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BERICHT/340: Interview zum Thema Dopingkontrollsystem (DOSB)


DOSB Presse - Der Artikel- und Informationsdienst
des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Stichwort: Dopingkontrollsystem

Vier Fragen an Claudia Bokel, Vorsitzende des Beirats der Aktiven und Mitglied im DOSB-Präsidium


"Eine bessere Kommunikation mit den Athleten ist notwendig"

Die offensichtlichen Schwachstellen im deutschen Doping- Kontrollsystem wurden in einem Treffen des Beirats der Aktiven des Deutschen Olympischen Sportbundes und Vertretern der Nationalen Anti-Doping-Agentur (NADA) diskutiert. Zu den Inhalten und Ergebnissen nimmt die Vorsitzende des Beirats der Aktiven, Claudia Bokel, die auch Mitglied im Präsidium des Deutschen Olympischen Sportbundes ist, im Interview Stellung.

DOSB PRESSE: Claudia Bokel, die Diskussionen der vergangenen Tage um die Schwachstellen im deutschen Dopingkontrollsystem betreffen in starkem Maße auch die Athleten selbst. Der Beirat der Aktiven hat sich in Frankfurt mit den Vertretern der Nationalen Anti- Dopingagentur NADA getroffen. Was sind ihre Kritikpunkte?

BOKEL: Wir haben uns mit der NADA nicht nur getroffen, um die jetzt veröffentlichten Zahlen sogenannter "missed tests" zu diskutieren, sondern um unsere Bedenken an der Praxis des Dopingkontrollsystems im Allgemeinen zu besprechen. Insbesondere das Abmeldeverfahren funktioniert nicht so, wie es dies unserer Meinung nach tun sollte. Auch wenn der Sportler selbst absolut gewissenhaft ist, kann es zu großen Schwierigkeiten kommen, sich ordnungsgemäß abzumelden. Nicht überall ist beispielsweise ein Internetzugang oder ein Faxgerät vorhanden, wenn man auf Reisen ist. Hier müssen auf jeden Fall Verbesserungen getätigt werden, um die technischen Voraussetzungen zu schaffen, sich jederzeit abmelden zu können. Per sms, nur um dieses Beispiel zu nennen, ist dies zur Zeit nicht möglich.

DOSB PRESSE: Praxis ist aber auch, dass Sportler im Einzelfall darauf vertrauen, von ihren Verbänden oder Trainern abgemeldet zu werden...

BOKEL: Unser Appell geht an alle Sportler dahingehend, diese Aufgabe selbst zu übernehmen. Jeder Athlet ist selbst dafür verantwortlich, exakte Angaben zu machen, und darf sich nicht auf den Verband oder irgendwelche Vertreter verlassen.

DOSB PRESSE: Zuletzt gab es bei der Anhörung vor dem Sportausschuss in Berlin einige Verwirrung darüber, wie die Fristen zu verstehen sind, nach denen sich Sportler abmelden müssen. Sie selbst hatten sich für die Anhörung abgemeldet, Marion Rodewald musste sich für diesen Termin nicht abmelden, weil sie einem anderen Testpool angehört...

BOKEL: Daraus wird ersichtlich, dass eine bessere Kommunikation mit den Athleten ebenso notwendig ist wie eine detaillierte Information oder, wenn Sie so wollen, Aufklärung darüber, was alles in welchen Fristen beachtet werden muss. Wie viel im argen liegt, ist daraus zu ersehen, dass nach der Ausstrahlung des Berichtes die Zahl der Abmeldungen stark gestiegen ist. Dies liegt zum Teil an den Athleten selbst, deshalb ja auch unser Appell an die Selbstverantwortlichkeit. Daraus wird aber auch deutlich, dass die Regeln schwer verständlich waren und nicht gut kommuniziert wurden. Nötig ist auch der internationale Abgleich der Regeln ebenso wie die Harmonisierung zwischen den Verbänden. Die NADA hat bei unserem Treffen in Frankfurt zugesagt, dass gemeinsam mit den Sportlern ein besseres Abmeldeverfahren entwickelt werden muss, damit wir Sportler zeigen können, dass wir "sauber" sind.

DOSB PRESSE: Dafür müssen sie aber, was ihre Persönlichkeitsrechte betrifft, weitaus tiefere Einschnitte akzeptieren als ihre Mitbürger.

BOKEL: Darüber sind wir uns wohl bewusst. Es ist tatsächlich eine Menge, was uns Sportlern in dieser Hinsicht zugemutet wird. Auch wir haben ein Recht auf Privatleben. Aber wir sind bereit, alles entsprechend der gestellten Regeln offen zu legen, um zu unterstreichen, dass Leistungssport und Höchstleistungen ohne Doping möglich sind. Wir sind davon überzeugt, dass die Mehrzahl der Athleten ihren Sport absolut "sauber" ausübt. Aber unsere Angaben müssen auch vertraulich bleiben. Es kann nicht sein, dass, wie zuletzt in der ARD-Reportage geschehen, Listen gezeigt werden oder Wohnorte von Athleten, die sehr leicht zu identifizieren sind. Ganz klar, wer dopt, betrügt alle, seine Kontrahenten, die Zuschauer, und muss in unser aller Interesse bestraft werden. Aber auch für uns Sportler muss gelten, was für alle anderen Bürger gilt: Die Persönlichkeitsrechte sind zu achten.


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 6 vom 6. Februar 2007, Seite 9-11
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veröffentlicht im Schattenblick zum 21. Februar 2007