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BUCHTIP/314: Kursbuch "Sport und Gesellschaft" in neuer Auflage erschienen (DOSB)


DOSB-Presse Nr. 31 / 31. Juli 2012
Der Artikel- und Informationsdienst des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB)

Kursbuch "Sport und Gesellschaft" in neuer Auflage erschienen

Informationen über Sportorganisationen und den DOSB mit Mängeln



Manche mag es überraschen, andere arbeiten längst damit: Es gibt tatsächlich etliche Lehrbücher für das Fach Sport in der Schule. Zu den bundesweit etablierten gehört die Reihe "Kursbücher Sport", die Anfang der 1980er Jahre von Prof. Peter Röthig (Frankfurt) und Prof. Stefan Größing (München) begründet wurde und heute von den beiden Sportpädagogen Prof. Volker Scheid (Kassel) und Prof. Robert Prohl (Frankfurt) fortgeführt wird.

Die Bände dienen der Vermittlung von Sporttheorie in Schule und Hochschule und sind nicht ausdrücklich nur für die Hand der Sportlehrkräfte oder Dozenten, sondern explizit für die Schülerinnen und Schüler und die Studierenden des Faches Sport gedacht, wie es in der Einführung heißt: "Dank der besonderen didaktischen Aufbereitung mit Lern- und Kontrollaufgaben, Merksätzen und Definitionen eignen sich die 'Kursbücher Sport' hervorragend sowohl zur Unterrichtsgestaltung als auch zur Prüfungsvorbereitung." Zu der Reihe gehören mittlerweile vier Bände, die sich mit der Sportbiologie (Kursbuch 1), der Trainingslehre (Kursbuch 2), der Bewegungslehre (Kursbuch 3) und mit dem Thema "Sport und Gesellschaft" (Kursbuch 4) beschäftigen. Der Band 4 ist jetzt in "7., korrigierter Auflage 2012" erschienen. Dass auch der organisierte Sport in Deutschland an so prominenter Stelle mit einem eigenen Beitrag enthalten sind, soll hier vorab ausdrücklich gelobt werden. Doch leider gibt es immer noch einiges zu korrigieren in dieser sogenannten korrigierten Auflage - zumindest wenn man das Kapitel "Die Organisation des Sports" (S. 101 - 123) im Buch durch die Brille des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) oder der Sportorganisationen etwas näher betrachtet.

Ohne hier sämtliche Mängel im Detail zu präsentieren und (negativ) zu würdigen, sei mehr beispielhaft wenigstens auf ein paar grobe Ungereimtheiten aufmerksam gemacht, die dann später in einer hoffentlich bald erscheinenden "8. korrigierten Auflage 20XX" wohlwollend beseitigt werden könnten:

Auf der Seite 115 wird der DOSB zu recht als "nationaler Dachverband des Sports" vorgestellt. Es wird zunächst darauf verwiesen, dass es bereits 1949 zur Gründung des Nationalen Olympischen Komitees für Deutschland (NOK) und 1950 zur Gründung des Deutschen Sportbundes (DSB) gekommen ist. Und dann folgt direkt danach der Satz: "Im Jahr 2005 wurden beide Organisationen zusammengeführt und damit besitzen die olympischen und nicht-olympischen Sportarten einen gemeinsamen Dachverband." Abgesehen davon, dass der DOSB nicht irgendwann 2005, sondern erst am Samstag, 20. Mai 2006 gegründet worden ist, wird dem Leser hier suggeriert, diese Gründung sei "nur" erfolgt, um die olympischen und die nicht-olympischen "Sportarten" (nicht Sportverbände!) zusammenzuführen.

Ein paar Seiten weiter wird dann die "Mitgliederstruktur des Deutschen Olympischen Sportbundes" vorgestellt. Komischerweise wird hier dann jene aus dem Jahre 2007 referiert, während schon vorher die mitgliederstärksten Spitzenverbände mit den wenig aktuellen Zahlen der Bestandserhebung aus dem Jahre 2006 präsentiert werden. Man könnte fast auf die Idee kommen, der DOSB habe danach seine Mitgliederzählung ersatzlos aufgegeben. Aber man muss sich schon ernsthaft fragen, warum hier nicht neuere Zahlen zum Abdruck gekommen sind.

Es spricht sogar einiges dafür, dass der gesamte Beitrag tatsächlich schon 2006 inhaltlich und redaktionell abgeschlossen wurde. Denn auch im Literaturverzeichnis findet sich keine einzige Quelle, die nach 2007 erschienen ist - oder ist wirklich danach nichts "Gutes" mehr zur "Organisation des Sports" bei uns im Lande geschrieben worden?

Eine ganz andere Frage nur so am Rande: Warum wird denn nicht einmal der seit dem Kalenderjahr 2007 im Handel befindliche Sportentwicklungsbericht 2005/2006 zitiert? Das ist doch schließlich die umfassendste (Längsschnitt-)Erhebung, die es jemals zur Situation der Sportvereine in Deutschland gegeben hat und aktuell immer noch gibt.

Eine andere Sache noch: Gleich im ersten Satz des Beitrags ist davon die Rede, dass "der moderne Sport im wesentlichen ein organisierter Sport" sei. Elf Zeilen weiter lesen wir dann aber wörtlich: "Die meisten Menschen treiben nicht organisiert bzw. informell Sport" (Seite 101). Wie passt das denn zusammen - zumal noch eine Seite weiter wieder die Sportvereine ins Spiel kommen: "Sie organisieren den größten Teil des außerschulischen Kinder- und Jugendsports in Deutschland". In diesem Zusammenhang ist auch der Hinweis ein paar Zeilen danach interessant, dass Sportvereine gegründet werden, um "Organisationsleistungen kostengünstig für die Mitglieder zu erbringen". Das mag ja sein, aber ist es wirklich der einzige Grund zur Gründung? Und mal um die Ecke gedacht: Wenn es wirklich nur um Kosten ginge, dann müssten ja alle, denen ihr Verein irgendwann zu teuer geworden ist, auf die Idee kommen, einen neuen zu gründen, um die Kosten günstiger zu halten. Ergebnis: Sportvereine würden immer billiger.

Auf der Seite 109 wird referiert, dass im Jahre 2006 beim DOSB "über 90.000 Vereine" und "27 Mio. Mitgliedschaften" gemeldet waren. Es fehlt auch nicht der Hinweis, dass sich "viele Menschen mehr als einem Sportverein angeschlossen haben". Gern hätte man natürlich erfahren, wie viel das sind - aber lassen wir das: Wenn hier wirklich schon die Zahlen aus einer älteren Bestandserhebung des DOSB gemeint sind (ein Zitierhinweis findet sich nämlich an dieser Stelle gar nicht), dann wäre es auch nahe liegend gewesen, die Geschlechterverteilung daraus gleich mit zu beziffern.

Stattdessen wird aber die aus einer ganz andere Studie aus dem Jahre 2003 bemüht, wonach "26 % aller Frauen und 34 % Männer Mitglied in einem Sportverein" (Seite 109) sind. Es fällt allerdings auf und ist vollends verwirrend, wenn wenig später aus einer Tabelle der gleichen Studie zitiert wird, wo dann aber plötzlich 35,6 % aller Sportaktiven im Sportverein Männer und 32,2 % aller Sportaktiven Frauen sind. Wie passt das zusammen? Was können Schülerinnen und Schüler "didaktisch" mit einem solchen Prozentzahlensalat anfangen?

Wie auch immer - die Serie der formalen und inhaltlichen Ungereimtheiten und der inaktuellen Informationen (insbesondere über den DOSB und seine Mitgliedsorganisationen) ließe sich weiter fortsetzen.

Ein Fazit: Wer diesen Text über "Die Organisation des Sports" aus dem neuen Kursbuch "Sport und Gesellschaft" gelesen hat, wird vermutlich und womöglich zu unrecht erst recht die Finger lassen von den anderen sechs Beiträgen - auch wenn diese durchaus interessante Themen behandeln und eine ebenso gründliche Lektüre verdient hätten. Die Überschriften wie "Spielen und Leisten, Konkurrieren und Kooperieren im Sport" und "Sport und Wirtschaft" oder "Sport in den Massenmedien und "Olympische Spiele der Neuzeit" lassen das zumindest erkennen. Ob hier das Lesen tatsächlich zum Vergnügen wird? Es kommt immer auf den Selbstversuch an! Zu dem soll abschließend ausdrücklich eingeladen werden.


Volker Scheid/Robert Prohl (Hrsg.):
Sport und Gesellschaft.
Kursbuch Sport 4. 7., korrigierte Auflage.
Frankfurt: Limpert Verlag. 230 Seiten; 17,95 Euro.

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Quelle:
DOSB-Presse Nr. 31 / 31. Juli 2012, S. 27
Der Artikel- und Informationsdienst des
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veröffentlicht im Schattenblick zum 8. August 2012