombinationen auf ihn los und machte damit die bessere Figur.

Erst als es der Philippiner von der sechsten Runde an etwas langsamer angehen lassen mußte, kam Thurman besser zu Geltung und mit guten Schlägen durch. Im achten Durchgang fing er sich jedoch wieder eine harte Linke ein, und auch ein heftiger Schlagabtausch in der folgenden Runde führte nicht dazu, daß der US-Amerikaner eindeutig die Oberhand gewonnen hätte. Er traf zwar inzwischen häufiger, erzielte aber keine durchschlagende Wirkung, während er selbst nach einem schweren Körpertreffer in der zehnten Runde weglaufen mußte. Im vorletzten Durchgang landete Thurman eine sehenswerte Kombination, doch in der zwölfte Runde war es dann wieder Pacquiao, der in einem dramatischen Finale die heftigeren Treffer landen konnte.

Vor allem in der ersten Hälfte des Kampfs erinnerte Manny Pacquiao an seine besten Zeiten, die nun schon zehn Jahre zurückliegen. In dieser Phase versäumte es Thurman, die Dominanz des Philippiners zu brechen, und als dieser später dem hohen Tempo Tribut zollen mußte, konnte der US-Amerikaner kein Kapital daraus schlagen. Er ging allzu vorsichtig zu Werke, da er offenbar die Wirkungstreffer des Gegners fürchtete. Daher hatte er lediglich in der Statistik am Ende die Nase vorn, die glücklicherweise keine Rolle bei der Wertung des Kampfes durch die Punktrichter spielt. Laut CompuBox hatte Pacquiao 195 von 686 Schlägen ins Ziel gebracht (28 Prozent), während Thurman 219 Treffer bei insgesamt 571 Versuchen gelungen waren (37 Prozent). [3]

In der Vergangenheit war Thurman für seine unglaublich schnellen Hände bekannt, doch ist er nach einer langen Abwesenheit von 22 Monaten, in denen er an Verletzungen laborierte, sichtlich langsamer geworden. Auch hat er unterdessen geheiratet und sein Familienleben genossen, was es sicher nicht einfacher machte, sich im Anschluß an die ausgiebige Pause wieder in Bestform zu bringen. So wurde dem Champion aus Clearwater in Florida die sechste Titelverteidigung zum Verhängnis. Pacquiao hat nach der Rückkehr zu seinem langjährigen Trainer Freddie Roach auf eine Vorbereitung nach früherem Muster gesetzt und insbesondere an der Schnelligkeit seiner Schläge gearbeitet. Die Früchte dieser Ausrichtung zeichneten sich schon bei den kurzen Demonstrationen für die Medien im Vorfeld des Kampfes ab, bei denen der Philippiner einen ausgesprochen angriffslustigen und mobilen Eindruck machte.

Manny Pacquiao ließ sich nach seinem Sieg von den restlos begeisterten Zuschauern stürmisch feiern und dankte ihnen für ihr Kommen. Er sei sich sicher, ihnen einen guten Auftritt geboten zu haben. Er habe den Kampf genossen, da sein Kontrahent ein erstklassiger Boxer sei. Soweit im Vorfeld böse Worte gefallen seien, hätten sie lediglich der Werbung gedient. Am Ende hätten beide ihr Bestes gegeben und die Fangemeinde glücklich gemacht. Wie Thurman einräumte, springe der Philippiner mit enormer Beweglichkeit umher und schlage ungeheuer schnell. Er beklagte sich nicht über die Wertung, sondern zollte Pacquiao den größten Respekt: Man werde im Leben gesegnet und lektioniert, und an diesem Abend sei ihm beides zuteil geworden. Dafür danke er Manny Pacquiao und allen, die zu diesem Ereignis zusammengekommen seien.

Er hoffe sehr, dem Kampf zwischen Errol Spence und Shawn Porter am 28. September beiwohnen zu können und plane einen weiteren Auftritt im nächsten Jahr, gab Pacquiao ein erfreuliches Signal, daß weiter mit ihm zu rechnen ist. Da er als Senator auf den Philippinen gewissermaßen Boxer im Zweitberuf ist, kann man angesichts seines Alters einen Rücktritt vom Sport natürlich nie ausschließen, nach dem es freilich gegenwärtig nicht aussieht. Offenbar steht ihm der Sinn danach, gegen den Sieger des Septemberkampfs anzutreten, was auch Spence entgegenkäme, der das seinerseits ins Gespräch gebracht hat. Errol Spence gilt als derzeit bester Akteur im Weltergewicht und ist noch nie einem gefährlichen Gegner aus dem Weg gegangen. Er hat Kell Brook in England, Shawn Porter und Danny Garcia besiegt wie auch bereits geraume Zeit einen Gang mit Pacquiao gefordert.

Allerdings hat der Brite Amir Khan jüngst versichert, die Verträge für einen Kampf gegen Pacquiao am 9. November in Saudi-Arabien seien unterzeichnet. Das hat der Philippiner zwar umgehend dementiert, doch dürfte dabei eine Kombination aus sehr viel Geld und eher geringer Gefahr im Spiel sein, so daß Pacquiao schwach werden könnte. Für Fans und Experten wäre das eine riesengroße Enttäuschung, nun da Pacquiao eine überragende Leistung geboten und den WBA-Titel gewonnen hat, nachdem er bislang nur die nachrangige Trophäe dieses Verbands in seinem Besitz gehabt hatte. Ein Duell der Weltmeister zur Vereinigung der Titel gegen Errol Spence, der als Favorit bei der Revanche mit Shawn Porter gilt, wäre zweifellos der hochklassigste und zugleich einträglichste Auftritt, den diese Gewichtsklasse aktuell zu bieten hätte.

Manny Pacquiao, der als einziger Akteur in der Geschichte des Boxsports Weltmeister in acht verschiedenen Gewichtsklassen geworden ist, steht längst im Rang einer lebenden Legende. Nun hat er den erstaunlichen Beweis angetreten, daß er nach einer 24 Jahre währenden Karriere im Ring noch immer einen der hochklassigsten Gegner im Weltergewicht besiegen kann. Wenngleich beide Akteure für sich in Anspruch genommen hatten, von vornherein die führende Rolle in diesem Kampf zu spielen, zeigt die Aufteilung der Einkünfte, daß dem nicht so war. Während Pacquiao eine Garantiebörse von 10 Millionen Dollar in Aussicht stand, mußte sich Thurman mit 2,5 Millionen bescheiden. Für den US-Amerikaner war dies dennoch die höchste Gage seiner Karriere, und da ihr Auftritt von Fox Sports im Pay-TV übertragen wurde, erwartet beide Boxer noch ein Anteil am Erlös der Fernsehvermarktung von etlichen weiteren Millionen Dollar. [4]


Fußnoten:

[1] www.boxingnews24.com/2019/07/pacquiao-vs-thurman-live-fight-results-from-las-vegas/

[2] www.boxingnews24.com/2019/07/boxing-results-manny-pacquiao-beats-keith-thurman/

[3] www.espn.com/boxing/story/_/id/27231617/pacquiao-hands-thurman-1st-career-loss

[4] www.boxingnews24.com/2019/07/purses-pacquiao-10m-thurman-2-5-million/

21. Juli 2019


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