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BERICHT/690: Endlich schwimmen lernen (TU Dresden)


Dresdner UniversitätsJournal Nr. 19 vom 26. November 2013

Endlich schwimmen lernen
Spezielle Kurse des USZ ermöglichen es Erwachsenen, das Schwimmen zu erlernen

Von Beate Diederichs



Mehr als 800 erwachsenen Anfängern hat der ehemalige Sportlehrer Martin Teichfischer in seinen USZ-Kursen das Schwimmen gelehrt. Die meisten davon waren und sind Studenten aus dem Ausland. Aber auch deutsche Teilnehmer besuchen die Anfängerschwimmkurse, die der promovierte Sportdidaktiker jedes Semester anbietet. "Sie sind so entschlossen und motiviert, das Schwimmen endlich zu lernen, dass sie sich auch von der frühen Stunde nicht abhalten lassen", sagt Teichfischer. Seine Kurse in der Schwimmhalle Freiberger Straße beginnen um 6 Uhr morgens.

Zuerst springt einer der Inder. Nach einem letzten prüfenden Blick vom Beckenrand beugt er sich vor und tut einen Schritt ins Wasser. Das reicht ihm nur bis zur Brust: Das Nichtschwimmerbecken ist 1,35 Meter tief. Er lächelt, dreht sich zu den anderen. Die beiden Ghanaer springen als nächste, dann eine Chinesin, dann der Syrer... Nach fünfzehn Sekunden bewegen sich alle fünfzehn Teilnehmer des "Absolute-Beginners-Kurses" wieder im Wasser. "Jetzt noch einmal mit mehr Schwung", ruft Martin Teichfischer, der zwischen den Schwimmneulingen im Becken steht. Beim zweiten Mal springen die jungen Männer und Frauen schon so beherzt, dass das Wasser bis zur Bank spritzt, wo Teichfischers Mitarbeiterin sitzt, Studentin Ronja Winkler. Sie wiederholt den zwei Chinesinnen gerade eine Anweisung des Schwimmlehrers auf Englisch. "Die Teilnehmer, die den Kurs eben erst begonnen haben, verbringen noch viel Zeit damit, gezielt einzelne Bewegungsabläufe zu trainieren. Sie üben im Nichtschwimmerbecken, wie sie Arme und Beine einsetzen müssen, dazu die Atmung. Alles zunächst nur fürs Brustschwimmen. Erst am dritten oder vierten Kurstag gehen wir mit ihnen danach auf eine Randbahn des Schwimmerbeckens, wo das Wasser zwei Meter tief und kälter ist. Dort beginnen sie ebenfalls mit einfachen Übungen: stoßen sich vom Beckenrand ab oder gleiten ein Stück, gesichert durch einen Schwimmgürtel", erläutert die Sportschwimmerin. Sie studiert an der TUD Maschinenbau und trifft so als USZ-Kursleiterin regelmäßig Kommilitonen als Schwimmschüler wieder. "Wir möchten den Schwimmanfängern vermitteln, dass sie sich im Wasser sicher fühlen können. Deshalb beginnen wir im Flachen, wo sie stehen können", fügt Martin Teichfischer hinzu, der aus dem Wasser geklettert ist und die Übungen seiner Schützlinge begutachtet. "Die Arme länger strecken", ruft er einer der Chinesinnen zu. Die schaut fragend. Ronja Winkler will übersetzen, doch die andere Chinesin hat schon verstanden und hilft ihrer Freundin. "Die Kommunikation klappt mit Englisch und Deutsch gut. Oft helfen sich die Teilnehmer gegenseitig. Trotzdem können Details zu Missverständnissen führen: Ich kapierte zum Beispiel nicht sofort, dass Inder den Kopf schütteln, wenn sie zustimmen", berichtet Ronja Winkler. Auch ihre Kollegin Steffi Nebel hat diese Erfahrung gemacht und lächelt, als sie sich daran erinnert.

Pro Semester bietet das USZ (Universitätssportzentrum) der TUD einen Kurs für erwachsene Schwimmanfänger und einen Aufbaukurs für Schwimmer mit wenigen Vorkenntnissen an. Beide Kurse laufen parallel, beginnen meist 6 Uhr und dauern 90 Minuten. "Die frühe Anfangszeit kommt daher, dass wir beide Becken brauchen und die Halle später voll belegt ist", erklärt Martin Teichfischer. Seine Kurse sind sehr gefragt: 22 Studenten sind jeweils eingeschrieben. Knapp zehn stehen diesmal auf der Warteliste. Die meisten Teilnehmer sind Master- und Promotionsstudenten zwischen Anfang und Ende Zwanzig. "Sie kommen unter anderem aus Indien, China, Syrien, Nepal, Ghana, Polen oder Russland. Auch Deutsche sind dabei", zählt Ronja Winkler auf. Alle haben gemeinsam, dass sie entweder aus Regionen stammen, wo sie keine Gelegenheit hatten, schwimmen zu lernen, oder den Schwimmunterricht nicht nutzen konnten oder wollten. So wie Politik-Masterstudent Jeremias Beyer: "Der Schwimmunterricht, den wir hatten, war nicht gut. Doch mittlerweile stört es mich, wenn ich im Sommer am Strand bin und nicht schwimmen kann. Deshalb werde ich es jetzt endlich lernen!" Informatikstudentin Ran Zhang aus China lebte in einer Gegend, wo es nicht viel Wasser gibt, Schwimmen deshalb auch für viele kein Thema ist. "Doch ich möchte es lernen, weil China so viele Naturkatastrophen treffen, bei denen Wasser eine Rolle spielt, wie Hurricans. Als Schwimmer kann man dabei andere Menschen retten." Lehrer Teichfischer geht humorvoll und engagiert auf die unterschiedlichen Bedürfnisse seiner Schützlinge ein, zeigt selber im Wasser, wie sie sich bewegen sollen und wie nicht. Der 63-Jährige, heute Mitarbeiter einer Krankenkasse und in Altersteilzeit, unterwies jahrelang zukünftige Grundschullehrer in Schwimmen und Schwimmdidaktik. Von 1989 bis 1992 war er festangestellter Mitarbeiter des USZ und leitete damals seine ersten Kurse für erwachsene Schwimmanfänger. "Derartige Kurse gab es schon zu DDR-Zeiten, mit weniger Teilnehmern, da die Universität damals weniger ausländische Studenten hatte." In rund zwanzig Jahren hat Teichfischer mehreren Hundert Neulingen das Schwimmen beigebracht. "Es zu beherrschen, kann lebenswichtig sein", sagt er und erinnert sich an einen Teilnehmer, der seinen besten Freund ertrinken sah und ihm nicht helfen konnte, weil er Nichtschwimmer war. "So etwas nie wieder erleben zu müssen, hat ihn unglaublich motiviert." Ein großer Teil von Teichfischers Schülern erreicht nach 14 Einheiten das Ziel des Anfängerkurses: 50 Meter ohne Hilfsmittel zu schwimmen. Die Chancen stehen also gut für Jeremias, Ran und die anderen. Und wenn sie das Schwimmen als neue Lieblingssportart entdeckt haben, wartet noch der Aufbaukurs auf sie.

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Quelle:
Dresdner UniversitätsJournal, 24. Jg., Nr. 19 vom 26.11.2013, S. 3
Herausgeber: Der Rektor der Technischen Universität Dresden
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veröffentlicht im Schattenblick zum 6. Dezember 2013