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BERICHT/491: Allianz "Bewegung für Kinder" in Städten und Gemeinden (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 31 / 29. Juli 2008
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Allianz "Bewegung für Kinder" in Städten und Gemeinden

Von Rainer Brechtken, Präsident des Deutschen Turner-Bundes


Es sind Sommerferien. Vermeintlich die schönste Jahreszeit für unsere Kinder. Unbeschwert von schulischen Zwängen können die Kinder draußen spielen, laufen, springen, klettern, toben oder schwimmen. Denkste! So war es früher durchgängig, die Realität heute sieht vielfach anders aus. In unseren Städten und Gemeinden gibt es immer weniger öffentlichen Raum für Spiel und Bewegung von Kindern. Turnhallen sind in den Ferien häufig wochenlang geschlossen, weil das Personal in Urlaub ist. Die Kinder bleiben im Haus, TV-Programm und Computerspiele bieten Zeitvertreib.

Die Ergebnisse des von der Bundesregierung in Auftrag gegebenen Kinder- und Jugendgesundheitssurveys (KiGGS) sind entsprechend alarmierend: 15 Prozent der Kinder haben Übergewicht und die motorische Leistungsfähigkeit der Kinder und Jugendlichen ist erschreckend schwach ausgeprägt, weil beispielsweise jedes vierte Kind im Alter von drei bis zehn Jahren nur unregelmäßig Sport betreibt. Und dann müssen wir noch lesen, dass nach Auskunft der Deutschen Lebensrettungs-Gemeinschaft (DLRG) insgesamt 34 Prozent der deutschen Kinder und Jugendlichen nicht schwimmen können, weil sie keine Gelegenheit hatten, dies im Kindergarten oder der Grundschule zu lernen. Der Deutsche Schwimmverband (DSV) hat diesen Tatbestand zu Recht als "gesellschaftspolitischen Skandal" bezeichnet. Mit der hieraus resultierenden Forderung nach einem Aktionsbündnis für Bäder kommt an dieser Stelle die Sportstätten-Entwicklungsplanung in den Kommunen ins Spiel. Hier findet allmählich ein längst fälliger Methodenwechsel von einem flächenbezogenen Planungsansatz (Fläche pro Einwohner) zu einer verhaltensorientierten Sportstättenplanung statt. Damit entwickelt sich Sportstättenplanung weiter zu einem Prozess der Sport- und Stadtentwicklung. Der DTB hat diesem Ansatz bereits vor einiger Zeit Rechnung getragen mit dem von Prof. Dr. Jürgen Dieckert erarbeiteten Raumkonzept "Zukunftsmodell Turn-Mehrzweckhallen" mit den Modulen Kinderturn-Halle, Gym-Halle und Fitness-Halle. Sport- und Stadtentwicklung in Bezug auf Kinder heißt also: In jeder Stadt und in jeder Gemeinde brauchen wir eine Allianz für Bewegung von Kindern. Stadtplaner und Politiker, Pädagogen aus Kindergärten und Schulen, Turnvereine und weitere Einrichtungen, die mit Kindern zu tun haben, gehören an einen Tisch. Aufgabe dieser Allianzen ist, für die jeweilige Kommune eine Leitplanung "Bewegung für Kinder" aufzustellen. Dabei geht es darum,

öffentliche Räume in den Städten und Gemeinden für die Bewegung von Kindern zurück zu gewinnen,
Kindertagesstätten, Kindergärten und Grundschulen Zugang zu Schwimmbädern zu ermöglichen,
die Einrichtungen für Kinder mit Bewegungslandschaften und Kinderturngeräten zu versorgen,
das Verfahren für die Zusammenarbeit zwischen Turnvereinen und Schulen bei Angeboten in der Ganztagsbetreuung der Schulen zu koordinieren,
Eltern und Erziehungsberechtigte zu überzeugen und zu motivieren, dass Sport und Bewegung für die Entwicklung der Kinder den gleichen Stellenwert hat wie die Ausbildung in Fremdsprachen oder Naturwissenschaften.

Die Mitwirkung des organisierten Sports in dieser Leitplanung kann sich nicht vordergründig darauf beschränken, frühzeitig Talente für einzelne Sportarten gewinnen zu wollen. Damit sind möglicherweise Vorbehalte gegen den Sport bereits vorprogrammiert. Vielmehr muss es in einer Allianz "Bewegung für Kinder" darum gehen, Kindern durch Spiel und Sport eine vielseitige motorische Grundlagenausbildung zu vermitteln und die Motivation für eine lebenslange, gesunde sportliche Betätigung zu verschaffen. Hier müssen Turnen, Leichtathletik und Schwimmen als zentrale Grundsportarten zusammenarbeiten, um eine frühe, einseitige Sportart-Spezialisierung zu vermeiden. Mit dem Kinderturnen verfügt der Deutsche Turner-Bund mit seinen Mitgliedsvereinen über ein solches Bewegungsprogramm, das nachgewiesenermaßen Grundlagen schafft in den Bereichen Ausdauer, Kraft, Schnelligkeit, Koordination und Beweglichkeit. Wer in frühen Jahren regelmäßig Kinderturnen betreibt, ist fit für jede Sportart. Und ist fit im Kopf, denn die Hirnforschung vermittelt uns aktuell, dass eine ganzheitliche und vielseitige Bewegung im Kindesalter die Synapsenbildung im Gehirn fördert. Kinderturnen ist für die gesunde körperliche und geistige Entwicklung unserer Kinder unverzichtbar. In einer kommunalen Allianz "Bewegung für Kinder" muss daher vor allem Kinderturnen im Mittelpunkt stehen. Der Deutsche Turner-Bund, seine Mitgliedsorganisationen, Turnvereine und Turnabteilungen stehen hier zur Mitarbeit zur Verfügung. Konzepte und Expertenwissen für mehr Bewegung für Kinder gibt es also genug. Es kommt nun darauf an, was wir auf regionaler und lokaler Ebene daraus machen.


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 31 / 29. Juli 2008, S. 34
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 7. August 2008