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BUCHTIP/311: "Sport am Nil. Texte aus drei Jahrtausenden ägyptischer Geschichte" (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 12 / 20. März 2012
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Spuren zum Sport am Nil - Einblicke in antike Bewegungskulturen
Sport als universales Phänomen mit besonderer "Wertewelt": Kölner Sporthistoriker Wolfgang Decker legt Textsammlung vor

von Prof. Detlef Kuhlmann



Die Kultur der Pharaonen Ägyptens liefert die ältesten Quellen der Sportgeschichte. Diese zum Teil sehr privaten Zeugnisse aus Testamenten, Inschriften, Briefen und signierten Urkunden kommen der Frage nach den Ursprüngen des Sports weitaus näher als vergleichbare griechische Dokumente. Diese Erkenntnis war ein wesentlicher Grund für die Zusammenstellung einer bunten Mischung von insgesamt 59 ausgewählten hieroglyphischen, griechischen und lateinischen Textquellen aus fast 3000 Jahren, die wir dem Ägyptologen und Sportwissenschaftler Prof. Wolfgang Decker verdanken, der weltweit als einer der besten Kenner des alten Ägypten und der Antike gilt.

"Die Betrachtung des Sports in der geographischen Einheit des Niltals über annähernd drei Jahrtausende, wie sie mit dieser Quellensammlung für vier unterschiedliche Kulturen angeboten wird, führt wiederum zu der Erkenntnis, dass der Sport ein universales Phänomen ist, das jedoch wie alle Kulturphänomene den jeweils herrschenden ideologischen und sozialen Kräften unterworfen ist und demnach je nach Ort und Zeit eine ganz besondere Wertewelt repräsentiert." Zu diesem bemerkenswerten Fazit kommt Decker schon im Vorwort zu seiner Sammlung, die im jungen Hildesheimer arete Verlag erschienen ist, der beispielsweise schon mit dem gediegenen Bildband über die Berliner Ausstellung zur Deutschen Sportfotografie im Kalten Krieg aufmerksam gemacht hat, der kürzlich für den Deutschen Fotobuchpreis 2012 nominiert wurde.

Wie muss man sich den Aufbau der Textsammlung von Wolfgang Decker vorstellen, der 30 Jahre lang als Professor für Geschichte des Sports an der Deutschen Sporthochschule Köln gelehrt hat? Der Band besteht nach Vorwort und Einleitung ("Der Sport in Ägypten zwischen Theben und Byzanz") im Kern aus ausgewählten Texten, die wiederum nach Epochen gegliedert sind, und zwar beginnend mit insgesamt 19 Dokumenten aus der Pharaonenzeit, davon 17 hieroglyphisch (z.B. "Eine Ruderregatta zur Zeit des Tutanchamun") und zwei auf Griechisch (z.B. "Ein Sportfest in Chemmis"). Es folgen sieben Zeugnisse aus der Zeit der Ptolemäer (z.B. "Vielseitiger Athlet und hippischer Doppelsieger: die Wettkampfsiege des Sosibios"), sodann 28 Texte aus der römischen Kaiserzeit (z.B. "Urkunde des Faustkämpfers Herminos"), bevor vier aus der byzantinischen Epoche (z.B. "Circusprogramm aus Oxyrhynchos") und "Ein Wettkampf im Stockfechten im Mittleren Reich" als Nachtrag den Band inhaltlich beschließen.

Alle Textdokumente, von denen ursprünglich Steine als häufigster Schriftträger fungierten, werden jeweils zunächst in deutscher Übersetzung vorgelegt und kurz in entstehungs- bzw. sprachgeschichtlicher Hinsicht kommentiert. Doch dabei allein lässt es Decker nicht bewenden:

Es schließt sich nämlich immer noch ein weiterer Abschnitt an, in dem er eine fundierte "Historische Einordnung und sporthistorische Würdigung" vornimmt - am Beispiel: Die "Laufstele des Königs Taharka aus den Jahren 685 und 684 vor Christus" besteht aus 32 Zeilen Text, in dem wir schon erfahren, dass der König nicht nur die Leistung der siegreichen Läufer würdigt, sondern auch alle anderen - nämlich selbst diejenigen, "die hinter ihnen waren, und er belohnte sie mit allerlei Dingen" (Zeile 28).

In dem sporthistorischen Begleittext von Decker ist dann zu lesen, dass es hier um einen Langstreckenlauf von 250 ausgewählten Soldaten über 100 Kilometer ging, wobei alle beim Wendepunkt zwei Stunden pausieren mussten. Der König mischt sich zeitweilig selbst unter die Läufer und tritt dann noch einmal bei der Siegerehrung groß in Erscheinung: "Wie die Sieger bei Olympischen Spielen erhalten die besten ein Ehrenmahl in Gegenwart der Leibgarde, mit der sie auf eine Stufe gestellt werden." Aber auch alle anderen werden für ihre Hingabe vom König belohnt. Sie waren schließlich auch mehr als neun Stunden läuferisch unterwegs - damals freilich noch ohne irgendwelche Gel-Dämpfung, Wave-Platte, EVA-Mittelsohle, PU-Obermaterial oder anderen technologischen Schuhwerk-Schnickschnack!


Wolfgang Decker:
Sport am Nil. Texte aus drei Jahrtausenden ägyptischer Geschichte.
arete Verlag. Hildesheim 2012. 222 Seiten; 34,95 Euro.


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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 12 / 20. März 2012, S. 24
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 4. April 2012