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BERICHT/672: Fußballerinnen in Äquatorial-Guinea (frauensolidarität)


frauensolidarität - Nr. 116, 2/11

Zwischen Wertschätzung und Stigmatisierung
Fußballerinnen in Äquatorial-Guinea

Von Regina Roschmann und Yvonne Weigelt-Schlesinger


Vom 26. Juni bis 17. Juli 2011 findet in Deutschland die Frauenfußball-Weltmeisterschaft statt. Dabei vertreten die Teams aus Äquatorial-Guinea und aus Nigeria - Letztere sind Afrikameisterinnen - den gesamten Frauenfußball in Afrika. Laut ExpertInnen des Fußballweltverbandes (FIFA) hat dieser eine vielversprechende Entwicklung gemacht und blickt in eine aussichtsreiche Zukunft. Allerdings hat man in den meisten afrikanischen Ländern nicht nur mit enormen infrastrukturellen Problemen, sondern auch nach wie vor mit Vorurteilen gegenüber Fußball spielenden Frauen zu kämpfen. Am Beispiel des kleinen westafrikanischen Landes Äquatorial-Guinea beleuchtet der folgende Beitrag den kontrovers geführten Geschlechterdiskurs.


Der schwere Weg zur WM

In der FIFA-Frauen-Weltrangliste rangiert Äquatorial-Guinea im März 2011 auf Platz 61 und ist damit aktuell die viertstärkste afrikanische Mannschaft hinter Nigeria (Rang 27), Ghana (Rang 49) und Südafrika (Rang 58). Zum Vergleich: Deutschland steht an zweiter Stelle, die Schweiz auf Rang 26 und Österreich auf Position 40. Der nationale Verband von Äquatorial-Guinea, die Federación Ecuatoguineana de Fútbol, wurde 1960 gegründet und ist seit 1986 Mitglied der FIFA. Seit 1996 existiert auch ein organisierter Frauenfußballbetrieb. Bei der Frauenfußball-Weltmeisterschaft in Deutschland hat es Äquatorial-Guinea in der Gruppenphase mit den Mitfavoriten Norwegen und Brasilien sowie mit Australien zu tun. In der Qualifikation zur Weltmeisterschaft ließ Äquatorial-Guinea Länder wie Ghana, Südafrika und Kamerun hinter sich und wurde erst im Finale von Nigeria besiegt. Dennoch kam der Erfolg nicht überraschend. Schon 2008 wurde die Afrikameisterschaft vom äquatorial-guineischen Team gewonnen, und die Mannschaft sorgte schon in der Olympiaqualifikation 2007 zu den Spielen in Beijing mit ihrem Sieg über Favorit Südafrika für Furore.

Solche Erfolge eines Landes, das gerade mal 650.000 Einwohnerinnen zählt, lassen offenbar Misstrauen aufkommen und obendrein Spekulationen über das "wahre" Geschlecht von Spielerinnen entstehen. Es regte sich Protest. Anschuldigungen wurden geäußert, in dieser Mannschaft würden Männer spielen. Erklären könnte diese Erfolge aber auch die Tatsache, dass der Frauenfußball erst seit einiger Zeit einen Boom erlebt. Auch andere Länder - vor allem in Afrika - können deshalb derzeit noch nicht auf große personelle Ressourcen zurückgreifen. Die Größe des Landes bzw. die EinwohnerInnenzahl ist also möglicherweise noch kein entscheidendes Kriterium, und auch ein kleines Land kann sich im Wettkampf behaupten.


Wann wird eine Frau als Frau gesehen?

Die Frage nach dem wahren Grund der Erfolge wird sich von Außenstehenden nur schwer beantworten lassen. Dennoch versteckt sich hinter diesem Diskurs eine Problematik, die in letzter Zeit vor allem durch den Fall Caster Semenya für Aufsehen sorgte. Die Südafrikanerin Semenya triumphierte bei der Leichtathletik-WM 2009 in Berlin über die Strecke von 800 m und sah sich anschließend u. a. aufgrund ihrer plötzlichen Leistungssteigerung, ihrer tiefen Stimme und ihrem Aussehen mit dem Vorwurf konfrontiert, sie sei keine Frau. Anschließend musste sie sich einem Geschlechtstest unterziehen, der Aufschluss bringen sollte.

Bemerkenswert im Falle der aktuellen Vorwürfe gegenüber Äquatorial-Guinea ist in diesem Zusammenhang eine Aussage, die Nigerias Trainerin Eucharia Uche zugeschrieben wird: "Wie schon 2008 spielen bei ihnen zumindest zwei Männer mit".- "Zumindest" heißt es in diesem Vorwurf; so eindeutig scheint die Sachlage also nicht zu sein. Und sie ist es auch nicht, denn die übliche Unterscheidung in männlich und weiblich, wie sie in den meisten Kulturen gesellschaftlich konstruiert wird, ist aus biologischer Sicht eben nicht so eindeutig. Es gibt z. B. Menschen, die mit einem Y-Chromosom geboren wurden, aber alle körperlich charakteristischen Merkmale einer Frau entwickelten, ausgenommen der inneren Sexualorgane. Medizinisch wird diese Konstellation als Androgen Insuffizienz Syndrom (AIS) bezeichnet. Diese Frauen haben ein XY-Chromosom, sind aber doch keine Männer, da ihr Körper nicht auf das produzierte Testosteron reagiert.


Geschlechtstests als Lösung?

Geschlechtstests lösen diese Problematik demnach nicht immer. Aber gerade der Sport nutzt auf formeller Ebene die Unterscheidung in männlich/weiblich als Grundlage zur Strukturierung seiner Wettbewerbe. Ein Abweichen von dieser Einteilung, also die Zulassung von Männern und Frauen in denselben Wettbewerben, würde dem Sport ein konstituierendes Charakteristikum entziehen: die Chancengleichheit. Dass der Sport von dieser binären Unterteilung abweicht und Wettkampfklassen weiter differenziert - z. B. Wettkämpfe für Intersexuelle einführt -, ist aufgrund des hohen Aufwands und der stark traditionell geprägten Strukturen unwahrscheinlich. Neben diesen formellen Kriterien beruhen auch heute noch im Sportsystem die traditionellen Geschlechterrollen auf dem komplementären Schema der "männlichen Stärke" und der "weiblichen Schwäche". Die Ausübung der "Männersportart" Fußball, gepaart mit der Nichtübreinstimmung des gesellschaftlichen Schönheitsideals von Frauen, gilt als "unafrikanisch" und unwürdig und wird teilweise sogar durch Strafen sanktioniert (vgl. Meier, 2010).

Die Leichtathletikerin Caster Semenya hat im Juli 2010 die Startberechtigung für die Frauenwettbewerbe nach einer Hormonbehandlung zurückerhalten. In ihrer Heimat wird sie als große Sportlerin gefeiert. Aber andernorts könnte an jedem weiteren Sieg ein Makel hängen bleiben, nach dem Motto: die hat zwar gewonnen, aber eigentlich ist sie keine Frau.

Das internationale Olympische Komitee (IOK) will, zwölf Jahre nach der Abschaffung der Sextests, wieder Geschlechtskontrollen für Frauen einführen. Der würdige Umgang mit Menschen, die wahrscheinlich selbst nicht genau wissen, in was für einem Körper sie stecken, bleibt dabei auf der Strecke. Auch wenn das IOK verlauten ließ, dass die besagten Fälle dann nicht öffentlich weltweit kommuniziert würden. Man darf gespannt sein, wie sich die Öffentlichkeit im Sommer bei der Fußball-Weltmeisterschaft der Frauen gegenüber den Spielerinnen aus Äquatorial-Guinea verhalten wird. Das Ausmaß der Kritik wird sich vermutlich danach messen, wie erfolgreich die Spielerinnen sind und gegen welche Mannschaften sie punkten.


Literaturtipp:
Meier, M.: Banyana Banyana. In: Frauenfussball - Magazin. 1 (3). 4-5 (Aachen, 2010).


Zu den Autorinnen:

Regina Roschmann studierte Sportökonomie in Chemnitz (Deutschland) und Trondheim (Norwegen). Seit 2007 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin an der TU Chemnitz. Ihre Schwerpunkte sind Fußball und Sportmarketing.


Yvonne Weigelt-Schlesinger studierte Sportwissenschaft in Chemnitz (Deutschland) und promovierte in Tübingen. Seit 2009 ist sie Assistentin am Institut für Sportwissenschaft der Universität Bern. Ihre Schwerpunkte sind Geschlechterforschung, Sportspieldidaktik und Sportbiographien von Frauen mit Migrationshintergrund.


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Quelle:
Frauensolidarität Nr. 116, 2/2011, S. 12-13
Herausgeberin:
Frauensolidarität - Entwicklungspolitische Initiative für Frauen,
Sensengasse 3, 1090 Wien,
Telefon: 0043-(0)1/317 40 20-0
Telefax: 0043-(0)1/317 40 20-406
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Die Frauensolidarität erscheint viermal im Jahr.
Einzelpreis: 5,- Euro;
Jahresabo: Österreich und Deutschland 20,- Euro;
andere Länder 25,- Euro.


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. August 2011