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BERICHT/625: Frauen in Führungspositionen - Hier Panoramablick, dort Tunnelblick (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 42 / 13. Oktober 2009
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Hier Panoramablick, dort Tunnelblick
Interessanter Diskussionsabend über die Frauen in Führungspositionen

Von Hansjürgen Wille


(DOSB PRESSE) Sind Frauen anders als Männer? "Ja", behauptete ohne Umschweife die Professorin Gertrud Höhler bei der ersten von insgesamt drei Festveranstaltungen, mit denen der Landessportbund Berlin in diesen Wochen sein 60-jähriges Bestehen feiert, und fokussierte dabei ihre Aussage auf drei Dinge, das Denken, Fühlen und Handeln. Der informative Abend im Ludwig-Erhard-Haus der Industrie- und Handelskammer, der unter dem Motto "Die zweite Reihe ist passé - Frauen in Führungspositionen" stand, ergab bei den vielen Besuchern jede Menge Diskussionsstoff und Redebedarf.

Wissenschaftlich fundiert und mit biologisch-physiologischen Erkenntnissen untermauert, sprach die als Referentin verpflichtete Publizistin und Beraterin für Wirtschaft und Politik über die unterschiedlichen Rollen und Vorgehensweisen der beiden Geschlechter, wenn es darum geht, im Kampf um bestimmte hochrangige Ämter sich ins rechte Licht zu setzen. "Frauen, sind vorsichtiger, abwägender, bescheidener", so stellte Gertrud Höhler in ihrem Vortrag fest, "sie stellen sich nicht so sehr in den Vordergrund, sie sind hegend und das Erreichte schützend. Aber sie gelten als innovationsstärker und können besser kämpfen, wenn es erforderlich ist. Sie besitzen darüber hinaus den Vorteil eines Panoramablicks, sehen mehr, beobachten mehr, erzählen mehr und haben die besseren Argumente. Aber sie wollen, und das wird oft sehr deutlich, auch etwas mehr von ihrem Leben haben."

Um in Führungspositionen zu gelangen, müssen die Frauen häufig mehr oder weniger von außen gedrängt werden. Sie brauchen gutes Zureden ("Du schaffst das schon") und Mutmacher, um ihre Selbstzweifel abzulegen, meinte der neue LSB-Präsident und ehemalige Berliner Sportsenator, Klaus Böger, einer von vier Protagonisten in der anschließenden von der DOSBVizepräsidentin Prof. Gudrun Doll-Tepper geleiteten Diskussionsrunde. Und der SPD-Politiker fuhr fort: "Ich bin zwar gegen eine Quotenreglung, weiß aber, dass dadurch erst viele Fortschritte für die Frauen ermöglicht wurden. Grundsätzlich bin ich der Auffassung, dass in Sachen Gleichberechtigung in den letzten 60 Jahren enorm viel geschehen ist. Man kann auch sagen, dass auf diesem Gebiet eine gesellschaftspolitische Revolution vonstatten ging."

Dennoch werden, was die Vergangenheit deutlich bestätigt, viele Aufsichtsräte und Vorstände, ob nun in der Wirtschaft, in der Politik oder auch im Sport von den Herren der Schöpfung dominiert. Daran ändert nichts, dass Deutschland nicht einen Kanzler, sondern eine Kanzlerin hat. Gertrud Höhler hat dafür eine recht plausible Erklärung gefunden und meinte halb ironisch: halb ernst: "Eigentlich ist der Mann eine Sparausgabe, ist fokussiert auf das Wesentliche, liebt das Abenteuer, was uns allen bei der Finanzkrise bitter vor Augen geführt wurde, denkt stets nur an sein eigenes Fortkommen und seine Karriere. Dabei fällt er durch Selbstsicherheit und Imponiergehabe auf, blickt immer nur gerade aus und behauptet stets, es zu schaffen, obwohl er eine bestimmte Tätigkeit noch nie ausgeübt hat." Auf einen Nenner gebracht heißt das, er verfügt über den sogenannten Tunnelblick. Augen zu und durch. Rücksichtslos und nach dem Motto, komme, was da wolle. Gudrun Doll-Tepper, die auf das Jahr der Frauen im Sport und den Slogan "Frauen gewinnen" hinwies, malte ein überspitzt provokantes Bild von einer weiblichen Führungskraft im Sports an die Wand, das wohl, wie es scheint, nach wie vor seine Gültigkeit besitzt: "Die entsprechende Frau sollte", so formulierte die DOSB-Vizepräsidentin, "möglichst keine Kinder haben, beziehungsweise ihre Kinder sollten schon außer Haus sein, sie sollte es im Berufsleben zu etwas gebracht haben, über einen Hochschulabschluss verfügen, eine gute Sportlerin gewesen sein und von ihrem Partner die entsprechende Unterstützung erhalten." Ein bisschen viel an Voraussetzungen für ein besonderes Ehrenamt.

"Es stimmt allerdings, wir müssen oft erst zu unserem Glück gezwungen werden", gab Sabine Clausecker, Chefin einer Berliner Agentur für Kommunikation, frank und frei zu. "Wichtig ist jedoch, dass wir eine gute Ausbildung besitzen, dann können wir auch etwas bewegen." Dem hätte Ditte Kotzian, die Olympia-Dritte im Wasserspringen, gern zugestimmt, wenn es ihr als ehemaliger Leistungssportlerin nicht so unendlich schwer gemacht würde, überhaupt einen richtigen Job zu bekommen. "Nach Abschluss des Studiums habe ich auf meine vielen Bewerbungsschreiben bisher nur Absagen erhalten, weil ich als inzwischen 30-Jährige, die einst viel Zeit dem Sport geopfert hat, keine Berufserfahrung aufweisen kann wie andre Gleichaltrige." Dabei unterstrich sie, dass sie durchaus bereit wäre, Verantwortung zu übernehmen. Was bei Führungspositionen in einem Verein oder Verband nicht immer so ganz einfach ist, wie der Bundestagsabgeordnete, Unternehmer und Präsident der Handball-Füchse Berlin, Frank Steffel, erklärte, denn in einer gewachsenen Organisationsstruktur muss man sich hochdienen. So ist das jedenfalls die Regel. Und in Bezug auf die Frauen meinte er: "Sie sind schwer zu überzeugen, sich für ein Amt zur Verfügung zu stellen. Das heißt aber nicht, dass sie kein Interesse haben. Sie wollen sich nur nicht so längerfristig binden, sondern übernehmen viel lieber kurzzeitige Projekte, wo sie sich voll einbringen."

So nimmt es auch nicht Wunder, dass Frauen noch immer in entscheidenden Gremien in der Minderheit sind. Auch in den 78 Berliner Sportverbänden, wo nur in acht Fällen die Frauen das Sagen haben. Die auch als Literaturwissenschaftlerin bekannte Gertrud Höhler kam zu dem Schluss, dass "jedes Geschlecht Stärken und Schwächen besitzt, und dass man besten vorankommt, wenn beide Seiten vernünftig miteinander umgehen und eine Kooperationsgemeinschaft bilden. Business ist ein Mannschaftsspiel, wobei allerdings das Vordringen der Frauen unaufhaltsam ist".

Aus Anlass seines 60-jährigen Bestehen verzichtet der LSB Berlin auf große Feierlichkeiten, sondern führt Foren durch, die sich mit den derzeitigen Problemen beschäftigen, so mit der Veränderung der Gesellschaft, der Innovation in den Vereinen, den Ganztagsschulen. Und dem Verhältnis zur Wirtschaft, wobei der IHK-Präsident und Sponsor der Alba-Basketballer, Eric Schweitzer, bei seiner Begrüßungsrede die These aufstellte, dass der Sport ein Imagegewinn für eine Stadt und zudem ein nicht zu unterschätzender Wirtschaftsfaktor sei, Arbeitsplätze schaffe und auch Steuern zahle. Schließlich sind viele größere Vereine, vor allem Bundesligaklubs, mittelständische Unternehmen.


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 42 / 13. Oktober 2009, S. 12
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Oktober 2009