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BERICHT/472: Ballack schubst, 3:1 - na und!? (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 27 / 1. Juli 2008
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Ballack schubst, 3:1 - na und!?

Gordischer Knoten aus Doppelmoral, Erfolgsorientierung und mangelndem Fairnessbewusstsein


Bei Licht besehen war es ein Foul, vor allem in Zeitlupe. Michael Ballack hat vor seinem entscheidenden Kopfballtor im EM-Viertelfinalspiel seinen portugiesischen Gegenspieler regelwidrig weggestoßen. Der Schiedsrichter sah es nicht, Deutschland gewann. Alle freuten sich über das gute Spiel und über den Sieg, denn er war ja verdient. Doch war er das? Wo war sie, die Empörung über das unrechtmäßige Zustandekommen des Tores? Irgendetwas scheint ob der Offensichtlichkeit des Tatbestandes falsch gelaufen zu sein, oder hatte alles seine "Richtigkeit"? Schon bei den ersten Fragen nach der Legitimation des festgestellten Tatbestandes fühlt man sich unvermittelt in die ethische Achterbahn einer schwierigen Fairnessdiskussion versetzt. Doch wer nimmt im Zweifel schon gerne turbulente Berg- und Talfahrten in Kauf, sind doch Übelkeit, Schwindelgefühle und Orientierungslosigkeit die vorhersehbaren Folgen?

Man kann es sich einfach machen, und die meisten - zumindest die, die mit der deutschen Mannschaft fieberten - taten das auch: "Foul ist, wenn der Schiedsrichter pfeift!" Das passt! Und diese Unumstößlichkeit ist auch kompatibel mit dem verdienten Sieg. Ende der Diskussion, Sekt aus dem Kühlschrank! Die Maßnahme gleicht dem berühmten Zerschlagen des Gordischen Knotens. Zurück bleibt jedoch ein unbefriedigendes Chaos von losen Teilen und eigentlich mehr Fragen als Antworten. Deshalb zumindest der Versuch, den Knoten nicht mit einem Schwert zu zerschlagen, sondern einzelne der Schnüre zu entwirren oder loszulösen.

Eines vorweg: Nein, hier spricht nicht der selbsternannte Moralapostel, der in Überhöhung eines glorifizierenden Sportethos Weltverbesserungstheorien verbreitet. Das wäre hybrid, und der mahnende Zeigefinger hat noch niemals zu einer ethischen Erneuerung beigetragen. Doch das "In-Frage-Stellen" sei erlaubt - oder sogar geboten!


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 27 / 1. Juli 2008, S. 15
Der Artikel- und Informationsdienst des
Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)
Herausgeber: Deutscher Olympischer Sportbund
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. Juli 2008