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BERICHT/485: Grüne Spiele oder außer Atem? (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 31 / 29. Juli 2008
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Grüne Spiele oder außer Atem?
Pekinger Olympiaorganisatoren mit ehrgeizigen Zielen im Umweltbereich

Von Andreas Klages


(DOSB PRESSE) Smog in Peking, Algenpest in Qingdao, Marathontraining mit Atemschutzmasken. Diese und weitere Schlagzeilen zu den Umweltaspekten der Olympischen Spiele 2008 werden immer bedrohlicher und verstellen zugleich den Blick auf ein differenziertes Bild zwei Wochen vor der Eröffnung der Olympischen Spiele. Das Pekinger Organisationskomitee BOCOG hat sich im Umweltbereich ein ehrgeiziges Ziel verordnet, dessen Umsetzung ein sehr anspruchsvolles Umweltprogramm mit einem hohen technischen Standard und einem Investitionsvolumen von über zwölf Mrd. US Dollar enthält. Die Anwendungsfelder beziehen sich u.a. auf Müllvermeidung und -Management, Staubvermeidung bei den Großbaustellen, erhebliche Verbesserungen im ÖPNV (insbesondere U-Bahn Bau), Neugestaltung von Naherholungsgebieten und Grünbrücken, Solar-, Photovoltaik und Windtechnologie, Biodiversität (Verlegung der Laufstrecken wegen bedrohter Tierarten), Umweltbildungs-Maßnahmen, Nachnutzungskonzeption für Sportstätten (z.B. Kindergarten) etc. In Peking wurden darüber hinaus in den letzten Jahren Kohlekraftwerke geschlossen. Der Verbrauch des vergleichsweise sauberen Erdgases ist deutlich gestiegen, während emissionsintensive Fabriken geschlossen wurden. Verkehrsbezogene Maßnahmen ergänzen das Programm, z.B. wurde in China kürzlich der europäische Abgasstandard 4 eingeführt. Diese Stichworte und Aktivitäten sind beeindruckend. Die Austragung der Olympischen Spiele hat diese und weitere Umweltschutz-Maßnahmen initiiert bzw. beschleunigt, und auf der IOC-Umweltkonferenz diskutierten im Oktober 2007 in Peking Greenpeace und lokale Umweltschutzgruppen Prinzipien einer nachhaltigen Stadtentwicklung.

Doch zu den vielen Widersprüchen Chinas gehört leider auch das Thema Umwelt, denn das ehrgeizige Milliardenprogramm war und ist auch nötig angesichts der insgesamt kritischen Umweltsituation, die das rasante und unkontrollierte Wachstum der chinesischen Hauptstadt, ihrer Industrie und des Verkehrs verursacht hat. So wirft die Luftverschmutzung, ein seit Jahren drängendes Problem Pekings, die Frage auf, ob an allen Tagen der Spiele der Smog auf ein angemessenes Maß entsprechend internationaler Standards reduziert werden kann. Seit 1998 ist die Einwohnerzahl von 12 auf über 16 Millionen Menschen gestiegen, und die Zahl der zugelassenen PKW ist von 1,16 auf 3,29 Millionen in die Höhe geschossen. Lebensstandard, Flächen- und Energiebedarf sowie Individualverkehr sind rasant gewachsen. Die Umweltanstrengungen Pekings werden durch den Wirtschaftsboom und die Entwicklungsdynamik der chinesischen Hauptstadt zumindest in Teilen aufgezehrt - so verbesserten sich zwar die Schwefeldioxid-Werte, doch gleichzeitig verschlechterte sich die Situation bei anderen Schadstoffen. Der äthiopische Langstreckenläufer Gebrselassie hat mit der Begründung, die Verschmutzung sei eine Gefahr für seine Gesundheit, seine Teilnahme am Marathon abgesagt und will nun die 10.000 Meter laufen. Und Arne Ljungqvist, Chef der IOC Medizinkommission, geht davon aus, dass einige Athleten nur eine leicht reduzierte Leistung erbringen können.

Neben der Luftqualität macht das Wassermanagement Probleme - in Peking wird das Wasser knapp, da der Jahresbedarf auf mittlerweile 200 Millionen Kubikmeter gestiegen ist. Zwei Drittel dieses Bedarfs werden aus dem Grundwasser bezogen. Der Grundwasserspiegel ist in den letzten Jahren um durchschnittlich 15 Meter gefallen. Doch dies reicht nicht mehr - die Hauptstadt muss ihr Umland anzapfen und Wasser über ein Leitungssystem über mehrere hundert Kilometer nach Peking führen. Dies führt zu Engpässen in den umliegenden Provinzen, vor allem in der Landwirtschaft. Auch hier sind die Ursachen für die Wasserknappheit hausgemacht und haben mit den Olympischen Spielen wenig zu tun. Olympia hat jedoch dazu geführt, dass das Wassermanagement zu einem wichtigen Teil des BOCOG-Umweltprogramms wurde und auch öffentlich an Bedeutung gewonnen hat.

Bringt Peking grüne Spiele oder geht der chinesischen Hauptstadt der Atem aus? Diese und weitere Fragen nach der konkreten Umweltbilanz der Olympischen Spiele kann wohl erst nach ihrem Abschluss durch ein unabhängiges Audit beantwortet werden. Die Politikfelder Umwelt- und Klimaschutz werden zukünftig noch wichtiger - allgemein politisch wie im Sport. Diese Aussage von IOC-Präsident Rogge könnte für zukünftige Olympiabewerbungen wegweisend werden. Es scheint jedenfalls, als haben Umweltschutz und Nachhaltigkeit in der olympischen Bewegung noch eine große Zukunft.


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 31 / 29. Juli 2008, S. 18
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 5. August 2008